Pony Island - Test
Das einzige Spiel, das ich jemals direkt deinstalliert habe.
Irgendwas ziemlich Seltsames ist gerade passiert. Wenn da nicht drei Steam-Sammelkarten wären, könnte ich denken, dass es vielleicht gar nicht passiert ist. Aber da sind die Karten und das einzig Richtige ist wohl, sie in Edelsteine umzuwandeln. Falls mir jemand sagen könnte, was ich jetzt mit diesen Edelsteinen machen kann, wäre ich ihm übrigens dankbar. Aber sonst… Doch, da ist Pony Island in der Spieleliste. Deinstalliert.
Ich habe eigentlich noch nie ein Spiel gleich deinstalliert und schon gar nicht aus Gründen, die ich euch nicht nennen kann. Es waren wirklich seltsame drei Stunden, was Pony Island zu einer sehr kurzen Erfahrung macht. Es war aber auch eine, die anders war als selbst viele Indies. Es war auf einem Level clever, den ich ganz sicher nicht erwartet hatte, als ich die gerade mal 5 Euro herausrückte. Ein Level, auf dem kein Mainstream-Spiel arbeitet. Die Lösung ist komplett linear und auch alles andere als schwierig, aber es verbaut sie in eine Art, euch an die Hand zu nehmen, die ich noch nie gesehen habe. Es lässt euch glauben, dass ihr ständig irgendwelche total intelligenten, ungewöhnlichen Wege findet, obwohl dies natürlich die einzig gangbaren sind. Was sie damit auf dem hart spielerischen Level betrachtet zu einem eigentlich recht primitiven Point-and-Click degradiert. Wenn man sich denn in der Sekunde nicht so schlau gefühlt hätte.
Noch dazu schaffte es das Spiel, dass ich wirklich wissen wollte, was zur Hölle eigentlich los ist und ob das irgendwo hinführt. Das erste ist keine kleine Leistung in meinem Falle und das zweite endet in Zufriedenheit. Um nichts zu spoilern, schließlich ist das Spiel kurz genug, sei so viel gesagt, dass ihr oder eure Figur - das bleibt etwas vage - in einem alten Arcade-Automaten gefangen seid und das ziemlich dämliche Game Pony Island bis an das Ende der Tage spielen müsst. Da Pony Island kaum mehr als ein 2-Mausknopf-Flash-Game ist, wäre das ziemlich hart. Ihr brecht jedoch aus der Oberfläche aus und beginnt den Automaten auf verschiedenen Meta-Ebenen immer mehr von innen zu zerpflücken, indem ihr euch durch diverse Höllen vorarbeitet.
Dabei gibt es im Grunde drei konkrete Spielelemente. Das erste ist die Erzählebene, eine Art Klick-Adventure, in der ihr seltsame Sachen erleben werdet und euch die Geschichte erzählt wird. Weit konkreter ist da Pony Island, das ihr aus sogar nachvollziehbaren Gründen - mehr oder weniger - immer wieder mal spielen müsst. Als ich sagte, das wäre ein Flash-Game, habe ich nicht gelogen. Das Pony rennt auf zweidimensionaler Ebene von links nach rechts, kommt ein Hindernis springt ihr mit Links, mit Rechts wird geballert und schließlich könnt ihr durch Halten von Links den Sprung mit Pony-Flügeln verlängern. Es ist eine der linearsten Steigerungen des Schwierigkeitsgrades, die je zu bewundern war und die Elemente werden immer weiter kombiniert, um die letzten Stages zu einem Höllentrip werden zu lassen, aber als Action-Game taugt Pony Island jetzt wirklich nicht so viel.
Schließlich gibt es noch das Puzzle-Spiel, bei dem ihr Teile des Automaten hackt, um zum Beispiel das Schießen des Ponys freizuschalten. Es ist ein solides Logik-Spiel, das es so aber ebenfalls locker gratis im Android-Store geben sollte. Was dort in der einen oder anderen oder sehr ähnlichen Form sicher auch der Fall ist. Kann man spielen, wiederum die letzten Abschnitte haben es in sich, die ersten, in denen man ohne Hinweise versucht herauszufinden, was eigentlich von einem erwartet wird, sind die besten.
Überhaupt ist es dieses Herausfinden von Dingen. Ich hatte zum Ende hin nur die Hälfte der optionalen und versteckten Pony-Tickets gefunden und keine Ahnung, was ich nicht versucht habe. Das ärgert mich richtig, weil das heißt, dass es da Dinge gibt, die noch cleverer versteckt sind und will sie finden. Schließlich könnte das bedeuten, dass es da noch mehr des wundervoll verschrobenen Humors zu finden gibt und dass ich mich ein paar Mal mehr sehr schlau fühlen darf. Es ist auch sicher nicht das erste Spiel, das intensiv mit der vierten Wand arbeitet. Pony Island tut dies aber auf eine so unaufdringliche, passende und zeitgemäße Weise, dass ich es einfach nur bewundern kann. Kaum ein Spiel hat mich in letzter Zeit so oft so breit Grinsen lassen, nachdem die Sekunde der Verwirrung abklang. Sollte euch jemand sagen, dass ihr den Blick nicht abwenden dürft, dann haltet ihr euch übrigens auch besser daran. Egal wie schwer es euch das Spiel macht.
Technik? Seht ihr doch. Ist vorhanden. Wobei ich sagen muss, dass es in diesem Falle schlicht auch zur Thematik passt und ein paar sehr interessante Stil-Brüche im Laufe der drei Stunden passieren, die auch das alles über den Status der erzwungenen Schlichtheit - das Spiel ist entwicklerseitig eine One-Man-Show - erheben. Man muss es nur intelligent genug angehen, dann darf man auch solches 7,5-Bit abliefern.
Pony Island mag im Grund nur aus zwei Flash-Games und einem linearen Mini-Adventure bestehen, aber das Gesamtergebnis ist in diesem Falle unendlich mehr als die Summe der Teile. Es ist ein dreistündiger Trip in eine eigene Hölle. Der Weg zur Erlösung sorgt dafür, dass ihr abwechselnd lacht, eure vermeintliche Schlauheit beklatscht, dann darüber lacht und gelegentlich auch den Monitor anbrüllt, denn so leicht sind dann einige der Flash-Game-Passagen auch nicht. Pony Island ist keine Blaupause, wie Spiele sein sollten - jedenfalls nicht viel mehr als dieses eine -, sondern eine Inspiration, wie man mit dem Spieler interagieren kann. Nicht einmal das würde wohl zu jedem Spiel passen, aber leitet man die psychologische Wirkungsweise ab, mit der Pony Island vorgeht, dann… Landet man bei einem der vielen kruden C64-Spiele von damals, bei dem das Handbuch vom Hund gefressen wurde und man keinen Blassen hat, was man eigentlich tun soll. Aber hat man es dann nach und nach herausgefunden, fühlte man sich weit besser als es das eigentliche Lösen der Stages jemals geschafft hätte.
Selbst die Indies haben heute diese ganz seltsame Magie verloren und vielleicht muss sie auf einem so behutsamen Weg wie Pony Island wiedergefunden werden. Es spielt zart damit und es zeigt einen interessanten Design-Weg, dessen Essenz sich eigentlich jeder Entwickler zumindest einmal angucken sollte, unabhängig davon, was er am Ende damit anstellt. Da Pony Island auch noch Spaß macht: Mehr für 5 Euro zu erwarten, wäre selbst in unseren goldenen Humble-Bundle-Zeiten etwas vermessen.