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Pillars of Eternity: Kein Problem mit Kultisten, aber die Käfer waren einfach zu hardcore

Mal sehen, wie weit man ohne Leveln kommt.

Bei aller Sympathie für die stets oft gut funktionierenden, beherzt ineinandergreifenden Systeme in Obsidian-Spielen gehört liebevolles Lästern über ihre Bugs irgendwie dazu. Tradition verpflichtet, egal auf welcher Seite. Einige Wochen, bevor South Park: Stab der Wahrheit im März letzten Jahres erschien, spielte Björn eine Vorabversion. Ich erinnere mich an die Frage, wie denn der technische Zustand sei, ist schließlich ein Obsidian-Spiel, was in dem Zusammenhang nie eine unwichtige Information sein kann. "Ach, es geht", sagte er, "nur einmal, als ich aus dem Kino kam... da war plötzlich das Kino weg." (zugegeben, ohne South Park bislang gespielt zu haben, war so viel nicht über Bugs zu lesen.)

Das ins Frühjahr 2015 verschobene und an die Spätneunziger gemahnende Party-Rollenspiel Pillars of Eternity ist in der Beta-Entwicklung ebenfalls ein anschauliches Beispiel. Was man einer nur Unterstützern zugänglichen Version, um das vorwegzuschicken, nicht ernst-, sondern höchstens scherzhaft vorwerfen kann. Die ganz frühe Fassung, September oder so erschienen, nun, sie ließ mich zumindest die Charaktererstellung durchlaufen. Sechs Rassen und elf Klassen, diverse Hintergründe, Attribute, ansehnlich gestaltete 3D-Figuren, sehr stimmungsvoll, mit netten Charakterporträts. "Abschließen" klicken, passt alles, los geht's. Nicht. Ich erkenne nur einen weißen Bildschirm, das Interface unten, Silhouetten der Party-Mitglieder und die einiger NPCs rechts von ihnen. Sie suchen eine angeblich Kinder mordende Flüchtige, aber ich kann nicht helfen. Sehe nichts. ESC, Verlassen, weg, was soll man machen...

Die Optionen zur Charaktererstellung sind umfangreich und lassen euch den Charakter spielen, auf den ihr Lust habt.

Wenige Patches und Wochen später der nächste Versuch. Diesmal ist bei der Charaktererstellung Schluss. Absturz. Noch mal. Absturz. Schade, schade. ESC, Verlassen, weg. Ist vielleicht besser so. Obsidian hat noch Monate, die werden das schon geradebiegen. Hoffe ich. Vergangene Woche - weitere Updates später - war die Neugier doch stärker. Also, starten, Charakter erstellen, yeah, kein Crash, "Abschließen" klicken, Spiel lädt, Grafik erscheint und... ich kann nicht leveln?

Jepp, ich kann nicht leveln!

Im Dorf Dyrford, wo die Beta beginnt (nicht das fertige Spiel), ist das erst mal egal. Alles so schön friedlich hier, außer man will es anders. Viele nüchterne, erdige Farbtöne, von der Umgebung bis zu den Menüs. Letztere sind in alter Infinity-Engine-Tradition hölzern gestaltet, versetzt mit Metallelementen, leicht modern geliftet, übersichtlicher als früher, etwa das sämtliche Party-Mitglieder auf einen Blick erfassende Inventar. Eine sinnvolle Neuerung. Die Suche nach dem einen Item, das man ausgerechnet jetzt braucht, dürfte damit deutlich kürzer ausfallen.

Weiter rauszoomen kann man (zumindest in der derzeitigen Version) nicht. Das Artwork sieht stimmig aus.

Dazu die Erzählkraft eines Universums, das Jahrhunderte kommen und gehen sah, sie konservierte in Item-Beschreibungen, Kneipenplaudereien und all den Beschreibungstexten für die Umgebungen. Es gibt keinen, nicht den geringsten Grund zur Sorge, dass Obsidian in dem Bereich enttäuscht, den sie gut beherrschen: den Detailgrad der Welt um einen herum, wie weit sie reicht und wie tief sie ausgehoben ist. Jeder kleine Standarddolch hat eine Geschichte und trägt seinen Teil zum großen Ganzen bei.

Allein in Dyrford gibt es ein gutes Dutzend Dialog-NPCs, manche von ihnen mit langen Gesprächsbäumen, manche wichtig, andere nur Ambiente mit ein paar Zeilen, die sie aufsagen. Und dabei lassen sich in der Beta noch nicht einmal alle von ihnen ansprechen, vor allem jene nicht, die etwas zur Hauptgeschichte beizutragen haben.

Zurück zu meinem Problem: Ich kann nicht leveln, was in einem der Action nicht abgewandten Rollenspiel zu Problemen führen könnte. Die Beta gewährt zu Beginn eine Handvoll Aufstiege, doch sobald ich diese abschließe, bleibt der Bildschirm schwarz. Egal ob mit dem Hauptcharakter oder einem der charakterlosen Begleiter (die richtigen Companions sind ebenfalls noch nicht spielbar, dafür Söldner, rekrutierbar in der Kneipe).

AAAAAAAAAH!

