Picard Season 3 startet als Nostalgiefest — und hat immer noch nicht verstanden, worum es in Star Trek ging
Ich bin gespannt, wie lange ich das aushalte.
Spoiler zur ersten Folge von Staffel drei von Star Trek Picard!
Natürlich geht es mit einer Schießerei los. Wie könnte es in Star Trek auch anders sein? Wir wollen doch keine Missverständnisse aufkommen lassen, nicht, dass Leute noch denken, man ginge – boldly – irgendwohin, wo noch nie einer war. Nein, wir ballern einfach wie alle anderen auch. Lassen wir eine Mitt-Siebziger Beverly solo gegen zwei knallharte Alien-Söldner die einfachen Schüsse verfehlen, die schwierigen treffen und sie mit dem alten Dampf-Trick aufs Glatteis führen. Chain of Command oder Measure of a man gingen doch genauso los, oder?
Ihr müsst schon verzeihen, wenn ich mir hier ein bisschen den Frust von der Seele schreibe. Staffel eins von Picard hat mir schwer zu schaffen gemacht. Ich habe selten eine so schlechte Serie gesehen (und nein, das konkretisiere ich nicht weiter, ich bin immer noch traumatisiert). Kaum zu glauben, dass man dafür den vielleicht größten Helden meiner Kindheit und Jugend nach einem fabelhaften Serienende noch einmal aus dem Ruhestand geholt hat. Dabei konnte ich die Verlockung, es doch zu tun, schon verstehen. Die Kinofilme jenseits des achten Teils waren ebenfalls dem Lebensabend dieser Figur nicht würdig (und machen wir uns nichts vor, den mögen wir auch nur so, weil er wahnsinnig unterhaltsam war), man hätte diese Crew besser verabschieden können, keine Frage.
Aber Picard Season eins… Wozu diese Geschichte von Universen-beendenden Ausmaßen, wie sie heute den meisten Videospielen nicht mehr genügen würde, mit Charakteren, die sich einzig und allein über ihre Dämonen definieren?! Wer dachte, das sei eine gute Idee? Von Staffel zwei habe ich dann haargenau eine Folge ausgehalten und dann beschlossen, es nicht weiterzuverfolgen, aus Sorge, dieser “neue” Picard würde den TNG-Picard, den ich so liebte, aus meinem Gedächtnis verdrängen. Der Reunion der alten Crew in Season drei – die schon Gegenstand der ersten Season hätte sein müssen – wollte ich dann aber wider besseres Wissen doch zumindest noch eine Chance geben. Womit wir wieder bei der Schießerei wären…
Ich denke, ich kann jetzt schon sehen, wie das hier im weiteren Verlauf auseinanderfällt. Wie bei einem Autounfall in Zeitlupe weiß ich, dass es schon zu Beginn der vereisten Kurve aus ist. Jetzt ist nur die Frage, wie schlimm es noch wird. Dabei will ich gar nicht alles zerreißen, was hier gezeigt wurde. Riker und Picard zusammen zu sehen… das funktioniert einfach. Ein paar von Picards Sprüchen kamen nicht direkt aus der Postkartendruckerei und ließen ein wenig Weisheit durchblicken und mit Captain Shaw, Sidney LaForge und dem zweiten Crusher-Sproß sind drei Figuren dabei, die ich vom Fleck weg lieber sehe als die Knallchargen-Crew der ersten Season.
Aber man sieht schon, dass hier im Großen und Ganzen immer noch dieselben Leute verantwortlich zeichnen, die Star Trek nur aus den Kinofilmen zu kennen scheinen. Immer muss es um Leben und Tod gehen, am besten den von möglichst vielen Leuten, vorzugsweise mit einer Doomsday-Waffe oder einem Feindschiff, das natürlich um ein Vielfaches größer und besser ist als alles, was die Föderation aufzubieten hat (wo auch immer das herkommen mag. Da beweist sogar Star Wars mehr Logik mittlerweile). Season drei hat beides auf einmal bekommen.
Der Rest ist bisher TV-Handlung vom Fließband, die niemanden interessieren würde, wären hier nicht echte Fernseh-Legenden ein letztes Mal vereint zu sehen. Figuren-Schicksale und Ereignisse werden nach Maßarbeit in Position gebracht und Gesetze der Serie gebrochen, damit der Plot passieren kann. Beispiele gibt’s schon in Folge eins in Serie:
Beverly hat sich aus mysteriösen Gründen 20 Jahre lang bei niemandem von der Crew gemeldet. Picards 20 Jahre unbenutzter Kommunikator ist geladen, angeschaltet und in der Lage, vom Hintern der Galaxis eine codierte Subraumnachricht ihr zu empfangen. Laris hat Besseres zu tun, als ihren gebrechlichen Partner auf eine offensichtlich gefährliche Reise zu begleiten. Deana braucht eine Auszeit von Will, damit er mit Picard auf das Abenteuer gehen kann und Will und Jean-Luc sind dumm genug, zu glauben, dass der Plan mit der USS Titan funktionieren würde. Und das wären nur die ersten 20 Minuten. Das geht ja ungebremst so weiter.
Denn zum Glück ist Captain Shaw Arschloch genug, dass die zufällig dort als Commander postierte Seven of Nine so unglücklich auf ihrem Posten ist. Das wiederum kann dazu führen, dass sie sich über direkte Befehle hinwegsetzt und mal eben ein riesiges Sternenflottenvehikel zum Rentnertaxi an den Rand des Föderationsraumes umfunktioniert. Gut, dass Shaw lange genug schläft, um nicht zu bemerken, wie sein eigenes Schiff gerade eine unautorisierte, Lichtjahre weite Reise unternimmt (überhaupt, wie viele “unautorisierte” Dinge mit wertvollem Föderationsequipment passieren, in dieser einen Folge). Und natürlich ermittelt Raffi im Diebstahl der Superwaffe, was sie zweifellos wieder auf Kollisionskurs mit Picard bringt.
Wie gesagt, das war, abzüglich einiger unweigerlicher Fernseh-Torheiten (Riker lässt sich während eines riskanten Enter-Manövers arg idiotisch überraschen!), ganz ansprechend anzuschauen. Die Raumschiffe sehen gut aus, die Riker und Picard harmonieren schön und auch der Rest der Schauspieler scheint diesmal besser auf dem Posten zu sein als zuletzt. Aber es deutet sich wieder einmal großer, konstruierter Weltenretterquatsch an, dem ich jetzt schon argwöhnisch und genervt entgegensehe. Das hatte schon in den letzten beiden Staffeln nichts mit dem zu tun, weshalb Star Trek (und TNG im Speziellen) zu Kult-Klassikern wurden. Der Gedanke, sich an eine TV-Realität anzupassen, die die bei den Sopranos, Breaking Bad und Game of Thrones die Kamera tief in menschliche Abgründe hineingehalten hat, aber auch Effektbombast von Star Wars und Marvel in die Glotze brachte, ist verständlich. Aber ich vermisse die idealisierte Zukunft, für die die Föderation immer stand. Picard, der Captain, ist zu gut für die düstere Timeline, in der wir uns gerade befinden. Ich bin gespannt, wie lange ich das aushalte.