Project Zero: Priesterin des schwarzen Wassers - Test
Wenn einem Horrorspiel der Horror fehlt.
Wasser ist ein zentrales Thema in Project Zero: Maiden of the Black Water. Innerhalb der Geschichte wird es für die erdrückende Symbolik des Selbstmords verwendet. Immerhin findet die Handlung auf einem an den japanischen Suizidwald angelehnten Berg statt und viele Charakterhintergründe beschäftigen sich mit dieser Thematik. Auch spielerisch setzt der Titel das Element ein. Von der Nässe eingehüllte Figuren erleiden bei feindlichen Angriffen mehr Schaden, können dafür allerdings ebenso stärkere Attacken ausführen.
Doch es gibt noch einen weiteren, unabsichtlichen Bezug. Denn Project Zero: Maiden of the Black Water fühlt sich wie eine tragische Verwässerung des seit fast 15 Jahren bestehenden Franchises an.
Die Serie stellte den Horror stets an erste Position, selbst wenn es in den meisten Teilen oft zu frustrierenden Momenten führte. Wer einmal die blinden Frauen aus dem ersten Project Zero bekämpfen musste, versteht meinen Schmerz. Aber gerade diese Schwierigkeiten bildeten in Kombination mit anderen Restriktionen einen wichtigen Bestandteil zur Schöpfung der Angst im Spieler. Nicht zu wissen, ob der Vorrat an Munition oder Heilgegenständen noch für den nächsten Bosskampf reichen würde oder wie weit es bis zum rettenden Speicherpunkt sein könnte, schürte die Ungewissheit über das eigene Überleben.
Statt weiter an der Balance des Kampfsystems sowie der Gegner zu schrauben, führt euch der Titel lieber direkt an der Hand und pumpt euer Inventar bis zum Rand mit Items voll. Das ist keine Übertreibung. Vor dem Start einer Mission dürft ihr während des ersten Durchgangs nur zwischen dem einfachen und normalen Schwierigkeitsgrad wählen. Doch beide geben euch selbst zu Beginn mindestens 15 Heilkräuter und fünf Flaschen gefüllt mit heiligem Wasser auf den Weg. Zum Ende hin ist es einfach nur noch lächerlich. Wofür brauche ich 50 Heilkräuter in einer Mission, die keine halbe Stunde dauert und mich währenddessen weiterhin mit Gegenständen zuballert? Wieso kann ich das nicht ablehnen? Falls jemand mit dieser absurden Summe übrigens immer noch Probleme haben sollte, darf er vor Missionsbeginn sogar noch mehr einkaufen. Was soll das?
Sofort und auf einen Schlag verliert das Spiel seinen gesamten Terror. Niemals war ich in Gefahr. „Oh, der Boss ist ein wenig härter als die anderen? Pff, benutze ich eben die stärkste Munition und kippe notfalls ein paar Flaschen heiliges Wasser runter. Habe ja eh genug." Damit zerstört man nicht nur den Survival-Aspekt in Survival-Horror, der Horror geht gleich mit flöten.
Die Vereinfachung des Radars kann ich ebenfalls nur mit einem Kopfschütteln entgegnen. In den alten Teilen zeigte euch ein Leuchten am Bildschirmrand die ungefähre Position von Geistern. Somit wusste man zwar die Richtung, trotzdem musste der Bildschirm panisch abgesucht werden. Im vierten Project Zero konnten vier Richtungspfeile auf dem Radar sogar mehrere Geister gleichzeitig anzeigen. In meinen Augen der perfekte Kompromiss, da zu viele Informationen über den Aufenthaltsort ein zentrales Spannungselement der Gefechte zerstören würde.