Das einen halben Tagesmarsch gen Osten gelegene Gebiet holt mich dann gleich mit aller Schärfe in die Zeit zurück, die Pillars of Eternity abzubilden versucht. In die späten Neunziger, wo man auch mal planlos durch die Wildnis irrte, zerrissen wurde, neu laden musste, wieder gegen den Bär, Attacke, auf die Würfel hoffen, schon besser, Sieg nach Versuch fünf. In Pillars of Eternity sind es Steinkäfer, und sie überrannten mich jedes Mal.

Erwähnte ich das andere Problem? Zwischen den Party-Mitgliedern zu wechseln ist mehr Glückssache als alles andere. Ein Klick auf das Porträt desjenigen Charakters, den ich haben will, selektiert den links daneben. Manchmal auch den rechts daneben. Ich klicke auf den ersten in der Reihe und habe den in der Mitte. Doppelklick auf den Mittigen und ich bekomme den Rechten. Irgendwann klappt es aus Versehen, doch vernünftig kämpfen lässt sich so noch weniger. Schnell mal einen vor Käferbissen schützenden Buff sprechen, Feuerball oder Blitze, alles nur mühevoll erreichbar.

Im zweiten, westlich des Dorfes gelegenen Gebiet kommt ein weiterer Bug hinzu, der mich lange amüsierte. Hier springen Löwen aus dem Unterholz, von denen man einen oder auch zwei bequem kleinbekäme, würden sie sterben, wie es sich für einen Fleischhaufen auf 0 reduzierter Lebenspunkte gehört. Stattdessen kämpfen ihre Leichen munter weiter, ohne dass man sie anklicken könnte. Müssen diese neuen, modernen Löwen sein, von denen man in letzter Zeit so viel hört. Nun gut.

Die Löwen sind der Hammer.

Ein wenig entmutigt geht es zurück ins Dorf. Gedanken kreisen darum, vor Wut die Taverne auseinanderzunehmen. Oder es zumindest wild klickend und nach Luft ringend zu versuchen. Dann entdecke ich hinter einem Händler eine Tür, verbunden mit einem kleinen Turm. Sie dreist öffnen zu wollen, das führt zum Rausschmiss. Also Diebesmodus aktivieren, zur Tür schleichen, klick und offen. Sehr nett, dass das Spiel diese Aufgabe automatisch dem Schurkencharakter zuteilt, auch wenn man die komplette Party ausgewählt hat. Das Fehlen des nötigen Mechanikwertes kann man mit genügend Dietrichen kompensieren. Oder man haut einfach den Händler samt Leibwache um - deutlich einfacher als bei den Steinkäfern.

So oder so findet man in dem Turm eine Luke, darunter eine Höhle voller Kultisten. Ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung, ob das hier was Optionales ist. Dann wäre es angesichts der Größe umso erstaunlicher. Viele verschlossene Bereiche und Durchgänge, Ecken zum Plündern und noch mehr Gegner hier unten. "Cool", denke ich, "dann halt wie früher die Notlösung: einen Kampf und danach rasten", merke aber schnell, dass PoE kein Rast-Spamming unterstützt. Stattdessen müsst ihr so etwas wie Campingausrüstung kaufen und könnt nur so oft ein Lager aufschlagen, wie der Vorrat reicht. Ebenfalls eine sehr gute, zum überlegten Handeln anregende Neuerung.

Wer sich mit Stahl und Schild durchsetzen möchte, statt zu reden, kann das gern tun. Egal bei welchem NPC - solange keiner überlebt, um es weiterzuerzählen.

So geht es mühsam voran, aber wenigstens mit heiler Haut, solange man nur zwei, maximal drei Gegner anlockt. Hier funktioniert das Echtzeit-mit-Pause-System wunderbar, Sieg um Sieg, Raum für Raum, den man erschließt, trotz all der Probleme, die es immer noch mitschleppt. Sehr nett sind auch die Schlüsselpunkte beschreibenden Illustrationen, etwa bei einem Holzbalken, wo man mühelos mit Seil und Haken einen Weg in die Etage darunter einschlagen könnte. Vermute ich mal. Hatte nichts von beidem dabei und keine Ahnung, wo man das herbekommt. Wie gesagt: Wenn das ein optionaler Dungeon ist (auch wenn es keiner ist), Hut ab. Ich freue mich schon auf weitere.

Im fertigen Spiel würde man nun vermutlich weiterziehen durch das Land Eora, sehen, wohin es einen auf der Weltkarte verschlägt oder was in Wechselwirkung mit den über einem Dutzend Fraktionen passieren kann. Mit wem man es sich verscherzt, wo man lieb Kind macht und wie sich das alles bedingt. Pillars of Eternity wird, so viel ist sicher, zahlreiche Systeme vereinen, wenn es erscheint im... ja, wann eigentlich? Der Termin steht weiterhin auf "Anfang 2015". Je nach Auslegung dieses Rahmens und unter Einberechnung des Bugfixing-Marathons, den sich Obsidian sicher nicht nehmen lassen wird, kann das noch ein bisschen dauern. Erst einmal...

... hätten sie mich mal nicht so schief angesehen.

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Sebastian Thor Avatar
Sebastian Thor: Steht auf Bier und Bloodsport. Mag weiche Sofas und verliert sich gern in Gedanken an dies und das. Seit 2014 bei Eurogamer dabei, aktuell als freier Redakteur.
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Pillars of Eternity

PC, Mac

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