Pikmin 3 - Test
Esst mehr Obst!
Nintendo hat immer wieder mal die Spielewelt oder zumindest seinen eigenen kleinen Teil davon neu erfunden. Die Zeldas, Metroids und Marios trugen zwar immer die großen Namen ihrer ehrwürdigen Vorfahren, aber sie gaben oft - nicht immer - dem Ganzen einen neuen Twist. Mal war es das komplette Umkrempeln der Art, wie man spielen kann - Wii -, mal der technische Durchbruch, wie ein 3D-Hüpfer zu funktionieren hat, mal kleinere, frische Ideen, die ein bekanntes Konzept fast so neu wie am ersten Tag wirken ließen.
Auf der Wii U warte ich immer noch sehnlichst auf diesen Moment.
So schön Mario HD ist, so sehr ich es schätze, was Neues war es wirklich nicht. Wird Pikmin 3 also das Zeitalter der Neuerfindung des Spielspaßes auf der Wii U einleiten, ein echtes neues Zelda ist schließlich immer noch nicht in Sicht? Hmm... Nein. Solltet ihr einen der Vorgänger gespielt haben, findet ihr euch in der ersten Stunde perfekt zurecht. Was dann an Neuerungen in den nächsten beiden folgt, lässt sich ebenfalls sehr leicht verarbeiten und sorgt in keiner Weise für eine Neuerfindung des eigenwilligen Mixes aus Strategie und ein wenig Action. Das ist nicht schlimm. Schließlich sind die zwei Vorgänger keine Legion, wie es bei Mario der Fall ist, und eines kann man immer noch sicher sagen: Es gibt da draußen nichts wie Pikmin 3. Außer den anderen beiden Pikmins natürlich.
Wie schon zuvor geht es um einen Planeten, ein abgestürztes Raumschiff und die Insassen, die gestrandet auf einer fremden Welt am leben bleiben müssen. Die Reparatur des Schiffes ist dabei diesmal nicht das ultimative Ziel, auch wenn ihr es erfüllen müsst. Wichtiger ist die Mission, für den Heimatplaneten der kleinen Reisenden dringend benötigte Nahrungsmittel zu finden, denn diese gehen dort dank Raubbau und Misswirtschaft - nicht so subtile Öko-Message hier einsetzen - rapide zur Neige. Ich spreche bei den Gestrandeten nicht ohne Grund im Plural. Musste Captain Olimar noch alleine klarkommen, habt ihr in Pikmin 3 in kurzer Zeit ein Team aus drei Astronauten zusammen. Wo es vorher nur einen gab, da sind jetzt drei. Ist das nicht eine gewaltige Änderung im Spielkonzept? Erstaunlicherweise nicht wirklich.
Immer noch sind die einheimischen Wesen der Pikmins der Schlüssel zum Erfolg. Die kleinen, drolligen Kerlchen gehorchen euren Befehlen, lassen sich mit der Wiimote oder nur dem Pad und seinen Sticks dirigieren und tragen eure Kämpfe aus oder sammeln alles ein, was mehr Pikmins oder Nahrung verspricht. Letzteres sind riesige, bunte, richtig lecker aussehende Früchte, neue Pikmins lassen sich dagegen aus so ziemlich allem gewinnen, was man so findet. Besiegte Monster, Blumen, Pflanzen, der Nachschub an Wuselviechern ist gesichert.
Fürchte die Nacht, genieße den Tag
Nach wie vor gibt es ein hartes Zeitlimit. Ihr spielt immer für einen Tag, der etwa 10 oder 15 Minuten dauert. Ist die Zeit abgelaufen, stirbt jeder Pikmin, den ihr nicht rechtzeitig in die Sicherheit der Basis geführt habt oder der sich nicht zumindest in unmittelbarer Nähe eines der drei Anführer befand. Ihr fühlt euch dabei schnell wie verantwortungsbewusste Eltern, die rechtzeitig ihre Kinder in Sicherheit wissen wollen. Es ist zwar nicht so schwer, mehr Pikmins zu haben, solltet ihr euch nicht rücksichtslos aufführen, aber diese kleinen Biester mit ihrem niedlichen Blatt-Kopf schaffen es einfach, dass ihr sie nicht verlieren wollt. Ihr fühlt euch schlecht dabei. Wenn sich der Zeitleiste dem Ende nähert, die Umgebung ihre sonnigen Farben gegen den rötlichen Schein des Abends eintauscht, dann beginnt ihr hektisch zu werden. War es zuvor alles noch locker flockig, startet nun ein erbarmungsloser Wettlauf gegen die Zeit. Selbst wenn es nicht so schlimm sein sollte: Ihr wollt keinen Blattkopf zurücklassen, wenn es sich irgendwie vermeiden lässt. So viel Empathie zu erzeugen, ist eine echte Leistung für ein Spiel.