Nun ja, in Maiden of the Black Water passiert genau das. Der Radar wurde komplett gestrichen. An seiner Stelle verraten nun rote Halbkreise die exakte Positionierung der Feinde. Die Symbole trüben nicht nur das Gesamtbild, sie erinnern mich stark an Treffermarkierung aus Ego-Shootern wie Call of Duty. Das gleiche System wird übrigens für die Item-Suche verwendet. Auch hier signalisierte früher ein blaues Leuchten des Radars den Fundort diverser Gegenstände. Nun braucht ihr nicht länger auf eure Umgebung zu achten. Sprintet blind drauflos und sobald ihr einen weißen Halbkreis am Bildschirmrand seht, dreht ihr euch kurz um und hebt das Objekt auf. Mir fehlen die Worte.
„Das ist schon blöd", denkt ihr euch jetzt sicherlich. „Aber zumindest werden die Rätsel etwas fordern, oder?" Worauf ich ernüchternd antworte: „Welche Rätsel?". Ernsthaft, ich kann mich nicht daran erinnern, auch nur eine einzige Knobelaufgabe im gesamten Spiel gelöst zu haben. Mehrfach müsst ihr die Fundorte von abgebildeten Landschaften diverser Fotos finden. Aber so etwas lasse ich nicht als Rätsel durchgehen. Ebenso wenig die banale Schlüsselsuche. Wieso auch? Schließlich zeigt euch das Spiel nach jedem aufgesammelten Schlüssel, wo dieser auf der Karte benutzt werden muss. In einer Szene befindet sich die verschlossene Tür sogar direkt neben eurer Figur. Trotzdem öffnet das Spiel die Karte und wandert quälend langsam zur Markierung.
Wer noch mehr an der Hand geführt werden möchte, kann in die meiste Zeit per Knopfdruck einen astralen Leitpfad aufrufen und diesem zum Zielort folgen. Leider musste ich mehrfach darauf zurückgreifen, weil anscheinend die normale Spielführung vergessen wurde. Vor ein paar Monaten habe ich noch einmal Project Zero 2 beendet und musste an keiner Stelle über den richtigen Weg nachdenken. Das lag vor allem an der sorgfältigen Platzierung passiver Geister, die einen auf den korrekten Pfad lockten. Dazu verhalfen das generelle Leveldesign sowie die richtige Positionierung von Kamerawinkeln zu einem ununterbrochenen Spielfluss. In Maiden of the Black Water tauchen diese Geister ziemlich selten auf und mich beschleicht das leidige Gefühl, die Entwickler vernachlässigten diese natürliche Form der Spielführung und verließen sich zu sehr auf die neu eingeführte Krücke.
Ich wollte mich wirklich nicht so sehr über die Veränderungen aufregen. Viel lieber hätte ich von dem neuesten Teil einer wenig beachtetet Horrorserie geschwärmt und euch zum Kauf getrieben. Denn das im Kern enthaltene Spielprinzip ist trotz dieser Verschlimmbesserungen einzigartig. Allein mit einer Kamera bewaffnet durch in Regen getauchte Wälder und modrige Tempel zu wandern, das verleiht dem Spiel eine distinkte Atmosphäre.
Nur erschwerten alle Eingriffe in die lang erprobte Formel mein Vergnügen. Nehmt das Kampfsystem als Beispiel. Verängstigt halte ich die Kamera auf den Geist gerichtet und warte gespannt auf seinen Angriff. Im letzten Moment schieße ich ein Foto und schaffe damit einen Fatal-Frame. Genau wie früher kassiert der Feind nicht nur erheblich mehr Schaden, es gibt mir die Möglichkeit für einen Kombo-Angriff. Leider muss ich nun nicht länger den exakten Moment für diese Folgeattacken abwarten, sondern kann hirnlos den Auslöser betätigen, um zwei bis vier weitere Schnappschüsse zu knipsen. Macht es weiterhin Spaß? Ja, dafür funktioniert das grundlegende Spielprinzip zu gut. Aber spüre ich dabei Angst? Auf keinen Fall. Und ist das nicht das Ziel eines Horrorspiels, dass ich jede Konfrontation, jeden Schritt um eine unbekannte Ecke und jedes Geräusch fürchte? In dieser Hinsicht ist Maiden of The Black Water eine totale Enttäuschung.
