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Portal 2

Die Ausnahme einiger universeller Regeln

Gefragt sind hier so gut wie nie eure Geschicklichkeit oder das Anpeilen eines viel zu kleinen Objektes. Springen auf Tastendruck geht, aber höchstens mal, um einen bodennahen Laser zu überqueren. Versucht ihr jedoch irgendetwas zu erreichen, was unglaublich hart erscheint, weil ihr glaubt, mit Geschick vielleicht den letzten Millimeter überbrücken zu können, dann macht ihr etwas falsch. Ist das Problem richtig durchdacht, fällt die Umsetzung der Lösung leicht. Die Kunst dieses Spiels besteht darin, wie verschachtelt diese Aufbauten umgesetzt wurden und wie sehr ihr euch manchmal im Kopf verdrehen müsst, um darauf zu kommen. Nie zu sehr, nie unlogisch. Wer analytisch an den Raum herangeht, wird ihn mit der Zeit verstehen und lösen können. Es gibt kein faireres Spiel.

Zu den Elementen gehören natürlich banale Dinge wie Mauern und Höhenunterschiede, die nicht immer leicht zu überbrücken sind, weil eben nicht auf jeder Oberfläche ein Portal geöffnet werden kann. Wachroboter wollen umgeworfen, gewaltige Sprünge über Katapulte zu den richtigen Zielen gewagt und Lasersperren geschickt umgangen werden. Jeder Raum hat seinen ganz eigenen Charakter und kein Problem wird euch zweimal in der exakt selben Anordnung begegnen.

Und gut ein halbes Dutzend Mal saß ich nach dem Abschluss eines Abschnitts mit offenem Mund da, bewunderte die Schönheit dieser Konstruktion und fragte mich, was man als Designer getan haben muss, damit einem die Götter des Leveldesigns so gewogen waren. Ein Teil schien bewältigt, nur um dann festzustellen, dass der nächste auch noch auf diesen aufbaut und danach noch ein weiterer Teil des Weges die erst klein wirkende Problemstellung zu einem grandiosen Werk einer sagenhaft kreativen Schöpfung werden lässt. Ich neige mein Haupt tief vor allen, die in der Lage sind, so etwas zu schaffen.

Und vor allen, die in der Lage sind, solche Zeilen zu schreiben. Die eigene Figur bleibt zwar Valve-typisch stumm, dafür reden jedoch genug andere... Wesenheiten? Entitäten? Persönlichkeiten? Ja, Persönlichkeiten passt gut... mit euch. Und wie. Solche Texte und Dialoge habe ich noch nicht gehört. Dermaßen trocken wurde Humor, dem es trotzdem zu keiner Sekunde an überbordender Persönlichkeit mangelt, noch nie präsentiert. War Portal in Bezug auf diese Qualität schon ein Juwel, dann ist Portal 2 der dazu passende Rest der Krone mit einem Dutzend solcher wertvoller Steine als Zierde. Dass ich laut bei einem Spiel lache, ist selten genug, aber dass ich Cola durch die Nase auspruste, mich hustend, fluchend und lachend auf der Couch kugele, das hat bisher noch keines geschafft. Danke für dieses außerordentliche Erlebnis, Valve. Es war ein kleiner Preis für die unglaublich lustige Zeile, die es verursachte. Würde ich jederzeit wieder zahlen. Ich grinse jetzt noch, wenn ich an diese Passagen denke.

Eine ganz eigene Qualität hat dabei der visuelle Stil. Betrachtet man erst einmal die reine Technik, lässt sich diesmal – besonders nach den wechselhaften Qualitäten der Orange Box auf der PS3 – nichts Schlechtes sagen. Ganz im Gegenteil. Nirgendwo ruckelt es, die Texturen lösen schön hoch auf, da gibt es nichts zu mäkeln. Manche Spiele feuern hier noch ein wenig mehr, ganz an die Grenzen der Konsole geht Portal 2 sicher nicht, aber das ist auch nicht nötig. Der eigentliche Star ist nämlich das Design all seiner Einzelaspekte und deren Verbindung zu einem schlüssigen Ganzen.

Ich kann hier leider nicht so sehr ins Detail gehen, da ich unweigerlich zu viel von der Geschichte verraten würde, aber einige Sprünge waren bei den Entwürfen nötig, um alle Aspekte der Story umzusetzen und wiederum waren Meister am Werk. Der Handlung kann man anhand der Konzepte folgen und jedes Konzept spricht eigene Bände. Mal in kolossaler Größe, mal in den writings on the wall. Unheimlich, atemberaubend, faszinierend, jedes Mal ein Vergnügen. Spiele, die mit so starken, ausdrucksvollen visuellen Mitteln auf meist trotzdem dezente und zurückhaltende Weise arbeiten, dabei jedoch dem Spieler gerade in dieser Ruhe die Sprache verschlagen, sind selten. Außer Valve beherrscht dies kaum jemand und diesmal haben sie sich selbst übertroffen.

Das mehrfache Durchspielen ist dabei jedoch trotzdem, trotz all dieser Qualitäten, so eine Sache. Die Einzelspieler-Kampagne in ihrer Gänze hängt beim ersten Durchgang stark von der Qualität eures analytischen Verstandes ab. Sechs Stunden sind wahrscheinlich möglich, ich selbst dürfte bei acht gelandet sein, mehr als zehn bis elf sollte kaum jemand brauchen. In dieser Zeit fiel die beschriebene Qualität kein einziges Mal ab, da das Spiel es versteht, sowohl seine Rätsel als auch den Inhalt frisch zu halten. In der Handlung geht es stets ein wenig weiter und die verschiedenen Sets geben immer wieder neue Reize. Nein, langweilig wird es in Portal 2 zu keiner Sekunde.

Aber seid ihr einmal durch, finden sich nicht so viele alternative Wege, sodass ihr euch am besten noch den Directors Commentary im zweiten Durchgang zu Gemüte führt. Ihr spielt das Spiel noch einmal, aber an vielen Orten schweben Sprechblasen. Klickt ihr sie an, wird einer der für diesen Ort spezifisch Verantwortlichen von Valve ein paar seiner Gedanken dazu mit euch teilen. Teilweise sehr spannend, teilweise lustig und manchmal auch ein wenig belanglos. Aber insgesamt ein nettes Feature, das einen manchen Aspekt und Abschnitt in einem persönlicheren Licht sehen lässt.

Martin Woger Avatar
Martin Woger: Chefredakteur seit 2011, Gamer seit 1984, Mensch seit 1975, mag PC-Engines und alles sonst, was nicht FIFA oder RTS heißt.

Informationen zu unserer Test-Philosophie findest du unter "So testen wir".

In diesem artikel

Portal 2

PS3, Xbox 360, PC, Nintendo Switch

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