Pokémon Mystery Dungeon: Retterteam DX (Switch) - Test: Viel riskieren, viel gewinnen. Oder alles verlieren
No risk, no fun.
Diebstahl lohnt sich nicht. Eine Lektion, die mir eigentlich keiner beibringen muss. Und doch war ich neugierig, was passiert, wenn ich aus dem Laden von Kecleon, das ab und an in Dungeons von Pokémon Mystery Dungeon: Retterteam DX auftaucht, was mitgehen lasse. Ich hätte es besser nicht probiert. Mein Versuch endete damit, dass Kecleon mein gesamtes Team mitsamt neu rekrutierter Pokémon im Dungeon innerhalb weniger Schläge kurz und klein prügelte. Das Ende vom Lied: alle neuen Pokémon weg, ebenso alle Items und sämtliches Geld, das ich bei mir trug. Autsch.
Okay, Diebstahl lohnt sich in Pokémon Mystery Dungeon ebenso wenig. Es sei denn, ihr seid stark genug, im späteren Verlauf des Spiels. Dann vielleicht. Bis dahin behandelt Kecleon lieber freundlich und bezahlt eure Ware. Befasst euch indes mit den Pokémon, die euch in den Dungeons dieses Pokémon-Ablegers das Leben schwer machen. Ein Spiel, das nicht komplett neu ist. Es ist ein Remake der Klassiker Pokémon Mystery Dungeon: Team Rot (Game Boy Advance) und Pokémon Mystery Dungeon: Team Blau (Nintendo DS).
Für die Neuauflage auf der Switch hat Nintendo das Spiel deutlich aufgehübscht und setzt auf einen schicken 2D-Zeichenstil, der Retterteam DX gut zu Gesicht steht - egal ob im Handheld-Modus oder auf dem großen Fernseher. Das hier sieht gleichermaßen schön wie niedlich aus. Aber was ist das hier denn genau? Auf keinen Fall ein klassisches Pokémon-Spiel, wie ihr es von der Hauptreihe kennt, wenngleich es einzelne Aspekte mit dieser teilt.
Der größte Unterschied - oder einer der größten - ist, dass ihr hier keinen Menschen als Trainer spielt und nicht mit Pokébällen um euch werft. Vielmehr ist ein Pokémon der Hauptprotagonist, Menschen kommen lediglich indirekt vor. Und eure Aufgabe ist nicht weniger als die Rettung der Welt. Puh, bloß keinen Druck ausüben! Gemeinsam mit eurem Partner gründet ihr ein Retterteam, das andere Pokémon in Not rettet.
Und dabei verschlägt es euch in zufallsgenerierte Dungeons, die sich über unterschiedlich viele Etagen erstrecken. Hier bekämpft ihr zum einen Pokémon, die sich euch in den Weg stellen, zum anderen sammelt ihr Items ein. Das alles ist immer mit einem Risiko verbunden. Geht ihr im Gefecht zu Boden und es besteht keine Hoffnung auf Rettung, verliert ihr alles, was ihr derzeit bei euch tragt. Alle Items, das gesamte Geld und die zuvor im Dungeon rekrutierten Pokémon. Und das tut je nach Situation richtig weh, wenn ihr zum Beispiel viele nützliche Items bei euch tragt.
Ihr wägt ständig ab, ob es das Risiko wert ist, weiter in den Dungeon vorzustoßen, noch einen Raum zu erkunden und so weiter. Ist es unter Umständen, in anderen Situationen ärgert ihr euch, weil ihr Fehler macht - wie mein eingangs erwähnter Versuch, ein Item aus dem Laden zu klauen. Ihr lernt aber daraus und macht es beim nächsten Anlauf besser. Das verleiht dem Spiel einen spannenden, unvorhersehbaren Aspekt. Euren Entscheidungen folgen direkte Konsequenzen, die gut oder schlecht ausfallen.
Gut, dass ihr vorsorgen könnt. Zuhause in der Heimat gibt es eine Bank und ein Lager, wo ihr Items und Geld in Sicherheit unterbringt, damit ihr für den Notfall immer einen Vorrat habt. Stück für Stück erweitert ihr so euer Retterteam, indem ihr in den Dungeons durch die Kämpfe neue Pokémon für eure Sache gewinnt, Camps für sie kauft und so weiter. Die Kämpfe laufen dabei in einem rundenbasierten System ab, das sich von den Hauptspielen unterscheidet.
