PlayStation Vita Test-Round-Up: Escape Plan, ModNation Racers: Road Trip, Little Deviants
Zweimal tiefstes Mittelmaß und eine kleine Enttäuschung
Auch wenn ihm vielleicht dieser eine, alles dominierende Traumtitel fehlt, so ist das Start-Portfolio der PlayStation Vita doch eines der beeindruckendsten einer neuen Konsole überhaupt. Breit gefächert und technisch schon überraschend ausgereift, ist in der beinahe ein bisschen unübersichtlichen Spieleschar bisher kaum ein wirklicher Ausfall zu verzeichnen. Fast alles ist sehr spielbar und mindestens funktional. Gute Arbeit bisher.
Dennoch gibt es einige Titel, bei denen ich - wenn überhaupt - eher zögerlich eine Kaufempfehlung aussprechen würde. Und denen will ich mich heute widmen. Neben zwei Titeln, denen meine Zustimmung aus verschiedensten Gründen versagt bleibt, erfahrt ihr in diesem Artikel auch von einem Spiel, dem ich deutlich mehr zugetraut hätte.
Little Deviants
PlayStation Store: 24,99 Euro. Ladenfassung: Etwa 30 Euro.
Little Deviants ist die unausweichliche Minispielesammlung, die zum Start einer Plattform mit derart vielen Steuerungsmöglichkeiten keinen wundert, aber über kurz oder lang aus Selbstverschulden genauso wenige interessieren wird. Das Design der kleinen Außerirdischen soll knuddelig-schräg sein, bleibt aber jederzeit unfassbar beliebig und austauschbar und die lose aneinandergereihten Minispiele hat man alle in ähnlicher Form schon einmal gesehen. Wer eifrig mit seinem iPhone/Pod/Pad den App Store frequentiert, bekommt hier vergleichbare und gut funktionierende, aber bestenfalls lauwarm recycelte Ware vorgesetzt.
Dazu kommt, dass die Spiele erst nach und nach freigeschaltet werden müssen. Gefällt einem eine Disziplin nicht, Pech gehabt. Vor allem auch, weil viele Spiele mit der Zeit wiederholt werden. Der Umfang stimmt dennoch, weshalb die strukturelle Gängelei auch nicht allzu schwer wiegen würde, wenn die Spiele allesamt nicht einen gewissen Zug vermissen lassen würden. Die lose Handlung um die Aliens, die - gejagt von außerirdischen Robotern - ihr Raumschiff wieder zusammenbauen müssen, ist es jedenfalls nicht, die einen antreiben würde. Dass die Spielchen sich für das Erreichen des Minimum-Ziels immer ein wenig hinziehen, sorgt dann auch gleich dafür, dass man meistens genau dann jegliche Ambitionen auf den Highscore beiseitelegt, wenn die gebotene Punktzahl für die Bronze-Auszeichnung erreicht ist.
Schnellere und kürzer hintereinander gestaffelte Geschicklichkeitstests wären hier ein probates Mittel gewesen, letzten Endes einen einnehmenderen Titel für zwischendurch zu schaffen. Einige Lichtblicke unter den Spielchen können da nicht verhindern, dass sehr schnell die Luft raus ist. Vielleicht hätte auch ein wie auch immer geartetes Mehrspieler-Angebot geholfen, aus Little Deviants eine Art Launch-Standard zu machen, wenn einem der Sinn nach etwas Leichtem steht. Das Spiel bietet jedoch keinerlei direkten Wettbewerb, auch wenn ich dafür, dass zumindest die Punktestände ab Werk mit dem Rest der Welt verglichen werden, in jedem Fall ein großes Lob aussprechen möchte.
