Prototype 2 - Vorschau
Aus Fehlern lernen
"Die Wahrheit schmerzt."
Mit diesen Worten begrüßt uns Radical Entertainments Studioboss Ken Rosman während einer Präsentation zu Prototype 2 in ihrem Studio im beneidenswerten Vancouver. "Aber damit wir uns verbessern können, mussten wir die Fehler anhören und sie akzeptieren", fährt der sympathische Goatee-Träger fort.
Er spricht vom ersten Prototype, das zwar viele Spieler und Kritiker zugleich begeistern konnte, aber von einigen Schwächen und Fehlern durchzogen war. Anstatt nur auf die positiven Reaktionen zu hören und sämtliche Kritik mit einem "Ihr habt das Spiel einfach nicht verstanden!", kindlich abzuschmettern, hat sich das Team nicht nur Rezensionen, sondern auch seitenweise Foreneinträge durchgelesen.
"Es tut natürlich weh, war für den Entwicklungsprozess aber sehr wichtig", erklärt Design Director Matt Armstrong ein wenig später und nennt Alex Mercer, Protagonist des Vorgängers, als kleines Beispiel. "Viele Spieler hatten ein Problem, sich mit Alex zu identifizieren."
Einen Fehler, den man durch den neuen Helden James Heller vermeiden möchte. Im Gegensatz zu Mercer, dessen Motivation wegen fehlenden Hintergründen teilweise sehr fraglich erschien, wirkt Hellers Charakter wesentlich ausgearbeiteter. Seit dem Tod seiner Familie nach dem Virus-Ausbruch, schwört der ehemalige US Marine Sergeant Rache an Alex Mercer, da dieser nach Angaben des Militärs für den Terror verantwortlich sei.
Als Mercer im verseuchten Manhattan gesichtet wird, meldet sich Heller freiwillig zur Patrouille und trifft dort auf seine Nemesis. Trotz herausragender Fähigkeiten im Kampf sieht Heller kein Land gegen die Mutantenkräfte des tödlichen Wissenschaftlers und sieht so seinem baldigen Ende entgegen, das er seit seinem schmerzhaften Verlust nicht mehr fürchtet. Soweit kommt es aber nicht. Stattdessen infiziert Mercer ihn mit dem Virus, wodurch Heller die gleichen Fertigkeiten erlangt.
Da ihr diese Szene selbst spielt und die Hilflosigkeit am eigenen Leib zu spüren bekommt, baut ihr eine stärkere Verbindung zum Charakter auf und seid motiviert, die wahren Hintergründe zu erfahren. Wieso hat Alex euch nicht nur am Leben gelassen, sondern auch mit seinen Superkräften ausgestattet? Ist er wirklich für den Tod eurer Familie verantwortlich oder steckt allein das Militär dahinter?
Im Anschluss an die Präsentation dürfen wir selbst Hand anlegen und die erste halbe Stunde des Abenteuers ausprobieren. Nach dem gelungenen Prolog landet Heller in einem Armeestützpunkt und wird prompt als Versuchskaninchen missbraucht, um seine neuen Fähigkeiten zu testen. Bei den Gefechten mit den freigelassenen Mutanten fällt sofort das überarbeitete Kampfsystem auf. Kenner des Vorgängers erinnern sich sicherlich an hektische sowie teils extrem unfaire Auseinandersetzungen, in denen ihr eher wild die Tasten gefoltert habt, anstatt passend auf die Aktionen eurer Gegner zu reagieren.
Nun orientiert sich der Ablauf stark an Arkham City. Verpasst einem Gegner gezielte Schläge und springt bei Gefahr über ihn oder hechtet zur Seite. Größere Feinde kündigen ihre Attacken kurz an. So verharren die mächtigen Hunter beim Ausholen ihrer Krallen, bevor sie euch die Klingen ins Fleisch rammen. Dadurch gestalten sich die Gefechte strategischer und lassen sich leichter kontrollieren. Ihr führt das Tempo im Kampf und wechselt je nach Situation die Herangehensweise. Ein wunderbares Gefühl, wenn man zuvor nur Frust gewohnt war.
Dieser positive Eindruck verstärkt sich im weiteren Verlauf. Glaubt mir, wenn ich sage, dass zwischen Prototype und seinem Nachfolger Welten liegen. Vorbei sind die Tage des trostlosen New Yorks mit seinen kargen Wolkenkratzern. In den drei Zonen der Spielwelt erwarten euch unterschiedliche Anblicke mit einer ganz eigenen Atmosphäre. Die grüne Zone ist dabei als einzige vom Virus befreit und befindet sich unter einer ständigen Überwachung des Militärs, die als Big Brother überall Kameras installiert und Stützpunkte errichtet haben.
Sie kontrollieren ebenfalls die gelbe Zone, die als Petrischale missbraucht wird und in der jeder unter der ständigen Gefahr einer plötzlichen Infektion leidet. Gänzlich vom menschlichen Leben verlassen ist die rote Zone. Hier herrschen der Virus und dessen Schöpfungen. Kaum ein Fleck entzieht sich den roten Tentakeln, die im ehemaligen Manhattan wild wuchern.
