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Pikuniku - Test: Nie war eine Dystopie niedlicher

Eine lustige kleine Revolution.

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Wahnsinnig charmanter kleiner Puzzle-Platformer in einer bizarren 2D-Welt voller exzentrischer Einwohner. Sehr witzig, leider recht kurz.

Es fällt mir nicht leicht, es zuzugeben. Ich fühle mich komisch und habe Angst, wie Freunde und Familie reagieren werden wenn ich ihnen sage: Ich habe Gefühle für ein Spiel entwickelt. Es heißt Pikuniku und ich versichere euch, diese Liebe ist echt. Pikuniku hat aber auch einen meiner Schwachpunkte getroffen. Ich mag nun mal Spiele mit großen, einfarbigen Flächen und simplen, aber niedlichen Figuren.

Und ich mag bizarren Humor und Spielwelten die sich selbst nicht zu ernst nehmen. Pikuniku hat alles davon. Ihr verkörpert etwas rotes Footballförmiges auf zwei Beinen, das ihr herrlich tollpatschig durch die Welt stolpern lasst. Bei Bedarf könnt ihr die Beine auch einziehen und herumeiern. Was ihr machen müsst? Zumindest am Anfang habt ihr keinen blassen Schimmer.

Wenn ihr dieses Minispiel absolviert habt, habt ihr geholfen, einen neuen Hit zu produzieren. (Pikuniku - Test)

Die Entwickler geben euch keine Hintergrundgeschichte an die Hand, erzählen euch nicht, wer ihr seid, woher ihr kommt und wohin ihr wollt. Ihr erwacht einfach in einer farbarmen Höhle, in der euch ein Geist aufträgt, ihr mögt sie doch verlassen. Tut ihr das, tretet ihr in eine 2D-Welt hinaus, in der ihr von einigen Dorfbewohnern als Monster betrachtet und in einen Käfig gesperrt werdet. Und dann kommt eins zum anderen. Interessanterweise nicht, weil euch das Spiel ein Element nach dem anderen vorsetzt. Stattdessen bekommt ihr immer wieder den Auftrag, einfach zu erkunden. Und so lauft ihr herum, unterhaltet euch mit NPCs und stürzt so immer tiefer in ein Abenteuer, mit dem ihr in dieser Form vermutlich nicht gerechnet hattet. Ich will an dieser Stelle nicht zu viel vorwegnehmen, denn herauszufinden, was in dieser Welt vor sich geht, ist ein zentraler Reiz an Pikuniku. Nur so viel: Es gibt böse Roboter, gegen die ihr aufbegehren könnt. Das Spiel ein lustiges Revolutionsepos zu nennen, wäre nicht zu kurz gegriffen.

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Pikuniku macht aber nicht nur wegen seiner Hauptgeschichte Spaß. Am Wegesrand findet ihr viele Nebenquests und andere Herausforderungen. Mal legt ihr eine Hand voll Äpfel in eine altertümlich anmutende Maschine und schaltet eine herausfordernde Platformer-Passage frei. Ein anderes Mal zertrümmert ihr gedankenverloren ein paar Eier, nur um dann von einer riesigen Vogelmutter genötigt zu werden, die Jungtiere wieder zu finden, die auf diese Weise ausgebrochen sind. Mein persönlicher Favorit: Der Hausbewohner mit dem besessenen Toaster, der euch ein einen Jump-and-Run-Abschnitt teleportiert, der voller bösartiger Toastbrotscheiben ist, die euch ans Leder wollen. Ihr müsst solche Kleinigkeiten nicht erledigen, aber ihr wärt verrückt, wenn ihr in der Welt von Pikuniku nicht auf Entdeckungsreise gehen würdet. Das Spiel steckt voller toller Ideen.

Einer der Bosskämpfe, in dem ihr das Zeitliche segnen könnt. (Pikuniku - Test)

Nun ist Pikuniku kein besonders tiefes, herausforderndes Spiel. Es hat eine kleine Botschaft, es hat einfache Spielmechaniken, ihr werdet beim Durchspielen nicht wirklich viele Probleme haben. Was es dafür aber in Hülle und Fülle hat, ist Charme. Die Bewohner von Pikunikuland sind herrlich naiv, manchmal unfreundlich, aber nie bösartig. Klar dürft ihr mal nicht in die Disco, aber wenn ihr es schafft, euch eine Sonnenbrille zu besorgen, lässt der Türsteher euch rein. Helft ihr jemandem, bekommt ihr immer eine kleine Belohnung. Ich wusste zwar oft nicht, was ich mit einem spezifischen Gegenstand anfangen sollte, aber gefreut habe ich mich doch immer. (Trotzdem: Falls jemand herausfindet, was man mit dem goldenen Zahn des silbernen Froschs anfangen kann, möge er das bitte in die Kommentare schreiben.)

