Project Cars 3 Test: Auf der Suche nach seiner Identität
Zwischen Arcade und Sim.
Project Cars 3 Test - Zu sagen, Project Cars 3 steckt in einer Identitätskrise, wäre nicht übertrieben. Ich weiß nicht, ob sich die Entwickler im Klaren darüber sind, wohin sie in Zukunft mit dieser Reihe möchten. Mehr in Richtung Sim-Racer wie Assetto Corsa? Oder doch eher in die Nähe von Forza Motorsport und Co? Es steckt zwischen den beiden in der Mitte fest, und demonstriert einen Mangel an Fokus und Feinschliff. Und das bringt es in eine interessante Position. Zum einen: es macht Spaß. Ich drehe hier gerne meine Runden über die Kurse. Auf der anderen Seite gibt es Entscheidungen, die frühere Fans erzürnen.
Der Wegfall von Elementen wie Boxenstopps, Spritverbrauch oder Reifenmanagement sorgten in der Community für kontroverse Diskussionen. Ein Kompromiss, um sich mehr der Arcade-Racing-Zielgruppe anzunähern, vermute ich. Wenngleich ein Arcade-Rennspiel diese Dinge ebenso unterstützen könnte - und wenn es rein optional ist. Ob dieser Schritt nötig war, darüber lässt sich mit Sicherheit vorzüglich streiten. Fakt ist indes, dass sich die Wagen hier zuverlässig mit dem Controller über die Kurse lenken lassen, während die Serie in der Vergangenheit für ihr schwieriges Handling Kritik einsteckte. Hier und da erweisen sich die Wagen zum Teil noch als bockig und übersteuern gerne, im Großen und Ganzen habt ihr sie aber gut unter Kontrolle.
Herzstück des Spiels ist die Karriere. Ihr habt eure verschiedenen Rennklassen, für die es jeweils verschiedene Meisterschaften mit unterschiedlich vielen Rennen gibt. Ihr fangt mit den kleinen Wagen an und arbeitet euch Stück für Stück an die hochgepowerten Rennmaschinen heran. Für fast jedes Event gibt es zudem drei individuelle Aufgabenstellungen, zum Beispiel das Rennen zu gewinnen oder eine vorgegebene Zahl an Autos sauber überholen. Die weiteren Events schaltet ihr primär durch das Erfüllen dieser Aufgaben frei und nicht durch eure Platzierung in den Rennen. Wenn es euch einmal nicht gelingt, ausreichend Ziele zu erledigen, probiert ihr es so oft bis es klappt - oder kommt gegen ein paar In-Game-Credits zur Freischaltung ebenso weiter. Das Spiel hält so keinen auf.
Erfahrung hier, Erfahrung da
Die Credits dienen indes hauptsächlich zum Kauf der verschiedenen Autos, die ihr für die jeweiligen Rennen braucht, denn nur mit dem passenden fahrbaren Untersatz lässt euch das Spiel an diesen teilnehmen. Zugleich habt ihr die Möglichkeit, mittels Upgrades an den Vehikeln zu schrauben. Dabei ist aber Vorsicht angesagt, damit ihr nicht aufgrund einer Verbesserung in der nächsthöheren Fahrzeugklasse landet. Praktisch, dass euch das Spiel das vorher anzeigt.
Ab und an habt ihr dabei den Eindruck, dass euch die verschiedenen Erfahrungspunkte-Systemen zu erschlagen drohen. Ihr steigt im Fahrer- und im Fahrzeuglevel auf, erhaltet EP für Events, habt nochmal individuelle Herausforderungen für mehr EP... ich bin überrascht, dass es nicht noch EP fürs Anklicken der Buttons in den Menüs gibt. Ab und an ist weniger echt mehr.
Das zieht sich bis in die Rennen hinein, in denen ihr für alles mögliche Erfahrungspunkte erhaltet, für ein sauberes Überholen, für Windschatten und so weiter. Und ebenso fürs Perfektionieren von Kurven, hierbei zeigen euch drei Markierungen die idealen Punkte zum Bremsen, Beschleunigen und Verlassen der Kurve an. Gelingt euch das bei allen auf einer Strecke, meistert ihr diesen Kurs und das Spiel belohnt euch zusätzlich mit mehr Credits.
