Prince of Persia: The Lost Crown im Test – auf dieses königliche Metroidvania habt ihr gewartet!
Sargonhaft!
Nachdem ich bereits letzten Frühsommer schon sicher war, dass hier nichts mehr schiefgeht, ist es jetzt offiziell: Das ist ein ganz schönes Brett geworden, was Ubisoft Montpellier hier auf die Beine gestellt hat. Prince of Persia: The Lost Crown ist eines der ausgereiftesten, unterhaltsamsten Metroidvania der letzten Jahre. Bei einem Genre, das in der vergangenen Dekade eine dermaßen dankbare Wiedergeburt erfahren hat, ist das eine beachtliche Leistung.
Aber gut, dieses Spiel steht aber schon von Haus aus auf stabilen Beinen, schließlich hat man in der französischen Mittelmeermetropole die beiden letzten Rayman-Spiele auf dem Kerbholz – zwei der klügsten und frischesten Jump-and-Runs, die man sich vorstellen kann. Es sind Spiele, die vor allem viel von Level-Design und Timing verstanden und so gut vor sich hin flossen, dass man manchmal kaum merkte, wie viel Können es erforderte, sie zu erschaffen.
Obwohl das neue Prince of Persia nun ein Metroidvania ist: Die Verwandtschaft zu Rayman Legends beziehungsweise Origins ist unverkennbar. The Lost Crown ist ein Spiel, das es liebt, den perfekten Flow einer Platform-Sequenz zu finden – nunja, das und Gegner in die Höhe zu schleudern und sie oben mit viel Luft unter den Füßen weiter zu bearbeiten.
Vertraute Formel, von Leuten umgesetzt, die lange darüber nachgedacht haben
Ich muss euch nicht lang und breit erzählen, wie das hier abläuft. Vielleicht ist die Abgrenzung hilfreich, dass es näher an Hollow Knight ist als an Symphony of the Night, regelt es seine Progression doch allein über Bewegungs- respektive Zauber-Skills, ohne klassische RPG-Elemente. Die Welt ist mit ihren diversen, stark verästelten Biomen auf den ersten Blick schwer zu erfassen, aber die Karte ist voller hilfreicher Symbole, die grobe Richtung des nächsten Ziels stets eingezeichnet. Zumindest, sofern man den geführten Modus wählt, den Erkunder besser abgeschaltet lassen. Auf eurem Weg von A nach B entdeckt ihr Abkürzungen und wenige, aber smart gesetzte Schnellreisepunkte, die eher eilige Spieler unterstützen. Ihr dürft sogar Screenshots machen und auf der Map platzieren, was sehr hilfreich ist, um Orte von Interesse später wiederzufinden.
Richtig gut gefallen hat mir, dass The Lost Crown schon durch einen goldenen Lufthauch oder ein lila Wabern signalisiert, wenn man nur noch wenige Bildschirme von einem Speicherpunkt respektive einem Teleporter entfernt ist. Das verhindert, dass man tief in unergründetem Gebiet unvorsichtig in einen harten Fight stolpert, wenn man eigentlich noch mal hätte rasten sollen. Mal ehrlich: Wie oft geht einem in diesen Games die Muffe, weil man sich sorgt, der nächste Screen könnte der letzte sein, weil der letzte Rücksetzpunkt eine Handvoll harter Kämpfe und eine schwierige Sprungpassage her ist? Mir passiert das ständig.
Jump-and-Run für Fortgeschrittene
In diesem Titel wäre das hart, denn man sollte schon darüber reden, dass Prince of Persia spätestens im hinteren Drittel reichlich technisch wird, wenn es um die Hüpfsequenzen, Kämpfe, aber auch Puzzles geht. Gerade letztere fragen oft Geschicklichkeit und Hirnschmalz zugleich ab und fühlen sich dadurch einfach fantastisch an. Einige Sprung-Sequenzen durch Kreissägen, Stachelfallen oder einfach bodenlose Gebiete werden nach hinten heraus so komplex, dass ich mich regelrecht in sie verbiss, immer nur kurz davor, zu denken, ich schaffe sie nicht. Nur, um sie dann kurz darauf doch zu knacken.
Diese Art forderndes Design kommt vor allem durch den Rhythmus zustande, in dem The Lost Crown seine Fähigkeiten ausschüttet. Am wichtigsten ist wohl die, ein Abbild von Hauptcharakter Sargon an Ort und Stelle einzufrieren und sich auf Knopfdruck dorthin zurück zu teleportieren. Wie viele zuvor unmöglich geglaubte Wege das offenlegt, ist schwer zu beschreiben. In Kombination mit Bodenschaltern, die Plattformen und Wände ein- und ausfahren, einem horizontalen “Wandlauf” in der Luft, der als Ausweich-Move doppelt, dem Erscheinen- und Verschwindenlassen unsichtbarer Hindernisse und schließlich der Fähigkeit, sich an Gegner oder andere Ankerpunkte heranzuziehen… Hier wird nicht nur theoretisch einiges möglich, Ubisoft zieht auch meisterlich fortwährend Herausforderungen aus dem Hut, die exakt das abfragen, was ihr schrittweise lernt. Es ist sehr befriedigend, am Ende einer solchen Sequenz eine der regelmäßigen Abkürzung freizuschalten, die künftige Wege in diese Region verkürzen.