Aber selbst wenn diese Probleme nicht vorhanden wären, würde der Titel durch den massiven Grad an Wiederholung seinen Horror verlieren. Knapp 15 Stunden dauerte mein erster Durchgang. Für sich genommen keine schlechte Zeit. Nur erhält diese Zahl in Anbetracht des permanenten Backtrackings eine äußerst negative Gewichtung. Bereits nach sechs der insgesamt 24 Kapitel habt ihr gut 80 Prozent des Spiels gesehen. Anschließend stapft ihr wiederholt durch bekannte Areale und seht nur am Ende der Mission kurz ein neues Gebiet. Bestimmte Pfade haben sich für immer in meine Netzhaut gebrannt, da ich sie bestimmt zwei Dutzend Mal ablaufen durfte.
Selbst der ständige Wechsel zwischen den drei spielbaren Protagonisten verschafft keine Abhilfe. Yuuri und Miu benutzen dieselbe Camera Obscura. Zwischen ihnen existiert daher kein spürbarer Unterschied. Ren verwendet zwar seinen eigenen Fotoapparat, setzt sich allerdings nur in Form anderer Spezialfähigkeiten von den Mädels ab. Vergleicht das mit Project Zero 3: The Tormented. Dort gab es ebenfalls drei spielbare Figuren, alle mit ihren persönlichen Mechaniken. Einer der Charaktere spezialisierte sich sogar auf Stealth und war in Kämpfen praktisch nutzlos.
Zudem ergab der strukturelle Aufbau der Missionen mehr Sinn. Die Protagonisten waren in ihren Träumen gefangen und wurden jede Nacht in das schaurige Manor of Sleep entfürt. Dagegen verlasst ihr in Maiden of the Black Water nach jeder Mission den tödlichen Berg und kehrt im nächsten Auftrag freiwillig zurück. Natürlich ohne einen Mantel oder Gummistiefel, weil man sonst nicht länger durch die nasse Kleidung der jungen Damen blicken könnte.
Ich hoffe wirklich, dass Project Zero: Maiden of the Black Water nicht der letzte Teil der Reihe sein wird und die Entwickler beim nächsten Mal zu den Mechaniken der vierten Episode zurückkehren. Denn im Kern sind weiterhin die Stärken der Serie vorhanden. Ein solides Kampfsystem, verwässert von unnötigen Vereinfachungen, die dem Spiel seinen Horror rauben. Wenn ich dazu noch mit Heilgegenständen und Munition überschüttet werde, verliere ich jegliche Involvierung ins Umfeld. Schließlich muss ich nicht länger aufpassen oder vorausschauend agieren, wenn überall Checkpoints warten und ich meinen Vorrat an Heilkräutern unmöglich aufbrauchen kann. Sobald ich dann noch gezwungen werde, mehrfach sämtliche Gebiete zu durchschreiten, vergeht mir endgültig die Lust. Irgendwo bei Kapitel elf oder zwölf wollte ich einfach nur, dass es vorbei ist. Stattdessen schickte mich das Spiel erneut durch alte Waldstücke und bombardierte meinen Charakter mit denselben drei Gegnertypen im Dauerfeuer.
Für den Vollpreis kann ich das Teil niemandem empfehlen. Selbst Hardcore-Fans wie ich sollten einen weiten Bogen darum machen. Normalerweise würde ich das Abwarten einer Preisreduzierung empfehlen. Aber da die Limited-Edition nicht billiger wird und ihr den Titel digital selbst im Angebot garantiert nie unter 30 Euro sehen werdet, solltet ihr lieber bei den alten Klassikern bleiben. Vor allem Teil 2 gehört weiterhin zur obersten Liga des Survival-Horror und kann in der Wii-Fassung günstig ergattert werden. Oder importiert euch Project Zero 4 aus Japan und nutzt den englischen Patch zur optimalen Erfahrung. Nur tut euch den Gefallen und verschwendet eure Zeit nicht mit Maiden of the Black Water.