Wenig Spielraum für Fehler
Gewöhnt euch dabei auf jeden Fall an, präzise zu fahren, denn Project Cars 3 verzeiht nicht gerne Fehler. Denkt nicht einmal daran, Kurven ein wenig abzukürzen oder die Strecke zu weit zu verlassen. Je nach Event macht euch das Spiel dann für kurze Zeit langsamer oder streicht eure aktuelle Rundenzeit. Abhängig davon, was ihr gerade tut, zum Beispiel eine schnelle Runde setzen oder die beste Durchschnittszeit innerhalb von drei Runden erzielen, könnt ihr dann direkt neu starten, wenn ihr einen Fehler gemacht habt. Habt ihr Probleme mit einer Strecke oder einem Auto, schlägt das unter Umständen schnell in Frust um. Lernt daher, euren Wagen zu beherrschen.
Und wenn ihr euch damit beschäftigt, behaltet die KI im Auge, denn eure Konkurrenten reagieren je nach Einstellung super aggressiv, schubsen euch und - wenn es ganz schlecht läuft - sorgen für einen Dreher eurerseits. Ein Glück, dass sich ihre Schwierigkeitsstufe individuell regulieren lässt, ebenso stehen verschiedene Fahrhilfen und Co zur Verfügung, mit denen ihr Project Cars 3 an eure Vorstellungen anpasst. Was ihr allgemeines Verhalten anbelangt, ließ sich ebenso beobachten, wie die KI den ein oder anderen Fehler macht, sich zum Beispiel dreht. Sprich: sie fährt nicht perfekt, was gut so ist. Die KI-Aggressivität erweist sich indes für manche der Ziele der Karriere als echtes Problem, wenn ihr euch vornehmlich auf deren Erfüllung konzentriert und euch einer dazwischenfunkt. Probiert am besten ein wenig herum, um die optimalen Einstellungen zu finden.
Gleichzeitig scheint hier und da durch, dass hinter dem Project Cars 3 nicht das gleiche Budget steckt wie hinter einem Flaggschiff-Titel à la Gran Turismo oder Forza Motorsport / Forza Horizon. Was natürlich kein Vorwurf an die Entwickler ist, es gilt, mit dem auszukommen was da ist. Ich hoffe, dass sie in den kommenden Monaten noch an Dingen wie der Übersichtlichkeit in den Menüs oder der grausigen Grafik auf der Standard-PS4 feilen. Aber okay, über unschöne Menüs und so was lässt sich hinwegsehen, wenn's dafür auf der Strecke stimmt.
Arcade- oder Sim-Racer?
Und das tut es. Dass beim Schritt in Richtung Arcade-Racer nicht alles gleich zu 100 Prozent sitzt, ist verständlich. Und doch steuert sich Project Cars 3 besser, als es das in der Vergangenheit tat, wenngleich diese Eleganz des Lenkens nicht ganz so perfektioniert ist, wie es in Forza und Gran Turismo nach vielen Jahren der Iteration der Fall ist. Das ist das Problem des Richtungswechsels, er braucht Zeit, um die volle Wirkung zu entfalten. Auch andere Rennspielserien fanden ihre Identität und ihren Perfektionismus nicht von heute auf morgen.
Die Frage ist, ob das hier die richtige Richtung ist? Mein englischer Kollege Martin Robinson bezeichnet es so schön als "Hardcore-Arcade-Racing-Game" im Stile eines TOCA Race Driver. Project Cars hat das Problem, dass es Platzhirsche sowohl bei den Arcade-Racern als auch bei den Sim-Racern gibt. Wer braucht da noch mehr davon? Die goldene Mitte scheint da der richtige Ausweg zu sein und es ist ein interessanter Ansatz. Wenn sich Project Cars 3 wie ein Forza spielte, könnte ich gleich zum Original greifen. Aber nein, es hat in der Position, in der es jetzt ist, seine eigene Identität. Eine, an der noch ein wenig Arbeit vonnöten ist, ohne Zweifel.
Viele Autos, viele Strecken
In Sachen Umfang ist die Zahl der Fahrzeuge in Teil drei gegenüber dem Vorgänger auf 211 gestiegen, ein wenig geschrumpft sind indes die Zahl der Strecken (von 63 auf 51) und Streckenlayouts (von 146 auf 121). Das sind im Endeffekt noch mehr als genug, wenngleich die Qualität schwankt. Wo ein Havanna mit schöner Umgebung überzeugt, fühlt ihr beinahe, wie euch die Trostlosigkeit der Mojave-Strecke die Lebensfreude aussaugt. Solche langweiligen Kurse erhöhen im Endeffekt die Streckenzahl, aufgrund ihrer mangelnden optischen Reize bleiben sie indes keinem im Gedächtnis.
