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PUBGs Klettern-und-springen-Update stellt das Spiel auf den Kopf

Und das ist nicht die einzige gute Nachricht.

Zwei Tage lang stellten Bluehole und "Playerunknown" Brendan Greene auf den Test-Servern von Battlegrounds ihre Vision für die 1.0 Version des irrsinnig erfolgreichen Battle-Royale-Spiels (bis dato 21,7 Mio. verkauft, laut Steamspy) vor. Erstmals durften wir das lang ersehnte Klettern-und-springen-Update ausprobieren, das im Vorfeld zu gleichen Teilen meine Fantasie anregte und mich in Angst und Schrecken versetzte, ob der Bugs, das wohl mit sich bringen würde.

Ich meine, denkt mal drüber nach. Aus heiterem Himmel wird eine riesige Map, die niemals dafür gemacht war, zu einem Gerüst für situationsabhängige Klettereien von 100 Spielern pro Server umgebaut. Jeder einzelne Avatar muss zu jedem Zeitpunkt die je nach zu besteigendem Umgebungsobjekt exakt richtige Animation wählen. Ich weiß nicht, ob das noch mein DayZ-Trauma ist, aber wenn ich höre, dass so etwas retroaktiv in ein Spiel integriert wird, spielen sich Horrorszenarien vor meinem inneren Auge ab. Ich denke an Spielfiguren, die unvermittelt Kilometer in die Höhe geschnippt werden, wie ein Playmobil-Männchen mit einem Einweckgummi, plötzlich brechende Knochen oder böse Teleportspäße, über die man erst anschließend ein bisschen gequält lachen kann.

Sowas in der Art.

Mittlerweile kann ich Entwarnung geben. Alles in allem funktioniert die neue Kletterfunktion gut und sieht sogar mit mehr als nur passablen Animationen ordentlich aus. Es wurde so schnell zur Angewohnheit, dass ich jetzt wohl erstmal eine PUBG-Pause einlege, bis das Feature auch auf den normalen Servern integriert ist. Ich spielte nach dem Genuss der Testphase nur eine Partie auf dem kletterfreien Standard-Server, sprang im ersten Haus direkt eine geschlagene Minute wie ein Idiot gegen das Fenster, bis mir einfiel, wo mein Denkfehler war. Tatsächlich transformiert das Update maßgeblich, wie man sich durch die Umgebung bewegt.

Sicher, schon vorher "springduckte" man sich ein bisschen mogelnd durch viele Fenster nach draußen, aber eben nicht durch so gut wie alle, die nicht vergittert waren, wie das jetzt der Fall ist. Das System lässt es sogar zu, den Klettervorgang abzubrechen. Das ermöglicht Situationen, in denen man sich von außen an ein Badezimmerfenster klemmt, sich hochzieht und sieht, dass drinnen gerade besetzt ist. Dann lässt man sich fallen, überlegt, von wo man attackieren soll - oder zieht sich rein und erwischt den Klo-Camper mit heruntergelassenen Hosen. Sprichwörtlich, nicht buchstäblich. Toll, dass auch das Zerscheppern des Glases zur neuen taktischen Überlegung wird.

In zwei Sprüngen zuverlässig auf die Container in Georgopol. Bis vor Kurzem ein frommer Wunsch.

Hat man zum Beispiel den Luxus, sich schon früh an einer guten Position verbarrikadieren zu können, lohnt es sich, die Fenster schon vorher zu zerstören. Im Fall einer Belagerung hoppst man dann mehr oder weniger lautlos nach draußen und kann entweder fliehen oder den Besuchern von hinten heimleuchten. Oder ihr zerschlagt händisch ein Fenster an der von den Angreifern abgewandten Seite des Hauses, um ihnen vorzugaukeln, ihr machtet euch vom Acker. Das Ausprobieren, wie man auf bestimmte Gebilde kommt und durch welche Öffnungen man noch in ein Gebäude gelangt, machte eine Menge Spaß und eröffnete beim Einnehmen besetzter Stellungen ungezählte neue Optionen. Wahnsinn, wie viel taktischer auf einmal alles ist. Ganz zu schweigen davon, dass man um bestimmte Mauern und Zäune jetzt nicht mehr herumrennen muss.

Ein paar Schwächen stecken trotzdem noch im System. Hier und da glitcht man schon noch durch eine Wand oder schaut nach einer seltsamen Kletteraktion gelegentlich durch feste Gegenstände. Der lustigste Bug war aber ein veritables Out-of-body-Erlebnis! Kurz nachdem ich eine mannshohe Mauer überwandte, konnte ich im nächsten Haus keine Gegenstände mehr aufheben oder ablegen. So sah es zumindest aus. Dinge verschwanden aus meinem Inventar, lagen aber nicht dort, wo ich sie abwarf. Ein Freund fand sie. Auf der Mauer, genau an der Stelle, wo ich sie überquert hatte. Erst nachdem dorthin zurückgekehrt war, waren mein realer Körper und mein Inventar-Ich wieder vereint und alles ging seinen gewohnten Gang.

Ich freue mich schon darauf, herauszufinden, welche Verstecke die Community in den kommenden Monaten so auftun wird.

