Picard Season 3: Schickt Hilfe! Folge 3 ist immer noch nicht gut. Warum mag ich trotzdem, was ich sehe?
Soll ich Kopfschütteln oder anerkennend nicken? Ich bin ernsthaft überfragt.
Spoiler zu Folge drei von Star Trek Picards dritter Staffel.
Es bleibt ziemlich berechnend, oder? Nicht unbedingt so im Einzelnen, aber als Ganzes scheint Picard Season drei geradezu versessen darauf zu sein, so eine Art Nineties-Trek Remix zu werden. Natürlich ohne die ursprüngliche Forscher-Neugierde, mehr auf der Seite des finsteren Kriegs- und Verschwörungsplots von DS9 – eine Serie, die ich immer weniger liebe, je mehr klar wird, dass sie für die neue Marschrichtung von Trek mitverantwortlich war.
Sicher, man könnte sagen, dass die ersten beiden Staffeln bereits ein ähnliches Best-of-Büffet probiert haben: Datas Vermächtnis, die Borg, Zeitreisen, Q, aber es war da doch so hanebüchen, beliebig und sediert, dass das Zuschauen wehtat. Ich freue mich, zu berichten, dass in Folge drei der dritten und letzten Staffel Picard diese Sorte Schmerzen fast restlos nachgelassen hat. Für den Moment haben wir die Gewässer schlechter Fan-Fiction verlassen. Jetzt ist es offenbar passable Fan-Fiction, nicht weniger. Aber nach mehr sieht es bislang auch nicht aus.
Die Dinge, die funktionieren, halten sich grob die Waage mit den Sachen, die gerne auch wegkönnten, mit etwas Übergewicht für die gute Seite – sofern man die komplette Prämisse und Ausrichtung zu schlucken bereit ist. Selbstverständlich stecken hier immer noch eine Menge Bequemlichkeiten drin – unfassbar mächtiges, unbekanntes Schiff aus dem Nichts, herbeigedichteter Picard-Nachwuchs, Charaktere, die immer genau da sind, wo sie gebraucht werden – oder verschwinden, wo sie im Weg sind (ein interessanter, aber ungenutzter und dann plötzlich abgemeldeter Shaw und Seven of Nine).
Manche Leute sagen Dinge, bei denen man direkt abschalten möchte. “Nenn’ mich Nummer eins” hätte man auch weniger “cringe” und subtiler machen können, ein zufälliger verletzter Offizier auf der Krankenstation vergisst Sternenflottenprotokoll und blafft Jack Crusher an, Riker erklärt Captain Shaw seinen Job und einem pensionierten Picard sagt er, dass er hofft, dass dieser auch einmal das Gefühl von Vaterfreuden spüren wird. Letzteres ist schon in Realweltkreisen aus diversen Gründen ein No-Go. Doch hier ist es obendrein maximal unplausibel und wird nur gesagt, damit wir später an einer dramaturgisch effektiven Stelle Rikers 17-Sekunden-Geschichte auf Picard spiegeln können.
Aber die Folge nutzt auch Brot und Butter der besseren Kinofilme: Typisches Katz-und-Maus-Trek, Hinterlist und Versteckspiele im Nebel, die man mit derart guten Effekten nur schwerlich komplett versemmeln kann. Das stimmt auch hier, und so macht es unterm Strich sehr wohl Spaß, zuzuschauen. Auch hier gilt wiederum: Damit Picard und sein Umfeld die Helden sein können, muss die Crew der Titan bis zur Krankenstation runter überfordert und kopflos dargestellt werden. Shaw schafft es auf der Bahre noch gerade so zum Stichwortgeber und stößt bei Jack einen Gedanken an, den auf der Enterprise D ein dahergelaufener Fähnrich noch vor der ersten Werbepause geäußert hätte.
Dann rennt der jüngste Crusher zu Seven of Nine, die selbst bei Alarmstufe rot noch unter Hausarrest steht und mit einer lebensrettenden Info trotzdem keine Verbindung zur Brücke aufbauen kann (weit hergeholt!). Wie letztens schon gesagt: Das muss so sein, sonst hätten wir keinen Jack-Crusher-Kinnhaken und kurz darauf auch keine Verfolgungsjagd im Nebel mehr. Dann wäre die Folge einfach vorbei und man müsste sich Gedanken darüber machen, was eigentlich die Geschichte von Staffel drei ist. Diese rückwärts gerichtete Drehbuschschule sehe ich in letzter Zeit allzu oft und es nervt. Lichtblick in der Crew bleibt weiter Sidney Laforge, die als einzige eine Ahnung zu haben scheint, was sie hier tut. Mich stört das mehr, als es vielleicht sollte. Aber wenn plötzlich ein Drittel der vergreisten TNG-Crew das Kommando übernimmt und eine graupelzige Familie von Erklärbären gibt, rollen meine Augen hörbar in den Hinterkopf zurück.
Aber verdammt! Ich habe trotzdem Spaß hierbei. Die Schauspieler sind deutlich besser als zuvor. Picards und Beverlys Gespräch über ein 20-jähriges Geheimnis war nachvollziehbar und dramatisch wirksam. Zumindest, wenn man mal ausklammert, dass Jack-Schauspieler Ed Speelers 34 ist und diese beiden Weltraumsaurier schon vor dem Ende von TNG nicht mehr im Alter waren, in dem man gemeinhin eine Familie gründet. Worfs Vorstellung – Zucker zum Tee? – rang mir gar einen der lauteren Lacher der jüngeren Seriengeschichte ab und der Ton ist allgemein nicht mehr so verdrießlich, wie in den bisherigen Staffeln, die bisweilen unnötig grausam waren.
Ich mochte die Rückkehr der Wechselbalge, der Kampf mit der Portalwaffe war nett (auch wenn ich nicht verstanden habe, wieso Vadic diese nicht eingesetzt hat, um die Titan von der Rückkehr in den Nebel abzuhalten) und der Konflikt zwischen Riker und Picard eine nette Spiegelung der alten TNG-Verhältnisse. Dass man hier wagt, ein wenig an etablierten Verhältnissen zu wackeln, hatte ich der Serie nicht zugetraut. Das Ende der Episode deutet an, dass der Bruch nicht binnen der ersten zehn Minuten der vierten Folge gekittet ist. Das fand ich gut, auch wenn ich nicht sicher bin, ob Rikers Reaktion so angemessen war, nach allem, was diese beiden zusammen durchgemacht haben.
Wenn meine Star-Trek-Bingokarte mich nicht täuscht, müsste die noch gefährlichere Waffe, um die es beim Einbruch ins Daystrom Institut wirklich ging, der Körper von Datas “Bruder” Lore sein. Obwohl ich jetzt schon merke, dass mir das in seiner Checkboxen abhakenden Selbstverständlichkeit schon wieder allzu passgenau und “easy” vorkommt, hadere ich gerade nicht mit dieser Enthüllung, sollte es dazu kommen. Irgendwie hat es mich trotz aller Torheiten und blöden Angewohnheiten neuen Treks ein bisschen am Haken. Ich zapple zwar noch und kann die Augen vor den Schwächen nicht verschließen, was wohl an der beispiellosen Stümperei der ersten beiden Seasons liegt. Aber ich schaue gerne zu und wundere mich nicht mehr in jeder zweiten Szene, was die Autoren wohl geritten hat. Das verbuche ich vorerst als Achtungserfolg.