Bei den Fahrzeugen sind viele verschiedene Hersteller vertreten, von Aston Martin bis hin zu Toyota. Porsche-Fans freuen sich dabei über eine ganze Reihe an Fahrzeugen, davon abgesehen habt ihr weitere bekannte Fahrzeugbauer wie Ford, Ferrari und McLaren, mehr als genug, damit jeder das passende Vehikel für sich findet. Was deren Anpassung anbelangt, präsentiert sich das Spiel ein wenig dürftig. Ihr habt wie erwähnt die Upgrades, die Fahrzeuge schnell in andere Fahrzeugklassen befördern, rein optisch betrachtet haben die Änderungen wenig spektakuläre Auswirkungen - das hinterlässt ein wenig befriedigendes Gefühl.
Neben der Karriere habt ihr noch die Möglichkeit, an einzelnen Rennen, Trainingssessions und verschiedenen Multiplayer-Modi und Community-Events teilzunehmen. Rivals ist ein asynchroner Modus, in dem ihr für euch allein nach der Bestzeit in einer Runde oder nach der besten Durchschnittszeit über drei Runden hinweg strebt, um euch in der Rangliste zu platzieren. Und in Breakout sind verschiedene Hindernisse auf der Strecke platziert. Die gilt es nicht zu umfahren, vielmehr brettert ihr durch diese hindurch, um so viele Punkte wie möglich zu sammeln.
Um noch einmal auf die Technik zurückzukommen: mit den Standard-Versionen der Konsolen solltet ihr euch zweimal überlegen, ob ihr das Spiel haben möchtet, wenn die Optik für euch wichtig ist. Vor allem auf der Standard-PS4 sieht Project Cars 3 echt nicht gut aus, im Vergleich dazu hinterlässt zum Beispiel die Xbox-One-X-Version einen besseren Eindruck und ihr habt dort ebenso die Wahl zwischen mehr Details (30fps) und besserer Performance (1080p60). Das beste Erlebnis bekommt ihr erwartungsgemäß auf dem PC.
Project Cars 3 Test Fazit - Der richtige Mittelweg
Ich kann es nicht häufig genug erwähnen: Project Cars 3 sucht eine Identität für die Serie - und ist anscheinend fündig geworden. Entwickler Slightly Mad möchte im Grunde ein wenig was von allem bieten und ich finde, dieser Mittelweg ist nicht zwingend der falsche. Es hinterlässt aber hier und da den Eindruck von mangelndem Feinschliff, der dem Spiel gut täte. Und dass Fans der Vorgänger über den Wegfall einzelner Features - darunter Boxenstopps und Benzinverbrauch - nicht erfreut sind, ist verständlich. Project Cars 3 bietet im Großen und Ganzen ausreichend Spielraum, um erfahrene Rennspieler und Neulinge gleichermaßen anzusprechen. Die Steuerung funktioniert gut und ich habe mehr Spaß als gedacht bei dem Versuch, all die Kurven auf den einzelnen Strecken perfekt zu nehmen und zu meistern.
Im Endeffekt habt ihr hier ein Rennspiel mit ein paar rauen Kanten, das aber im Kern Spaß macht - und das ist es, was zählt - und ausreichend Inhalt bietet, um euch eine Weile zu beschäftigen, wenngleich das Spiel ihn euch zum Beispiel in der Karriere eher trocken und unspektakulär vor die Nase setzt. Mit Teil drei parkt Slightly Mad auf dem Hardcore-Arcade-Racer-Parkplatz und dort steht Project Cars 3 ganz gut. Spätestens bei einem Nachfolger sollte das Team dann noch weiter an den kleinen Schrauben drehen und das Vorhandene weiter verfeinern, dann steht Project Cars gut auf eigenen Rädern, ohne sich zu stark an der mächtigen Konkurrenz zu orientieren.
- Im PSN-Store vorbestellen: Project Cars 3 für 69,99 Euro und Project Cars 3: Deluxe Edition für 99,99 Euro
- Als Box-Version vorbestellen: Project Cars 3 auf Amazon.de
- Entwickler / Publisher: Slighty Mad Studios / Bandai Namco
- Plattformen: PC, Xbox One, PS4
- Release-Datum: 28. August 2020
- Sprache: Deutsch, Englisch und weitere
- Preis: zirka 60 bis 70 Euro