Eure Suche nach der Wahrheit beginnt in der gelben Zone. Sobald ihr aus dem Labor entkommt, sucht ihr eine Tarnung und werft einen ersten Blick auf die Welt um euch herum. Überall entdeckt ihr kleine Interaktionen zwischen den Bewohnern. Am Rande eines Lagers diskutieren einige Männer ängstlich über eine mögliche Revolution. Gegenüber fängt einer der Passanten auf dem Bürgersteig stark an zu husten. Ein paar Schritte später spuckt er Blut auf den Boden und beginnt sich schließlich zu verwandeln. Plötzlich rennen Soldaten an mir vorbei, um den Infizierten zu beseitigen. Überall in der Stadt warten solche Momente auf euch und verstärken die beklemmende Stimmung.
Viel Zeit für Sightseeing bleibt allerdings nicht. Kaum bin ich als frisch gebackener Mutant in den Straßen unterwegs, wartet der erste Auftrag. Um an mehr Informationen zu gelangen, muss ein Kommandant ausfindig gemacht werden. Anstelle eines simplen Markers auf der Karte hilft mir ein Radar bei der Suche. Per Tastendruck stößt Heller ein Signals aus, das von eurem Ziel erwidert wird. Anhand des Kreises, der euch erreicht, erkennt ihr die Richtung, in der sich das zukünftige Opfer befindet. Durch mehrmaligen Ersatz grenzt ihr den Ort ein, bis ihr die Position schlussendlich findet.
Danach absorbiere ich zusammen mit der Person seine Informationen sowie sein Äußeres und schleiche mich so in einen weiteren Stützpunkt. Unbemerkt geht es in das Hinterzimmer, in dem ich einen der Angestellten absorbieren soll. Sobald niemand in seine Richtung schaut, greife ich mir den ahnungslosen Wissenschaftler, ohne dass jemand den Vorgang bemerkt. Diese Schleichpassagen fühlen sich bisher sehr gelungen an und weisen auf das mögliche Potenzial späterer Aufgaben hin.
Leider endet meine Spielzeit an dieser Stelle, obwohl ich gerne ein paar der Nebenmissionen ausprobiert hätte. Denn überall auf der Karte erscheinen zwischendurch Meldungen von verschieden Zielen. Zudem könnt ihr euch später in das Blacknet des Militärs hacken, um von dort aus weitere Aufträge anzunehmen.
Alles schön und gut, aber was ist nun mit den Mutantenkräften? Immerhin stellen sie einen der größten Anreize des Spiels dar und bereits im fehlerhaften Erstling entstanden die schönsten Momente durch den unmoralischen Einsatz der mörderischen Werkzeuge. Im fertigen Spiel schaltet ihr diese wieder nach und nach frei. Doch zu Demonstrationszwecken setzt man die anwesenden Journalisten nach einer kurzen Pause in die rote Zone.
Hier gibt man mir einen voll entwickelten Charakter, stellt mich in den tödlichsten Bereich und lässt mich totales Chaos in den von Tentakeln überzogenen Straßen entfalten. Keine zehn Sekunden später und mir kleben neben einer Horde Mutanten zwei Hubschrauber und drei Panzer am Hintern. Selbst bei einem so gefüllten Bildschirm behaltet ihr stets die Kontrolle. Jede Rakete wird mit einen kurzen Piepton angekündigt und lässt sich durch eine schnelle Reaktion sogar reflektieren. Kurz bevor euch ein Projektil trifft, drückt ihr die angezeigte Taste und blockt den Schaden mit eurem Schild ab. Stimmt das Timing, fliegt die Rakete direkt zurück zum Absender.
Den Schild aktiviert ihr dieses Mal auf Knopfdruck, ohne ihn vorher als Fähigkeit auswählen zu müssen. Aus den restlichen Kräften, denen jeweils eine Angriffstaste zugewiesen wird, sucht ihr euch immer zwei aus. So ergeben sich verschiedene Kombinationen, die zu unterschiedlichen Kombos führen. Befestigt eure Widersacher beispielsweise durch Einsatz der Tentakel an einem Auto und peitscht sie anschließend mit den Ketten aus. Oder ihr stürzt von einem Hochhaus mit den Steinfäusten auf den Asphalt, um die benommenen Feinde sofort eure Armklingen spüren zu lassen. Sehr nett ist übrigens die Biobomb. Schnappt euch einen wehrlosen Soldaten und verwandelt ihn in ein biologische Granate. Kurz nach Abwurf zieht er mit Tentakeln alles an sich heran, um im nächsten Moment zu explodieren. Die Vielfalt an Möglichkeiten lädt auf jeden Fall zum Experimentieren der etwas anderen Art ein und führt durch die ständige Kontrolle über das Geschehen nicht mehr zu Frustanfällen.
Man muss einfach stolz auf Radical sein. Sie haben ihre Kritikfähigkeit unter Beweis gestellt und darüber hinaus ein Sequel geschaffen, das jeden Aspekt des Vorgängers zu verbessern scheint. Natürlich basiert dieser Eindruck nur auf der ersten halben Stunde sowie einer kurzen Experimentierphase mit voll ausgebauten Kräften. Doch was ich hier bereits gesehen habe, zeugt von hohem Potenzial. Sollte das Missionsdesign abwechslungsreich bleiben und das Pacing weiterhin die richtige Balance finden, sehe ich keine größeren Probleme. Prototype 2 ist schon jetzt mehr als eine simple Fortsetzung und beweist, dass man manchmal einfach auf die Fans hören sollte.