Vorsicht vor dem tödlichen Toastbrot! (Pikuniku - Test)

Eine Kleinigkeit macht das Gameplay von Pikuniku aber über den Charme der Spielwelt und ihrer Bewohner hinaus befriedigend. Der Kick. Protagonist Piku eiert zwar wie ein Betrunkener durch die Spielwelt, aber wenn er zutritt, fliegen Kisten, Eicheln und selbst kleinere NPCs im großen Bogen durch die Gegend. Sogar Steine könnt ihr auf diese Weise zertrümmern.

Das fühlt sich nicht nur unheimlich befriedigend an, die Entwickler nutzen Pikus Kick auch für ein paar nette Physikpuzzles - nichts, was man nicht schon gesehen hätte. Mal muss eine Kiste auf einen Schalter, um eine Tür zu öffnen, an anderer Stelle müsst ihr ein paar Zahnräder nutzen, um Plattformen so zu drehen, dass ihr sie als Treppe nutzen könnt. Anspruchsvoll ist das nicht, aber es sorgt immer wieder für ein bisschen Abwechslung neben der bloßen Erkundung der Spielwelt. In die gleiche Kerbe schlagen einige wenige Bosskämpfe, die zu den wenigen Stellen im Spiel gehören, in denen ihr tatsächlich sterben könnt. Weit zurückgeworfen werdet ihr aber nie. Pikuniku will eben ein Wohlfühlspiel sein.

Und das funktioniert. Pikuniku ist japanisch und bedeutet nichts anderes als Picknick. Pikuniku ist eine schöne, entspannende und oft lustige Pause, eine willkommene Abwechslung zwischen vielen anspruchsvollen AAA-Titeln. Wenn ihr mögt, spielt ihr einen Teil der Story, habt ihr darauf gerade keine Lust, versucht ihr euch an einer der Platformer-Passagen. Oder ihr versucht, im Wettbewerb mit einem NPC eine Wassermelone in einen Basketballkorb zu treten. Wollt ihr lieber zu zweit picknicken, könnt ihr in neun eigens dafür geschaffenen Abschnitten Pikuniku auch im Mehrspielermodus spielen. Mal fahrt ihr gegeneinander 2D-Autorennen, dann seid ihr wieder mit einer Schnur mit eurem Mitspieler verbunden und müsst es mit diesem Handicap durch das Level schaffen.

Auch zu zweit macht Pikuniku einen Riesenspaß. (Pikuniku - Test)

Allerdings: Es ist ein recht kurzes Picknick. Für das einmalige Durchspielen der Story müsst ihr etwa drei Stunden investieren, erkundet ihr noch ein bisschen, könnt ihr noch eine Stunde aufrechnen. Ebenfalls rund eine Stunde dauert es, den Koop-Modus zu bewältigen, nach etwa fünf Stunden spätestens habt ihr also alles gesehen.

In diesen Stunden macht Pikuniku aber einfach glücklich. Alles daran - die tollpatschigen Bewegungen der Figuren, der Gute-Laune-Elektro-Soundtrack, die Geschichte, bei der ihr so sehr auf der Seite des Guten steht wie gefühlt in keinem anderen Spiel. Habt ihr schon mal mit einem Stein Verstecken gespielt? In Pikuniku könnt ihr es. Wolltet ihr schon immer mal einen überlegenen Roboter in einem Tanzwettbewerb schlagen? Pikuniku ist euer Spiel. Aufgrund der simplen Grafik funktioniert Pikuniku übrigens auch im Handheld-Modus der Switch hervorragend. Ihr könnt Pikuniku also wirklich mit zum Picknick nehmen, ist das nicht Wahnsinn?

Ich will Pikuniku wirklich jedem ans Herz legen, der etwas für niedliche, kleine, nicht allzu anspruchsvolle, aber umso lustigere Gute-Laune-Spiele übrig hat. Klar, es ist etwas kurz - gerade weil so viele Ideen drinstecken, hätte die Spielzeit gut doppelt so lang sein können. Aber es ist nicht teuer und ich kann euch versichern, ihr werdet eine gute Zeit haben. Ich jedenfalls werde Pikuniku sicher noch einmal durchspielen. Und dann vielleicht nochmal. Bis ich wirklich jeden Stein umgedreht und gekickt habe, den dieses Spiel zu bieten hat. Pikuniku und ich - wir werden gemeinsam alt.


Entwickler/Publisher: Arnaud De Bock, Rémi Forcadell, Alan Zucconi, Calum Bowen/Devolver Digital - Erscheint für: PC, Switch - Preis: 12,99 Euro - Erscheint am: erhältlich - Getestete Version: Switch - Sprache: deutsch - Mikrotransaktionen: Nein

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