Auch wenn man das Gefühl nicht los wird, Little Deviants wäre als kostenlose Konsolenbeigabe besser beraten gewesen, fällt der Preis der Sammlung mit knapp 25 Euro für die digitale Version aus dem PlayStation Store nicht gerade unverschämt aus. Würde man sich im App Store alle Entsprechungen der einzelnen Games in den Warenkorb legen, wäre man wohl kaum günstiger dran. Technisch ist das Gebotene zudem sehr sauber und rein spielerisch funktioniert zumindest alles. Nur hält die Faszination über das Wackeln, Tippen, Wischen nur so lange, bis einem das Spiel das Erreichen der nächsten Runde signalisiert. Überhaupt frage ich mich, warum Sony die Notwendigkeit sah, ein Spiel in Auftrag zu geben, das im Grunde nur sagen will, "wir können auch Handyspiele". Bestand daran jemals ein Zweifel?
ModNation Racers: Road Trip
PlayStation Store: 34,99 Euro. Ladenfassung: Etwa 40 Euro.
Der hässliche kleine Cousin von LittleBigPlanet soll zum Start der Vita Bastler und Tauscher bedienen. Ein durchaus lobenswerter Einfall, beweist Sonys neuer Handheld doch in beinahe jedem seiner Start-Titel Spiel einen außerordentlichen Willen zur Vernetztheit. Dass ausgerechnet dieses Spiel hier scheitern muss, tut schon ein bisschen weh. So können zwar PS3-Kreationen mit der Vita-Version gespielt, leider aber nicht unterwegs eingefangene Strecken-Geniestreiche in den PS3-Äther hochgeladen werden. Und das ist wirklich schade, denn die durchaus elegante Gestaltung der Kurse per Touch-Kontrollen stellt im Vergleich zum Controller eine deutliche Steigerung dar. So bleiben Bürder der Vita-ModNation unter sich - sogar in mehrfacher Hinsicht.
Nicht nur war hier vom Start weg wohl Cross-Plattform-Gameplay gegen PS3-User nie wirklich ein Thema, selbst einen Online-Modus, um gegen Vita-spielende Freunde und Feinde anzutreten, hat sich Sonys San Diego Studio gespart. Kennt ihr ein Rudel Leute, die eine PS Vita besitzen, könnt ihr sie immerhin zu ad-hoc-Partien einladen. So wie wir das bis Anfang der 2000er noch gemacht haben, falls ihr euch noch daran erinnert. Dazu kommt noch eine verklausulierte und verboten unintuitive Menüsteuerung und schon hat man die passende Randbebauung für einen Titel, der vielleicht kein Totalschaden, aber mindestens ein kleiner Auffahrunfall geworden ist.
Auch hier tun sich nämlich Ladezeiten vor Rennen auf, bei denen ein WipEout 2048 regelmäßig den Kürzeren zieht. Ich weiß es, weil ich es gestoppt habe. Das ist besonders ärgerlich, weil man keine Ahnung hat, was da so lange dauert. Bei dem Zukunfts-Racer von Sony Liverpool, mit seinen hochkomplexen und extrem gutaussehenden Achterbahnen, seinem dichten Effektgewitter und den tollen Gleitermodellen, ist es gerade so verzeihbar, aber die visuell simplifizierten und durch unschönen Bildaufbau verunstalteten ModNation-Racers-Wettrennen spielen mindestens eine ganze Liga darunter. Zudem geht auf dem Asphalt des Knuddel-Rasers die Bildrate unerklärlich oft und tief in die Knie. Klar, man kann sich daran gewöhnen und spielbar bleibt es meist obendrein. Trotzdem leidet die unterm Strich sehr wohl fordernde Kampagne hier deutlich.
Kein wirklich ärgerliches Spiel, aber eines, das mit sechs Monaten mehr Entwicklungszeit eine natürliche und nahtlose Erweiterung des PS3-Spiels hätte sein können. So wie es ist, lässt Sony die ModNation-Racers-Community ein wenig in der Luft hängen - nach der Ankündigung von LittleBigPlanet Karting wundert das einen aber irgendwie nicht mehr so sehr.
Escape Plan
PlayStation Store: 12,99 Euro
Escape Plan ist der im Vorfeld wohl am sehnlichsten erwartete Download-Titel der PlayStation Vita. Das Spiel, das mit Unterstützung von Sony Santa Monica ("God of War") bei Fun Bits Interactive entstand, kommt im kunstvoll-monochromen Indie-Look daher und befasst sich mit der Flucht zweier Latex-Männchen, Lil und Laarg, aus einer feindseligen Industrieanlage.