Auch ist das Feature noch ein wenig limitiert: Greifen und hochziehen klappt nur an Kanten, die weniger als einen Schritt vom Spielcharakter entfernt sind. Mit Anlauf eine Kluft zwischen zwei Apartmenthäusern zu übersprungen und am Ende des Fluges die gegenüberliegende Dachkante zu greifen, ist bisher nicht vorgesehen. Das sorgte für gelegentliche Situationen, in denen ich meinte, ich müsste eigentlich einen höheren Ort erreichen können, nach mehrmaligen Versuchen aber scheiterte. Nun, das hier soll wohl so oder so kein Uncharted werden, aber man darf annehmen, dass auch jenseits der schon gut funktionierenden Basics noch daran gearbeitet wird. Unterm Strich zeichnet sich jetzt schon ab, dass wir dieser neuen Funktion nicht umsonst mit so großer Vorfreude entgegensahen.

Spannend wird in jedem Fall die neue Wüstenkarte, die in ihrem Design sicher schon die neuen Kletterfähigkeiten berücksichtigt. Auf Erangel merkt man zwar, dass in den letzten paar Updates hier und da ein paar verdächtig treppenartige Kistenstapel hinzukamen. Ein paar Design-Pässe wird es aber schon noch brauchen, bis die Spieler auch auf der alten Karte das Maximum aus ihrer neuen Beweglichkeit ziehen werden.

Auch nett: Der zerklüftete neue Wald samt Tümpel, der die ehemals weit offene Steppe nördlich des Herrenhauses mit etwas Deckung versieht, ist eine willkommene Ergänzung. Er wird wohl nicht die letzte bleiben, während Bluehole die bekannte Karte weiter an die neuen Kletterfähigkeiten anpasst.

Etwas weniger Aufmerksamkeit bekamen zwei weitere Änderungen, die trotzdem ihren Teil dazu beitrugen, dass die Testphase Mitte der Woche mir ein paar der schönsten PUBG-Stunden schenkten. So wurden neben dem Ballistikmodell der Waffen auch die Fahrzeug-Sounds und das Fahrverhalten überarbeitet. In Sachen Schießeisen werden lange Kunstschüsse jenseits von 300 Metern Entfernung deutlich schwieriger, weil die Projektile nun stärkerem Einfluss der Naturgesetze unterstehen. Das fordert Möchtegernscharfschützen nicht nur mehr, es erlaubt auch eine größere Diversifizierung des Waffenarsenals, weil sich einzelne Kaliber besser voneinander abgrenzen können.

Dass die Fahrzeuge nun noch mehr Gewicht haben, leichter ins Schlittern kommen und allgemein ihre Leistungsdaten stark verändert wurden, kommt unterdessen dem Fahrgefühl sehr zu Gute. Alle Motorengeräusche kommen jetzt nicht mehr monoton nervtötend, sondern angenehm biestig (oder klapprig im Fall des Dacia) daher. Passend dazu vermitteln die Reifen klanglich die Art des Untergrundes und des Kontaktes sehr viel besser und unmittelbarer. Der Buggy ist immer noch eine langsam beschleunigende Einkaufstüte voller rostiger Kochtöpfe, erreicht aber immerhin deutlich höhere Endgeschwindigkeiten. Und gerade die Motorräder machen nun noch einmal mehr Spaß. Auf zwei bis vier Rädern kam am Dienstag und Mittwoch viel, viel Freude auf. Einzig, dass die Grafik nun etwas weichgezeichneter wirkt als auf den normalen Servern, gefiel mir am 1.0 Test-Update nicht. Welche Anpassungen an der Engine dafür verantwortlich waren, vermag ich nicht zu sagen.

Die kommende Wüstenkarte wird wohl ab Werk mit vielen Anpassungen entworfen, die dem neuen Feature eine möglichst große Bühne bieten.

In den letzten Wochen nahm der öffentliche Ton Bluehole gegenüber auf Reddit und in den sozialen Medien einen seltsam negativen Drall an. Der wirkt angesichts des Mitte der Woche vorgestellten Updates auf einmal alberner und mehr am Ziel vorbei als ohnehin schon. Version 1.0, wie sie nun vorgestellt wurde, öffnet mit seinem Kletter-Feature die Karte auf erfrischende Weise und weicht viele eingefahrene Angewohnheiten auf. Augenscheinlich kleinere Anpassungen an den Fahrzeugen und der Ballistik der Projektile bringen unmittelbaren Mehrspaß oder kündigen zumindest auf mittlere Sicht umfassendere Auswirkungen auf das Spiel auf die Distanz an. Und wenn die neue Map auch nur ansatzweise so gut wird, wie sie aktuell aussieht, ist der Boom um PUBG noch lange nicht auf seinem Gipfel angekommen.

Die Änderungen legen nahe, Bluehole weiß genau um die Stärken und Schwächen seines Spiels und arbeitet beflissen daran, diese auszuwetzen. Dass sie darüber hinaus auch die Zeit und die Ideen finden, gewagte neue Funktionen zu integrieren, an die vorher niemand dachte, oder Basics zu überarbeiten, mit denen jeder ohnehin schon zufrieden war, beweist eine Hingebung zu diesem Projekt die den mittlerweile 21 Millionen Spielern signalisieren sollte: Ihr seid in guten Händen!


Entwickler/Publisher: Bluehole - Erscheint für: PC, Xbox One - Geplante Veröffentlichung: Early Access erhältlich, finale Version noch 2017 - Angespielt auf Plattform: PC

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Alexander Bohn-Elias Avatar
Alexander Bohn-Elias: Alex schreibt seit über 20 Jahren über Spiele und war von Beginn an bei Eurogamer.de dabei. Er mag Highsmith-Romane, seinen Amiga 1200 und Tier-Dokus ohne Vögel.
In diesem artikel

PUBG: Battlegrounds

PS4, Xbox One, PC

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