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PUBG: Der First-Person-Modus macht aus Battlegrounds ein neues Spiel

Ich sehe nichts, was du nicht auch siehst.

Der Juli-Patch für Playerunknown's Battlegrounds ist da und neben einigen dringend benötigten Bugfixes (und einigen neuen Problemchen, Stichwort "Server Lag"), zahlreichen Komfortfunktionen und ein paar interessanten spielerischen Anpassungen krempelt er mal eben um, wie man dieses Jeder-gegen-Jeden Battle-Royale erlebt. Optional selbstverständlich, denn niemand muss den neuen First-Person-Modus spielen. Eine gute Idee, ihm zumindest mal eine Chance zu geben, ist es trotzdem: Das Spielgefühl ändert sich - im Rahmen des nach wie vor unveränderten, süchtigmachenden Regelwerks - grundlegend.

Kein Corner-Camping mehr. Wer zielen will, muss sich zeigen.

Also, wer im Hauptmenü sein Häkchen bei "Solo-" oder "Duo-FPP" setzt, bevor er das Matchmaking aktiviert, wird nur mit Leuten in einen Topf geworfen, die ebenfalls unter Ausschluss der so hilfreichen und Übersicht spendenden Schulterperspektive spielen wollen. Dann geht's wie gehabt ins Flugzeug und bis hierhin und bis zum anschließenden Fallschirmsprung ist zwecks besserer Orientierung noch alles beim Alten. Sobald ihr landet, schaut ihr aber nur noch durch die Augen eures mordlustigen Avatars. Nach wenigen Metern merkt man, dass man das Spiel, auf diese Weise erlebt, gewissermaßen neu lernen muss.

Hier sitzt niemand mehr beinahe unsichtbar in einem Busch und verschafft sich ungesehen Überblick über die Lage. Niemand schaut mehr an Felsen, Bäumen und Häuserwänden vorbei auf seine Feinde, obwohl seine Spielfigur eigentlich nur das Hindernis sieht oder lunzt, die Nase tief im Gras, über eine Hügelkuppe hinweg in das Tal dahinter. PUBG-Spieler sind es gewohnt, sich in Bewegungsrichtung immer an schusssicherer Deckung oder zumindest zuverlässigem Sichtschutz zu orientieren. Nicht ohne Grund machen sich selbst Fans des Spiels ein bisschen darüber lustig, dass gerade das Late Game einer Runde oft ein wenig so aussieht, als würden die Spieler die Ameisen auf der Baumrinde vor ihnen zählen. Im First-Person-Modus muss man sich preisgeben, wenn man den Bereich vor sich sehen will. Und das macht verwundbar.

Autofahren wird zum größeren Risiko, weil es für die Feinde leichter ist, euch zu entdecken als umgekehrt.

Das Spiel kontert fast automatisch die gesteigerte Angreifbarkeit mit einem Minus an Übersicht. Weil man naturgemäß weniger von der Welt sieht, als wenn die Kamera leicht erhöht hinter dem Charakter schwebt, muss man sich mehr umschauen, beziehungsweise sich bewegen, wenn man sich sicher ist, dass der Überlebende, den man gerade stalkt, sich gerade nicht umschaut. Autofahren wird riskanter, weil es bei der wackelnden Sicht im Gelände schwieriger fällt, Feinde zu entdecken, und wer sich auf den Bauch wirft, um möglichst wenig Angriffsfläche zu bieten, der sucht sich am besten eine Stelle, an der das Gras flach ist. Runden, deren Showdowns in Grasfeldern als einschläfernde Zeitlupenversion der Raptoren-im-Dickicht-Szene von Jurassic Park 2 enden, sind damit passé, weil man sich, einmal im Zielkreis, nicht länger ungestraft hinpacken und über seinen Charakter hinweg das Treiben um sich herum beobachten kann.

Allgemein verändert sich euer Verhältnis zur Bewegung im Gelände und den Gebäuden zu den Stellen, die ihr normalerweise für Hinterhalte wählen würdet, zu den Geräuschen, die nun viel wichtiger sind, und überhaupt zu den Schusswechseln an sich. Sperrfeuer ist viel, viel wirksamer, wenn ihr selbst nicht seht, von wo es in eurer Deckung einschlägt. Hier wird auch klar: Battlegrounds wurde ein schwierigeres, ja, sogar grusligeres Spiel. Eben, weil ihr nicht länger wisst, was hinter der nächsten Ecke lauert und euch stets fragt, ob ihr den Kopf aus eurem Versteck recken sollt. Unterm Strich ist es so aber auch fairer, weil ihr euch selbst durch noch so geschicktes Hinstellen keine der unrealistischen Sichtvorteile mehr erspielt, die die Gefechte im klassischen Modus bisweilen sehr einseitig machen. Tatsächlich fühlt sich PUBG sogar deutlich taktischer an, wenn man es in Ego-Perspektive im Duo angeht. In Ermangelung klarer Sicht auf ein Ziel ist klare Kommunikation ebenso Pflicht wie ein verstärkter Einsatz von Hit-and-Run- und Flankiermanövern.

Selbst eine kleine Senke eignet sich nun für Überraschungsangriffe, weil die Gegner nicht länger dank erhöhter Perspektive über Kuppen schauen können. Und ja. Die Runde habe ich gewonnen.

Ich hatte eigentlich auf das Klettern-und-Überspringen-Update als DIE große Umwälzung in Sachen PUBG gewettet. Der First-Person-Modus krempelt aber schon jetzt ganz gewaltig um, wie man diesen Battle Royale erlebt. Schon zu Beginn des Early Access fühlte sich keine Runde an wie die vorangegangene. Aber weil Brendan Greene und sein Team gewillt sind, das Spiel immer wieder tief unten an der Basis anzupacken und zu modifizieren, sehe ich nicht, wie Battlegrounds' Triumphzug jemals an Schwung verlieren sollte. 6,3 Millionen Einheiten sind laut Steamspy bereits unter die Leute gebracht worden - und wenn der Support und der Ideenreichtum so weitergehen, sind ihnen locker noch mal so viele zu wünschen.

PUBG ist ein Spiel mit Vision, das sich - zumindest bisher - auch durch seinen immensen Erfolg nicht dazu drangsalieren lässt, auch nur einen Meter von dem Kurs abzuweichen, der für das Spiel am besten ist. Okay, die angedrohten Mikrotransaktionen für kosmetische Items bereiten ein wenig Kopfzerbrechen, aber dass die kommen würden, war von vorneherein kommuniziert. In allen spielerischen Belangen macht diese Entwicklung dagegen einen ur-robusten Eindruck, durch die Millionen an Fans eher stabilisiert und geerdet statt ins Wanken gebracht werden. Das ist sympathisch, das macht Mut.


Entwickler/Publisher: Bluehole - Erscheint für: PC, Xbox One - Preis: 29,99 Euro - Erscheint am: Early Access erhältlich, finaler Release Ende des Jahres - Sprache: optionale deutsche Bildschirmtexte - Mikrotransaktionen: Ja, Kosmetisches

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