Die beiden können weder besonders gut sehen noch ... denken, weshalb ihr die ölig glitzernden und herrlich animierten Versuchskaninchen komplett per Gestensteuerung aus ihrem Gefängnis befreien müsst. Das zentrale Gimmick ist hierbei, Gegenstände und Plattformen in den Vorder- beziehungsweise Hintergrund zu schieben, indem man das entsprechende Touchfeld berührt. So räumt ihr den Weg von herumliegenden Ziegelsteinen frei oder schubst Lüftungsschächte aus der Wand heraus, um eine Plattform für die beiden Blindgänger zu formen. Ab und zu beschwert einer von beiden auch eine Bodenplatte, um den Weg für das Fortkommen zu ebnen.
Insgesamt sind in Escape Plan eher Beobachtungsgabe und Geschicklichkeit gefragt, als dass der Titel groß eure grauen Zellen beanspruchen würde. Ihr dreht riesige Ventilatoren mit der Fingerkuppe, scheucht schwarze Gummischafe so durch die Gegend, dass sie den Fall von Laarg bremsen, der sich durch eine brüchige Stelle im Boden stampft, oder tippt die Rückseite so an, dass das entstehende Geräusch einen patrouillierenden Feind in den Tod lockt.
Die Schwierigkeit zieht der Titel daraus, dass oft genaues Timing gefragt ist, weil viele Elemente sich etwa nach einer Weile in den Hintergrund zurückziehen, um wieder der tödlichen Grube Platz zu machen, die dort zuvor klaffte. Bewegliche Laufbänder erfordern ebenfalls Achtsamkeit, wollt ihr an der richtigen Stelle landen. Das ist insgesamt ein vollkommen valider Spielablauf, der einen aufgrund der vorzüglichen klassischen Klänge, des netten Slapsticks und der schönen Spielphysik schon ganz ordentlich durch das Spiel zieht. Allerdings gibt es auch so einige Probleme.
Zum einen wäre mehr Wechselwirkung zwischen den beiden Ausbrechern wünschenswert gewesen, anstatt wie hier ein bisschen aneinander vorbei zu spielen. Gestört hat mich auch, dass die Aufgaben nur in ihrer Durchführung schwieriger werden, während das Finden der Lösung meist augenblicklich gelingt. Deshalb kommt man sich selten wirklich clever, oft aber einfach nur unfähig vor, bis man mehr oder weniger auswendig weiß, was wann zu tun ist. Dass die Gesten schon mal missverstanden werden, wenn sich die Spielfigur zu nahe an einem interaktiven Element befindet, ist ein weiteres, wenn auch kleineres Ärgernis, die indirekte Natur einiger Gesten ein anderes. Bei Laargs Fußboden-Stampfer verstreicht zwischen Kommando und Durchführung mehr als eine Sekunde Zeit, auch fällt das genaue Treffen mit dem Rückseiten-Touchpad schon mal etwas schwer. Wer einen aufgepumpten oder mit Kaffee gefüllten Lil durch ein Quetschen von Vorder- und Rückseite des Geräts in Blickrichtung schießen lassen will, muss zudem immer umgreifen. In der Theorie ist dieser Steuerungseinfall ein guter, in der Praxis nicht so sehr.
Trotzdem bereitet das Spiel zum schmalen Preis von 12,99 Euro durchaus Freude. Die Zwischendurch-Eignung des Titels ist exzellent, Protagonisten und Stil ein echter Gewinner und die Technik auf dem hohen Level, das man von einer Hardware dieses Kalibers erwartet hätte. Escape Plan mag kein weltbewegender oder gar -berührender Knobler sein - ein annehmbarer "Fluchtplan" in getragenere Gefilde abseits des actionbetonten Start-Line-Ups der Konsole ist es aber allemal.