Trefft ihr dort auf ein Pokémon, kommt es zu einer Begegnung in einem separaten Kampfbildschirm, hier findet alles direkt auf der Übersichtskarte statt. Vollführt ihr einen Zug, tun das die Gegner ebenso, Attacken folgen auf Attacken und so weiter. Die richtige Taktik ist hier ebenso wichtig wie eine Vertrautheit mit der Materie - welche Typen sind gegen andere effektiv, welche Items sind effektiv und nützlich, etc. -, was Neueinsteiger nicht abschrecken sollte. Im Gegenteil: Zu Anfang ist Pokémon Mystery Dungeon ein ausgesprochen einsteigerfreundliches Spiel. Es führt euch gemächlich heran und mit der Zeit und weiteren Bossgegnern zieht das dann schrittweise an, ohne euch zu überfordern.
Die Hauptstory beschäftigt euch je nach Tempo für gut 20 bis 25 Stunden, im Anschluss daran lassen sich noch zahlreiche weitere Dungeons freischalten, Pokémon rekrutieren (mit dabei sind die ersten drei Generationen), zufallsgenerierte Missionen erledigen ... anders gesagt: Langeweile kommt so schnell nicht auf. Im Gegensatz zu den Originalen sind in Retterteam DX auch schillernde Pokémon als zusätzlicher Anreiz mit dabei. Ein Grund, noch mehr Zeit ins Spiel zu investieren, wenn ihr darauf aus seid.
Ansonsten sind seit den letzten Versionen noch einige Komfortfunktionen hinzugekommen. Fällt euch die Wahl der richtigen Attacke schwer - Pokémon haben wie gewohnt bis zu vier Angriffe -, drückt einfach den A-Knopf und das Spiel wählt automatisch die passende aus. Ebenso gibt es eine automatische Fortbewegung, die sich auf Knopfdruck aktivieren lässt und euch durch die Ebenen der Dungeons führt. Trefft ihr auf einen Feind, erlangt ihr sofort die Kontrolle zurück. Und schlägt euch ein Gegner K.O., habt ihr die Möglichkeit, euch von anderen Spielern retten zu lassen oder euch mit einem eigenen Retterteam aus der Patsche zu helfen, damit nichts verloren geht.
Was mich bis dato eher ärgerte, war, dass ich mehreren schillernden Pokémon begegnete, diese aber nicht rekrutieren konnte, weil mein Anführer nicht das Pokémon war, das den letzten Schlag ausführte. Nur wenn der aktuelle Anführer des Teams einen Gegner K.O. haut, besteht die Chance, dass ein Pokémon sich euch anschließt. Bei den selteneren schillernden Exemplaren hätte ich es besser gefunden, wenn diese garantiert zu euch kommen, auch wenn ein anderes Teammitglied den finalen Angriff durchführt. So ärgert ihr euch umso mehr über ein seltenes Exemplar, das euch unter Umständen entgeht. Ebenso geht einem die sich in den Dungeons schnell wiederholende Musik schnell auf den Keks, ein wenig mehr Abwechslung hätte hier nicht geschadet.
Das sind zugleich die einzigen größeren Kritikpunkte, die ich habe. Davon abgesehen, ist bei Pokémon Mystery Dungeon: Retterteam DX ein schönes Spiel beziehungsweise Remake herausgekommen. Eines, das optisch was hermacht und spielerisch im Vergleich zu den Hauptspielen eine interessante Abwechslung darstellt. Es macht Spaß, sich durch die Dungeons zu kämpfen, zugleich sind eure Abstecher in die einzelnen Gebiete immer mit Risiken verbunden, was für Spannung sorgt. Die richtige Team-Zusammenstellung zu finden - hier sind maximal drei Pokémon pro Team -, reizt ebenso wie in den Hauptspielen und am Ende geht es einmal mehr um eines: sie alle zu fangen. Es ist eben ein Pokémon-Spiel, nur ein wenig anders.
Entwickler/Publisher: Spike Chunsoft/Nintendo - Erscheint für: Switch - Preis: zirka 60 Euro - Erscheint am: 6. März 2020 - Getestete Version: Switch - Sprache: Deutsch, Englisch und andere - Mikrotransaktionen: nein