Vor allem ist schön, dass jede Fähigkeit bei Sprung-Abschnitten, Kämpfen und Rätseln gleichermaßen zum Einsatz kommt. Es wirkt wahnsinnig elegant, wie nützlich und sinnstiftend hier alles wirkt. Selbst, wenn man manchmal vergisst, das eine oder andere davon zu mehr als einem glorifizierten Türöffner einzusetzen, ist man doch froh, dass man theoretisch die Möglichkeit dazu hat. Ich mag es zum Beispiel, einen Feind mit einer meiner Fähigkeiten einfach zu schlucken, um ihn – vorübergehend gehirngewaschen – in einem Kampf als Unterstützung wieder auszuspucken. Dass man auch Projektile von Gegnern damit fangen und zu opportuner Gelegenheit wieder “auspacken” kann, lässt ebenso schnell vergessen, dass dieser Move wohl in erster Linie dazu gedacht war, bröckelnde Wände mit gesammelten Explosivgegenständen in Durchgänge zu verwandeln. Schönspieler werden ihre wahre Freude mit diesen fein verzahnten Elementen haben.
Tödliche Eleganz: Das Kampfsystem des neuen Prince of Persia
Nicht zuletzt, weil auch die Fights an sich schön einnehmend sind. Paraden und Ausweichmanöver brechen Moves ab, allzu repetitive Attacken nehmen in ihrer Wirksamkeit ab, sodass ihr passiv zur Variation eures Kampfstils angehalten seid, was wiederum dafür sorgt, dass ihr eure Möglichkeiten in der Breite nutzt. Sargons Bewegungen und Reichweite sind raumgreifend, die Animationen energiegeladen. Nah- und Fernkampf lassen sich fließend kombinieren und man kann mit einer Parade sogar sein eigenes Wurfgeschoss reflektieren, was unfassbar cool ist. Insgesamt hat das schon den Vibe eines Character-Brawlers wie DMC. Es wirkt mit seinem Verzicht auf Blocks und einem nicht zu knausrigen, dafür aber recht früh angesetzten Paradenfenster sehr offensiv.
Neben ihren normalen (sprich: parierbaren) Angriffen beherrschen die Feinde auch rücksichtslose Attacken, die sie durch ein gelbes Aufblitzen signalisieren. Ein Treffer hierdurch zieht eure Gesundheitsanzeige massiv nach unten, aber eine erfolgreiche Parade neutralisiert den Feind direkt. Im Zusammenspiel mit den verhältnismäßig langen Gesundheitsleisten ergibt sich daraus eine attraktive Gelegenheit, die Kämpfe zu verkürzen.
Und dann sind da noch die roten Angriffe: Die kann man nicht abwehren, wohl aber ihnen ausweichen, was ihr später vermehrt durch eure Teleportkräfte tut. Ich muss sagen, insbesondere einige Bosse stützen sich etwas zu sehr auf diese unaufhaltsamen Angriffe, die dann auch noch mit Anime-artigen Kamerafahrten ausgiebig in ihrer Kraft untermalt werden. Das zieht sich bisweilen ein wenig und wirkt, als würde man etwas über die Gebühr durch die Arena gescheucht, um dann vornehmlich damit beschäftigt zu sein, den Abstand zum Feind in einem kurzen Zeitfenster zu verkürzen. Aber geschenkt: Insgesamt sind die Bosse ziemlich gut, selbst, wenn einige von ihnen doch recht plötzlich den Schwierigkeitsgrad anziehen.
Alles ist relativ: Auch der Schwierigkeitsgrad
Apropos Schwierigkeitsgrad, Prince of Persia: The Lost Crown hat das bisher wohl coolste Schwierigkeitsmenü, das ich bisher erleben durfte: Ihr skaliert den Schaden, den eure Feinde oder Umgebungsgefahren euch zufügen von 0,1 bis 2,0, schraubt die Gesundheit eurer Gegner auf die Hälfte runter oder verdoppelt sie und justiert sogar grob die Zeitfenster für Paraden und Ausweichen. Ihr entscheidet, sogar, wie schnell ihr die Athra-Energie, die die spektakulären Special-Moves antreibt, verdient, wie schnell sie von selbst wieder schwindet und wie viel euch bei feindlichen Treffern abgezogen wird.
Es ist sehr interessant, was das mit meinem Erleben des Spiels anstellte. Ich mag die Kämpfe sehr, will manchmal aber auch einfach nur Meter machen. Deshalb habe ich nichts weiter angefasst, nur die Lebensenergie der Gegner auf 0,8 reduziert. Dadurch kam ich etwas schneller durch die härtesten Fights, ohne dass das Erlebnis sich weichgespült angefühlt hätte. Ein lobenswertes System, gut umgesetzt. Ich hoffe, Puristen und Schwierigkeitsgrad-Selbstkasteier meckern nicht zu sehr. Wenn es eine Tracht Prügel ist, wonach ihnen der Sinn steht, ist das Spiel gern damit bei der Hand: Einfach alles nach oben schrauben und sein blaues Wunder erleben.
