Pokémon Legenden Arceus - Test: Zahlt sich Game Freaks Wagnis aus?
Pokémon Legenden Arceus überzeugt mit frischem Wind für die Pokémon-Reihe.
Für die Pokémon-Reihe, die viel auf vertraute Mechaniken und stets ähnliche Spielabläufe setzt, ist das neue Pokémon Legenden Arceus fast schon eine Art Schock. Versteht mich nicht falsch, auch hier sind immer noch viele bekannte Dinge drin verpackt, aber ganz anders, als ihr es kennt. Es verleiht der Serie den frischen Wind, den sie in den Augen mancher schon seit längerer Zeit nötig hatte.
Ein Mix aus bekannten und neuen Elementen also, was bei der Hisui-Region als Schauplatz anfängt, die die aus Diamant und Perl bekannte Sinnoh-Region in der Vergangenheit zeigt. Jubelstadt ist hier noch Jubeldorf, die Galaktik-Expedition besteht aus Forschern und ist noch nicht die kriminelle Organisation, die ihr aus der späteren Zeit kennt. Und mittendrin steckt ihr als Neuankömmling in dieser Welt, der auf mysteriöse Art an einem Strand in der Nähe von Jubeldorf landet und sich fortan nicht nur der Galaktik-Expedition, sondern ebenso sehr den Bewohnern und Bewohnerinnen dieser Welt beweisen muss.
Mehr Story in Pokémon Legenden Arceus
Pokémon Legenden legt seinen Fokus insgesamt weit mehr auf die Story, als es frühere Spiele der Reihe taten. Damit geht auch eine Änderung der Spielstruktur einher. Das Ganze erinnert nun spürbar mehr an ein traditionelles Rollenspiel, in dem ihr eure Haupt- und Nebenmissionen habt, die ihr von den Einwohnern oder am Questboard erhaltet. Klar, die Nebenmissionen sind zum Teil auch nicht anders als in vergleichbaren Rollenspielen - beschaffe dies, tue das und so weiter -, aber sie bringen Abwechslung und Beschäftigung in den Spielablauf. Es gibt mehr Dialoge zwischen den Charakteren und mehr Zwischensequenzen zu bewundern.
Was nicht heißen soll, dass Pokémon Legenden ein erzählerisches Meisterwerk wäre, wir wollen ja nicht gleich übertreiben. Im Kern geht es um eine Raum-Zeit-Verzerrung, die über der Region aufgetaucht ist und natürlich die Leute dort beunruhigt. Gleichzeitig zeigen manche der Pokémon hier ein ungewöhnlich aggressives Verhalten. Beides gilt es jetzt zu untersuchen. Es stecken auf jeden Fall interessante Ansätze in diesem Spiel und die Geschichte erweist sich für alle als gleichermaßen interessant. Besonders für die Fans, die von Anfang an mit dabei sind und so mehr über die Vergangenheit der Pokémon und der Sinnoh-Region erfahren.
Game Freak hat viel darin investiert, dass sich dieses Spiel von anderen abhebt und die Bemühungen zahlen sich aus. Nicht nur oberflächlich geht das Spiel andere Wege, indem es in die Vergangenheit blickt, auch spielerisch läuft manches anders. Die Hisui-Region ist etwa in einzelne Regionen aufgeteilt, die ihr frei erkunden könnt. Es ist kein echtes Open-World-Spiel à la Breath of the Wild, vielmehr geht es in die Richtung eines Monster Hunter. Größere Regionen, die in einzelne Bereiche aufgeteilt sind und in denen jeweils viele Pokémon hausen. Über die Hauptstory schaltet ihr nach und nach weitere Regionen frei, die Nebenmissionen geben euch abseits dessen zahlreiche weitere Beschäftigungsmöglichkeiten.
Ihr bestimmt euer Tempo in Pokémon Legenden Arceus
Es ist ein Gameplay-Flow, der Spaß macht. Manche der Aufgaben sind recht offensichtlich zu lösen, andere verlangen eine Kenntnis des Pokédex oder eben ein aufmerksames Auge, wenn ihr bestimmte Pokémon finden sollt, von denen ihr nur eine grobe Beschreibung erhaltet. In welchem Tempo ihr dabei vorgeht, liegt an euch. Konzentriert ihr euch zuerst einmal primär auf die Geschichte? Kein Problem. Versucht ihr vor dem nächsten Schritt alles an optionalen Dingen auszureizen? Nur zu!
