Pokemon Videospiel-Meisterschaften 2010 - Qualifikation
Gotta beat em all
Es ist halb zehn in Deutschland und ich habe leider kein Knoppers zur Hand. Ansonsten hätte ich mich bei dem Anblick, der sich mir in diesem Augenblick bot, sicherlich verschluckt. Vor dem Hotel Pullmann in Köln standen an einem ansonsten ruhigen Samstag zwei riesige Schlangen bis zum hinteren Teil des Gebäudes. Einige der Personen bereits seit sechs Uhr.
Der große Aufruhr, zu dem manche sogar aus Österreich oder Belgien angereist sind, wurde von den diesjährigen Pokemon Videospiel-Meisterschaften ausgelöst, deren deutsche Qualifikationsrunde am 5. Juni 2010 hier in Köln stattfand. Warum genau zwei Schlangen? Ganz einfach. Die Meisterschaft wurde in zwei Altersklassen unterteilt. Jeder, der vor 1998 das Licht der Welt erblickte, gehörte schon zur Seniorengruppe, die mit etwas über 500 Personen den Großteil der Spieler ausmachte. Bei den Junioren waren es knapp 200, deren Anzahl durch den Elternanteil noch einmal gehörig aufgestockt wurde.
Durch die hohe Personenzahl ergab sich der Anmeldung leider ein kleines Problem, mit dem nicht alle potenziellen Spieler gerechnet hatten. Für die Junioren lag die Teilnehmerzahl bei exakt 192 Personen, was für einige enttäuschte Kindergesichter und vor allem wütende Eltern sorgte. Bei den Senioren durften sich zwar 256 Pokemeister anmelden, trotzdem blieb der Hälfte aller angereisten Personen der Zutritt zum Turnier verwehrt.
Von diesen Schwierigkeiten ließen sich die restlichen Spieler aber nicht sonderlich stören und konzentrierten sich voll und ganz auf ihre Kämpfe. Die Schlange zur Anmeldung ging nahtlos in den Turnierbereich über, der in verschiedene Zonen unterteilt wurde. Für jeden Sieg erhielt der Gewinner den Einlass in die nächste Zone, bis er nach drei erfolgreichen Kämpfen schließlich den Finalistenbreich erreichte.
Die Regeln wurden bis zum Beginn noch einmal zur Verdeutlichung auf mehreren Bildschirmen angezeigt. Insgesamt durfte sich jeder Spieler sechs verschiedene Pokemons aussuchen, von denen er jeweils vier in den Kampf schickte. Zudem waren in jedem Team zwei legendäre Pokemons erlaubt. Alle Taschenmonster wurden vor den Austragungen auf Stufe 50 zurückgesetzt und jedes Modul auf unzulässige Eingriffe überprüft.
Die meisten von euch haben sicherlich schon einmal einen der zahlreichen Ableger gespielt und denken daher, dass der Ausgang der Kämpfe mehr vom Glück als von purem Können bestimmt wird, immerhin besitzt jedes Monster nur vier Attacken. Was kann da schon sonderlich kompliziert sein? In diesem Fall hört ihr Begriffe wie IV oder EV sicherlich zum ersten Mal. Dabei handelt es sich um versteckte Werte, die professionelle Trainer beim Aufbau ihres Teams zur Stärkung der Attribute verwenden. Darüber hinaus gibt es noch ein paar andere Faktoren, die in den Kampf mit einfließen. Das würde jedoch den Rahmen dieses Artikels sprengen. Sagen wir es einfach so: Die anwesenden Spieler hätten mit euch den Boden aufgewischt.
Lediglich bei den Junioren ging es noch recht harmlos zu. Großartige Taktiken konnte man bei den Auseinandersetzungen nicht erkennen und so war es kein Wunder, dass sich die wenigen vorbereiteten Kiddies schnell durchsetzten. Darunter auch der selbstbewusste Sebastien Haillez, der mit seinem Team extra von Belgien aus bis an den Rhein reiste, um sich für das Finale in Hawaii zu qualifizieren.
Und obwohl er sein Ziel auch erreichte, verlor er im Endspiel dennoch gegen die unscheinbare Julia Wurdack, die den Kampf in wenigen Zügen gewann und anschließend schüchtern in die Menge vor der Bühne blickte, die über das Können der Zehnjährigen sichtlich staunte. Beide fliegen im August nach Hawaii, um sich dort gegen den Rest der Welt zu behaupten.
In der Seniorengruppe sahen die Kämpfe bereits in der Vorrunde wesentlich spannender aus und zahlreiche Fans versammelten sich vor den spärlich verteilten Bildschirmen. Häufig hallten euphorische Jubelschreie nach einer effektiven Attacke durch den Raum, gefolgt von Flüchen des Kontrahenten. Mit jeder Runde steigerte sich die Dauer der Kämpfe, sodass die Zuschauer bis zu 20 Minuten auf einen Sieg warteten.
Das eigentliche Finale gestaltete sich dagegen wesentlich entspannter, da es nur noch um einen formalen ersten Platz ging. Den Flug nach Hawaii hatten Julian Appelfeller und Robert Wein, der das Match schließlich zu seinen Gunsten entschied, zu diesem Zeitpunkt bereits in der Tasche.
„Es war eher ein Schaukampf, da wir nichts mehr zu verlieren hatten“, verriet Julian Appelfeller, der bis zum Schluss nie daran glaubte, so weit zu kommen. „Immerhin habe ich bloß fünf Tage richtig trainiert. Aber für das Finale werde ich mehr investieren. Vielleicht sechs.“ Wir wünschen ihm und den anderen drei Gewinnern auf jeden Fall viel Glück in Hawaii, wo sie unter anderem gegen die Japaner antreten werden, „vor denen man am meisten Angst haben muss!“