Scharten in der Krone: Die Probleme von Prince of Persia: The Lost Crown
Kritik mag ich deshalb nur wenig äußern: Zum Beispiel, dass die Geschichte zunächst recht interessant verläuft, dann aber eher schwach endet. Überdies liegt die Hellsicht-Kraft, mit der man zwischen zwei Arten magischer Plattformen hin und her schaltet, auf dem Klick des rechten Sticks, den man für sonst nichts anderes braucht, und der in der Kürze der Zeit eher schwierig zu erreichen ist. Ich habe das Problem mit den rückwärtigen Zusatztasten meines Razer Wolverine Controllers gelöst. Ohne die ist es nicht gerade optimal.
Das Amulett-System – Perks, die eure Fähigkeiten leicht verändern –, bei dem man sich so viele unterschiedlich starke Anhänger umhängt, wie das aktuelle Limit erlaubt, bleibt in meinen Augen etwas hinter den Möglichkeiten. Ich fand schnell die Konstellation, die mir lag, und blieb dann dabei. Nicht zuletzt, weil ich zwei von ihnen als alternativlos erachtete – die für stärkere Nah- und stärkere Fernkampf-Angriffe – und sie schon einen Großteil der Slots belegten, die ich hatte. Dann wiederum: Ich hatte am Ende der Story erst 56 Prozent auf dem Komplettometer – da wäre sicher noch mehr gegangen.
Vor allem aber muss ich zugeben, dass ich mit dem Look insgesamt nie komplett warm geworden bin. The Lost Crown sieht keinesfalls schlecht aus und hat ein paar Momente, in denen man gern Bilder von ihm knipst, vor allem, wenn einige hübsche Hintergründe der Welt Tiefe verleihen. Gegen Ende gibt es zudem einige Biome, die wirklich spektakulär aussehen. Aber man hat schon das Gefühl, dass einige Indies der letzten Jahre einen besseren Spagat zwischen Performance und Art-Direction geschlagen haben. Ich liebe, dass Ubisoft sogar auf der Switch unbeirrt auf 60 FPS setzt und damit gehen natürlich Anforderungen einher. Aber vielleicht wäre ein Schritt in Richtung stärkerer Stilisierung dann doch die bessere Wahl gewesen? So wie es ist, mit flachen Texturen, vielen grobschlächtigen 3D-Objekten und wenigen Kamera- und Linseneffekten, wirkt die 2,5D-Optik bisweilen etwas schmucklos.
Es gibt eine Menge Spiele, die ihren spielerisch berechtigten Performance-Ansprüchen durch technisch einfachere Grafiken, dafür mit stilistisch ausdrucksstärkerem Art-Design begegnen. Oft genug erschaffen sie dadurch etwas, das zeitlos aussieht. The Lost Crown ist dagegen klar in der Last-Gen verortbar und wird mit der Zeit nicht schöner werden. Hinzu kommt, dass die hier vorliegende Kreuzung aus Pop-Persien und Anime-Extravaganz immer ein wenig zwischen den Stühlen sitzt. Es wirkt oft genug reichlich schmissig, aber hat es wirklich ein “Gesicht”? Bis zum Schluss war ich mir da nicht so sicher.
Interesse? Prince of Persia: The Lost Crown gibt es für jede Plattform ab 49,99 Euro:
Prince of Persia: The Lost Crown – Fazit:
Letzten Endes sind das jedoch eher oberflächliche Makel, denn der Rest vom Spiel ist über seine kompletten 20 bis 25 Stunden hinweg nur schwer aus der Hand zu legen. Das geht einfach zu gut in Fleisch und Blut über, zu großen Respekt hat man vor den wasserdicht gestalteten Jump-and-Run-Herausforderungen, interessanten (Zeit-)Puzzles und den energiegeladenen Kämpfen. Ich mache einen tiefen Knicks vor der Art, wie Ubisoft Montpellier Hardcore-Metroidvania-Fans und Gelegenheitsspieler mit seinen umfassenden Individualisierungsmöglichkeiten gleichzeitig im Blick behält.
Es stimmt wohl, dass The Lost Crown nicht den gleichen Einfluss auf die Spielwelt haben wird wie The Sands of Time, geschweige denn das wegweisende Original. Und doch würde ich einen Nachfolger des neuen Prinzen sehr viel lieber spielen als Remakes der beiden Klassiker. Ein unglaublich rundes, ausgereiftes Spiel, das mit den besten Konkurrenten mithält und dabei mit seinen Skills sogar noch ein bisschen angibt. So darf das Jahr gern weitergehen!
Prince of Persia: The Lost Crown | |
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