Aber eben auch keine, die Pikmin 3 exklusiv für sich beanspruchen kann. Auch Olimar wollte zuvor alle in Sicherheit wissen, bevor er die Klappe für die Nacht schließt. Und um auf die nun drei Anführer zurückzukommen: Aus der Möglichkeit, euer umherwieselndes Heer auf bis zu drei Gruppen aufzuteilen, baute Nintendo ein paar nette Rätsel, wodurch ihr scheinbar unzugängliche Orte doch noch plündern könnt. Aber am Ende ist es auch nicht so anders. Beute ausmachen, Pikmins werfen, Abtransport. Der Weg dahin wird durch das Trio leicht variiert und mitunter drei Gruppen getrennt zu dirigieren sorgt auch für positiven Stress, aber - und das finde ich bemerkenswert - es fühlt sich vom reinen Spiel her nicht anders an. Das liegt wohl daran, dass sich jede der drei Gruppen erst einmal nicht anders spielt. Ich steuere drei von ihnen, aber die Unterschiede der Einzelnen definieren sich nur über die Zusammensetzung der Pikmins, die ihr bestimmt. Drei Gruppen allein lassen Pikmin noch nicht zu einem Lost Vikings werden.
Drei Gruppen allein lassen Pikmin noch nicht zu einem Lost Vikings werden.
Die größte Unterscheidung und ein echter Gewinn dagegen ist vielmehr das Ziel des Spiels. Pikmin gab euch 30 Tage Zeit, das Raumschiff startklar zu machen. Habt ihr es nicht geschafft, waren ein oder zwei Abende Spielzeit verloren. Pikmin 2 zeigte sich dagegen fast zu großzügig und verzichtete auf echten Druck. Der dritte Teil nutzt geschickt das Handlungs-Ziel der Nahrungsbeschaffung, denn nicht nur der Heimatplanet muss sich ernähren. Auch die drei Astronauten brauchen jeden Tag eine Portion aus dem Früchte-Entsafter. Ist keine mehr da, weil ihr zu lange auf den Streifzügen bei Tag nichts gefunden habt, ist das Spiel vorbei.
Es ist eine geschickte Balance, um euch einerseits voranzutreiben, denn schließlich reichen auch die üppigsten Vorräte nicht ewig und sich wachsen auch nicht nach, andererseits könnt ihr euch auch mal einen oder zwei Tage um anderweitige Erkundungsstreifzüge kümmern, solange die Kammern gefüllt sind. Ihr habt stets im Hinterkopf, dass es einen Bedarf gibt, gleichzeitig fühlt ihr euch, spielt ihr nicht zu willkürlich, nie wirklich gehetzt. Mit dieser ideal getroffenen, perfekt austarierten und im dritten Anlauf nun endlich wirklich gefundenen Struktur der Zeiteinteilung lässt es sich wunderbar Erkunden und Plündern.
Neue Pikmins verändern nichts. Jedenfalls nichts Wichtiges.
Wie ein Zelda oder Metroid gibt euch Pikmin im Laufe der Zeit immer wieder neue Aufgaben sowie die Werkzeuge, um sie zu bewältigen. Eine Sandsteinbarriere versperrt den Weg? Rote Pikmins lösen das Problem, werft sie einfach drauf. Eine Glaswand blockiert euch? Mit den harten neuen Stein-Pikmin in Grau werft ihr sie wie eine Scheibe ein. Elektrozaun? Den Gelben macht das gar nichts. Hohe Klippe? Die neuen fliegenden Pikmins holen es auch von dort oder bekämpfen trotz ihrer recht hohen Verletzlichkeit tapfer geflügelte Feinde.
Flügel oder Steinhaut erweitern das Konzept nur sehr dezent und stellen wirklich gar nichts auf den Kopf.