Dabei präsentiert sich das Spiel recht flexibel und legt euch kaum Hindernisse in den Weg. Es gibt Schnellreisepunkte und ab bestimmten Punkten in der Geschichte ermöglichen euch Reittiere ein schnelleres Vorankommen. Für manche Hauptmissionen ist es erforderlich, zuerst einen spezifischen Rang der Galaktik-Expedition zu erreichen, aber das soll eher verhindern, dass ihr es mit zu starken Pokémon zu tun bekommt. Abseits dessen geht's - natürlich! - darum, euren Pokédex zu füllen. Der präsentiert sich hier nicht als elektronisches Gerät, er ist in Form eines Notizbuchs dargestellt. In der Welt von Hisui ist eben alles ein wenig altmodischer. Durch Vervollständigung eures Pokédex steigt ihr zugleich immer weiter im Galaktik-Rang auf, wobei es je nach Kreatur verschiedene Aufgaben dafür zu erfüllen gibt, ob fangen, besiegen oder bestimmte Aktionen beobachten.
Also ja, "schnapp sie dir alle" ist immer noch ein zentrales Motiv dieses Spiels. Der Unterschied ist, dass ihr dafür in Pokémon Legenden nicht zwingend kämpfen müsst. Ihr bewegt euch frei durch die Welt und könnt hier munter mit Pokébällen um euch werfen. Ihr könnt euch in hohem Gras verstecken und so anschleichen, die Verhaltensmuster von Pokémon beobachten und dann im richtigen Moment zum Wurf ansetzen. Manche von ihnen reagieren nämlich aggressiv, wenn ihr ihnen zu Nahe kommt, was wiederum einen Kampf erforderlich macht.
Es gibt aber zahlreiche Hilfsmittelchen, die sich einsetzen lassen, von verschiedenen Arten von Bällen bis hin zu Beeren zur Ablenkung oder Rauch, der euch vor den Augen der Pokémon verbirgt. Mithilfe des Crafting-Systems und den zahlreichen Rohstoffen, die in der Welt verteilt sind, könnt ihr euch auch unterwegs mit neuen Sachen selbst versorgen und eure Forschungen vorantreiben. Grind-lastig ist das nicht, ihr findet regelmäßig Materialien in der Welt und wenn ihr es darauf anlegt, wisst, wo ihr suchen müsst, und schnell mit eurem Reittier unterwegs seid, könnt ihr innerhalb kurzer Zeit schnell Nachschub beschaffen.
Die Kämpfe in Pokémon Legenden Arceus sind gleich, aber doch anders
Besonders gefällt mir hier die Darstellung der Kämpfe. In den anderen Pokémon-Spielen ist es ja so, dass im Grunde eine neue Szene geladen wird, in der der Kampf bei einer Begegnung stattfindet. In Pokémon Legenden absolviert ihr die Kämpfe gegen Pokémon und andere Trainer direkt in der Spielwelt, könnt euch währenddessen sogar um die kämpfenden Pokémon herum bewegen. Es vermeidet diese Art von Bruch, der euch aus der Spielwelt für den Kampf herausreißt und dann wieder hineinversetzt.
Im Kern bleibt das Kampfsystem dabei gleich, es gibt einen rundenbasierten Ablauf und jedes Pokémon hat wie üblich verschiedene Attacken. Neu sind zwei verschiedene Techniken, die ihr auswählen könnt und die Einfluss auf die Reihenfolge der Züge haben. Die Tempotechnik lässt euch häufiger angreifen, was aber zulasten der Stärke geht. Umgekehrt lässt sich mithilfe der zweiten Technik der Schaden priorisieren, dafür kann dann das andere Pokémon mehr Attacken nacheinander durchführen. Je nach Kampf kann es sich lohnen, darauf zurückzugreifen, denn Pokémon Legenden stellt stellenweise eine ordentliche Herausforderung dar. In manchen Regionen oder gegen manche Pokémon benötigt ihr gut trainierte Kreaturen in eurem eigenen Team, um zu bestehen.
Die Kämpfe in den Arenen, wie ihr sie aus den anderen Spielen kennt, werden hier durch Bosskämpfe gegen einzelne Pokémon ersetzt. Dabei handelt es sich um sogenannte Könige und Königinnen, die im Grunde das Boss-Pokémon einer jeweiligen Region sind. Diese sind in Rage geraten und ihr müsst sie besänftigen, indem ihr sie mit speziellen Beuteln bewerft. Dabei könnt ihr auch eure Pokémon gegen sie kämpfen lassen, um sie kurzzeitig zu verwirren, primär geht es hier aber darum, ihren Attacken auszuweichen und sie zu bewerfen, bis sie wieder besänftigt sind. Klingt einfacher als es ist, denn wenige Fehler können euch schon von den Beinen hauen - oder euer Pokémon. Wer einmal zu Boden geht, kann entweder den kompletten Kampf neu versuchen oder mit zuvor erzieltem Fortschritt somit bei reduzierter Rage-Leiste weitermachen. So entsteht wenig Frust.
