Runaway 2: The Dream of the Turtle
Zwei durch Dick und Dünn
Mit den Releaseterminen gibt es bei Pendulo scheinbar immer Probleme. Schon der erste Teil erschien hier in Deutschland über ein Jahr später als geplant. Zugegeben, angesichts der Pleite des Publishers und den darauf folgenden Rechtsstreitigkeiten war das wohl kaum im Einflussbereich der spanischen Entwickler. Beim zweiten Teil hat man mit ANACONDA aber einen der mittlerweile wichtigsten Adventure-Publisher im Rücken. Und trotzdem beträgt die Verspätung gegenüber den ersten Ankündigungen bereits zwei Jahre. Wir konnten einen ersten Blick auf die Vorabversion werfen und überzeugten uns davon, dass sich die Wartezeit auch lohnt.
Mach's nochmal, Pendulo
Diesen November schickt uns das Studio aus Madrid erneut mit Brian Basco auf Reisen. Freundin Gina überzeugt den skeptischen und nun deutlich muskulöseren und frecheren Sunnyboy zu einem Trip auf eine tropische Insel. Es kommt, wie es kommen muss: Der altersschwache Pilot und sein altersschwaches Flugzeug geben den Geist auf. Brian schnallt Gina den einzigen Fallschirm um, wirft sie zur Tür hinaus und erlebt eine Bruchlandung mitten im dichten Dschungel. Während er sich aus dem Schlamassel heraus rätselt und mit besoffenen Lemuren zu kämpfen hat, verschwindet seine hübsche Herzensdame spurlos.
Auf der Suche nach ihr reist Brian rund um den Globus, und stolpert über nichts Geringeres, als das Geheimnis der Entstehung unseres Planeten. Klar, dass sich dabei ein paar Widersacher einfinden. Und auch etliche schräge Gesellen, die seine in sechs Kapitel gegliederte Odyssee aufpeppen. Kurz nachdem er den überwucherten Urwald verlässt, stößt er beispielsweise auf einen verrückten General der US-Armee, mit dem er sich heiße Wortgefechte liefert. Leider haben die Entwickler zudem den einen oder anderen wirklich nervenden Zeitgenossen entworfen. Bei dem Gespräch mit einer plappernden Bardame wollte ich die Dialoge im Sekundentakt weg klicken – so anbiedernd, dumm, einfach tussenhaft kamen die Sätze rüber. Im Gegensatz gibt es dann Charaktere, die man sofort lieb gewinnt. Etwa den angesprochenen Alki-Affen oder einen abgedrehten Eisbärenforscher, der versucht, als verkleideter Eisbär in eine Bärensippe aufgenommen zu werden.
Alter Charme ganz neu
Während man sich durch den eisigen Winter von Alaska, die tropische Hitze von Hawaii, über eine Yacht oder durch eine Unterwasserpassage knobelt, wird man zwangsläufig auch die Grafik bemerken (was für eine Erkenntnis!). Hier leistet Pendulo großartige Arbeit. Detaillierte 2D-Hintergründe im bekannten Stil bieten die Kulisse für hervorragend animierte Charaktere, du nun in vollem 3D daher kommen. Viele sinnvoll eingesetzte Grafikeffekte und ständige Perspektivenwechsel lassen die Welt lebendig und greifbar erscheinen. Runaway bietet schlichtweg die beste optische Aufmachung, die man in einem Comic-Adventure derzeit zu Gesicht bekommt.
Ein gut ausgewählter Soundtrack sorgt außerdem für die notwendigen akustischen Reize. Die Front-Sängerin der Band Liquor, die für den beliebten Titelsong des ersten Teils verantwortlich war, steuert wieder einen Track bei. Von der deutschen Synchronisation konnten wir uns hingegen leider noch nicht überzeugen. In der vorliegenden Previewversion fehlte noch jegliche Sprachausgabe für die manchmal lustigen, manchmal übertrieben wirkenden Dialoge. Angesichts der vielen fantastischen Referenzen, die dtp in den letzten Jahren in diesem Bereich abgeliefert hat, gewähre ich dem Spiel aber bedenkenlos einen gewissen Vertrauensvorschuss.
Änderungen im Rätseldesign
Der größte Kritikpunkt am Vorgänger waren die zu linear gestrickten Knobeleien. Der Lösungsweg der Entwickler musste stets stur verfolgt werden. Runaway 2 macht hier eine ganz grundlegende Sache anders: Man darf Gegenstände an sich nehmen, auch wenn man noch nicht weiß, wofür man sie später verwenden muss. Das erspart einige Laufarbeit und mehrmaliges Bildschirm-Absuchen.
Grundsätzlich sind die Aufgaben logisch gehalten. Löst sich zum Beispiel ein Hebel an einer Stelle immer wieder, fixiert man ihn einfach mit einer Haarspange. Oft verlangen die Rätsel aber auch etwas kreativere Gedankengänge. Beispielsweise wenn es darum geht, einen hungrigen Eisbären von einem Angelloch zu vertreiben. In seltenen Fällen fehlen allerdings deutliche Hinweise darauf, was das Spiel von einem will. Gleich zu Beginn steht man etwa mitten im Dschungel und fühlt sich völlig planlos und verloren. Beim Herumprobieren steckt man dann schon mal eine Lupe in den Boden einer Lichtung, ohne zu wissen, was man nun davon hat. Hier sollte bis Ende November noch nachgebessert werden.
Während sich 3D-Verteter im Genre immer wieder unbegreiflich schwer mit der Steuerung tun, klappt bei Runaway 2 eigentlich alles wie am Schnürchen. Lediglich ein bis zwei Dinge sind noch wünschenswert: Eine Schnellleiste, die den mühsamen Klick ins Inventar erspart. So etwas wussten schon die großen Klassiker der frühen Neunziger zu schätzen. Und ein Shortcut, das alle nutzbaren Gegenstände auf einem Bildschirm zeigt, wäre auch nicht von schlechten Eltern. Aber zumindest wurde das Pixelhunting des Vorgängers schon deutlich verringert.
Nach dem erfolgreichen ersten Teil sah man bei Pendulo wohl nicht viele Gründe, um etwas massiv zu ändern. Ein paar Detailverbesserungen da, eine Modernisierung der Grafikengine dort – und dann selbstverständlich eine neue Geschichte die mich abermals an unterschiedlichste Orte entführt – im Grunde bleibt alles beim Alten. Obwohl die radikale Wandlung des schüchtern-tolpatschigen Brian zum kecken Womanizer so manche dann doch etwas irritieren dürfte. Aber das sollte kein Beinbruch sein. Jetzt muss man bei der zu erwartenden Spitzen-Synchronisation nur noch darauf achten, dass der Spieler vielleicht den ein oder anderen Hinweis mehr zugesteckt bekommt, und ein wenig an den Details schrauben. Fans können sich dann schon jetzt auf eine gelungene Fortsetzung freuen. Ich als solcher fiebere der fertigen Version schon entgegen.
Am 24. November stürzt auch Euer Flugzeug im Inselparadies ab.