Wiederum: Zwei neue Pikmin-Sorten und trotzdem fühlt es sich nicht neu an. Gut, ja, die Aufgaben und Rätsel sind teilweise perfekt durchdacht und es gibt kaum eine Minute, in der ihr nicht mit Freude an sie herangehen werdet. Aber Flügel oder Steinhaut erweitern das Konzept nur sehr dezent und stellen wirklich gar nichts auf den Kopf. Ihr kommt immer wieder in bekanntes Terrain zurück, durch neue Pikmin-Sorten öffnen sich neue Wege und dahinter geht es vertraut, geliebt und eben bekannt weiter. Nach ein paar virtuellen Wochen werdet ihr den Antrieb für euer Schiff haben und zufrieden eure Mission beenden, ohne dass ihr ein neues Spiel gesehen hättet.
Ihr habt jedoch ein Wunderschönes gesehen. Nachdem ihr einmal Pikmin in HD erlebt habt, gibt es kein zurück mehr. Die prallen Farben, das Nuancen-Spiel mit dem Tageslicht und die unglaublich liebevollen und detaillierten Animationen, sowohl der Pikmins als auch ihrer Feinde, lassen das Spiel geradezu aufblühen. Die Früchte sehen so saftig und ansprechend aus, dass ich zwischendurch Erdbeeren kaufen ging, weil sie im Spiel so verführerisch lecker wirkten.
Alles andere als verführerisch, aber dafür durchaus beeindruckend, zeigen sich die großen Fressfeinde der Pikmin. Eine Reihe von teilweise cleveren Bosskämpfen fordert euch schnelles Taktieren mit mehreren Sorten eurer kleinen Freunde auf engstem Raum. Selbst in den Fällen, wo es keine Mischung aus hektischer Flucht und noch hektischere Gegenattacke ist, gibt es keine Chance, es ruhig anzugehen. Die Biester halten ganz schön was aus und der Zeiger der Uhr tickt erbarmungslos weiter.
Mote oder Pad. Beides geht nicht. Sollte es aber.
Dies sind leider auch die Momente, die einzigen im ganzen Spiel, in denen die bis dahin grenzgeniale Kameraführung an ihr Limit stößt. Hält sie sonst einen eleganten Blick aus einer Perspektive, die nie zu weit weg ist, um die Schönheit der Details aus dem Blick zu verlieren, aber auch nie zu nah dran, um die Übersicht zu verlieren, geschieht bei den Bossen mitunter genau Letzteres. Verzweifelt rudert ihr herum, um etwas zu sehen, eure Gefolgschaft zu bändigen und den Feind im Blick zu halten. Etwas davon bleibt immer auf der Strecke.
Die Steuerung selbst ist ebenfalls sehr zwiegespalten. Mit der Wiimote ist es einfach leichter, das Fadenkreuz präzise zu lenken, weit einfacher als mit den beiden Sticks des Pads. Das geht auch ohne zu sehr fluchen zu müssen, aber es fühlt sich bei Weitem nicht so natürlich an. Verzichtet ihr jedoch auf das Pad, verzichtet ihr auch auf die Karte und diese ist angesichts der verschachtelten Welten ein riesiger Bonus, dem ich am Ende auf keinen Fall entsagen wollte. Ich hatte daher leider nie den Eindruck, dass ich das Spiel auf die wirklich ideale Weise spielen würde. Etwas bleibt also an Verbesserungen noch für Pikmin 4 übrig.
Pikmin 3 ist ein ideales Beispiel für eine dezente, effektive und gelungene Verbesserung eines zuvor schon sehr guten Spiels, ohne dass jedoch groß das Fundament erschüttert wurde. Angesichts der Tatsache, dass gerade das erste Pikmin damals so unkonventionell und frisch war, gebe ich zu, dass ich auf eine Neuerfindung des Rades hoffte. Aber wie heißt es so schön, manchmal muss man vorsichtig sein, was man sich wünscht, es könnte in Erfüllung gehen. Vielleicht ist es besser, dass Pikmin 3 sein immer noch einzigartiges Konzept nimmt, die Balance des für das Spiel so wichtigen Zeitlimits perfektioniert, sich im Glanze seines traumhaften Art-Designs sowie dessen HD-Umsetzung sonnt und es dabei belässt. Wie auch bei Mario schafft es Nintendo damit zwar leider erneut nicht, endlich den so sehnsüchtig erwarteten "muss-sofort-und-um-jeden-Preis-haben"-Titel für die Wii U zu liefern, aber wer von euch die Konsole besitzt, den erwarten hier viele, viele Stunden perfekt durchgestylter Unterhaltung. Wie schon gesagt: So viele Pikmins gab es noch nicht, als dass sich da viel hätte abnutzen können.