Zufällig tauchen außerdem wieder Raum-Zeit-Verzerrungen in der Landschaft auf. Ihr erhaltet dabei ein paar Minuten im Vorfeld eine Warnung und wenn sich diese Verzerrung gebildet hat - eine Art Kuppel in der Landschaft -, könnt ihr sie einfach betreten. Darin findet ihr dann etwa seltene Pokémon und Materialien. Manche der Pokémon haben auch recht gute Level, weswegen sich ein Abstecher lohnt, aber zugleich sehr gefährlich sein kann. Woanders zeigen sich wiederum von Zeit zu Zeit Pokémon-Schwärme, die lokal begrenzte viele Exemplare eines einzelnen Pokémon auftauchen lassen - was auch die Chance auf eine schillernde Variante erhöht.
Ein kleiner Kritikpunkt ist einmal mehr die Technik des Spiels. Grundsätzlich sind die Regionen an sich schön aufgebaut und gestaltet, auch der Stil gefällt mir eigentlich. Allein an der technischen Umsetzung mangelt's einmal mehr. Das betrifft zum Teil niedrig aufgelöste Texturen, manch merkwürdige Animationen und hier und da Pop-ins in kürzerer Distanz. Ich weiß nicht, ob es an der verwendeten Engine liegt, aber ein Breath of the Wild aus dem Jahr 2017 hat seine Welt im Großen und Ganzen doch besser und zuweilen detailverliebter in Szene gesetzt als Pokémon Legenden im Jahr 2022. Grasflächen gibt's etwa hauptsächlich zu sehen, wenn sie strategisch von Nutzen sind, ansonsten hinterlässt die Welt zuweilen einen eher kargen Eindruck. Letztlich wirkt's in seiner Gesamtheit schon stimmig, aber qualitativ wäre auf der Switch mit Sicherheit mehr machbar. Wenigstens läuft's dafür stabil bei 30fps. Große Probleme oder Abweichungen davon zeigten sich auch während größerer Kämpfe nicht.
Gemeinsam auf die Jagd nach Pokémon gehen könnt ihr leider nicht, auch Online-Kämpfe gegen andere Trainer und Trainerinnen sind hier nicht möglich. Als Online-Funktion gibt es lediglich eine Tauschmöglichkeit. In puncto Spielzeit könnt ihr mit 20 bis 25 Stunden rechnen, was sich allein auf die Hauptstory bezieht. Aufgrund der vielen Nebenmissionen, der Vervollständigung des Pokédex und so weiter ist diese Angabe aber noch oben hin offen, hängt von eurem Tempo, eurer Spielweise und dergleichen ab.
Pokémon Legenden Arceus Test - Fazit
Ich hatte - und habe noch immer - meinen Spaß mit Pokémon Legenden Arceus. Mir gefällt die Auffrischung der altbekannten Formel sehr und durch die veränderte Struktur fühlt es sich frisch genug an und motivierend an. Sich an Pokémon im hohen Gras oder mithilfe anderer Mittel heranzuschleichen und dann im richtigen Moment den Pokéball zu werfen, fühlt sich für mich viel besser an, als erst einmal gegen jedes von ihnen einen Kampf zu starten. Den Zufallsbegegnungen, bei denen ihr vorher nicht wisst, womit ihr es zu tun bekommt, ist dieses System definitiv überlegen. Die Kämpfe reißen mich zudem nicht mehr aus der Spielwelt heraus und die vielen Missionen lassen mich immer wieder in die einzelnen Regionen zurückkehren, um auch den letzten Winkel zu erkunden und fehlende Aufgaben zu erledigen.
Also ja, die Frischzellenkur tut gut und ich hoffe, sie ist der Auftakt zu einer ganzen Serie. Um ehrlich zu sein, weiß ich nicht, ob ich nach Pokémon Legenden in zukünftigen Spielen wieder zum alten Pokémon-Muster aus Schwert und Schild oder den Sinnoh-Remakes zurückkehren möchte. Pokémon Legenden fühlt sich wie die nächste Entwicklungsstufe von Pokémon an. Eine, die Game Freak weiter hegen und pflegen sollte.