Pure Farming 2018 - Test
Ackern. Rund um die Welt.
Denke ich an Landwirtschaftssimulationen, denke ich an fiese, sterile Grafik und ein Gameplay, das jedes Element der Welt gar nicht erst ausgestaltet, das nicht direkt etwas mit der zentralen Spielmechanik zu tun hat. Das Paradebeispiel ist der Urvater des Genres selbst, der Landwirtschafts-Simulator, bei dem Passanten noch nicht einmal aus dem Weg springen, sondern einfach stufenweise ausgeblendet werdet, wenn ihr sie rammt. Bei dem dieselben Passanten wie Zombies in Anzügen endlos lange um das gleiche Haus herumlaufen. Ist Pure Farming 2018 da besser? Jein. Ihr müsst immer noch hauptsächlich ackern. Aber jetzt könnt ihr das auch vor den hübschen Landschaften Kolumbiens, Japans und Italiens. Und ihr könnt andere Autos rammen. Na wenn das nichts ist.
Die offensichtlichste Änderung zum Landwirtschafts-Simulator ist die Tatsache, dass Pure Farming eine Kampagne bietet - und damit ironischerweise sogar etwas weniger "pure" ist. Aber ja, so richtig mit rudimentärer Story sogar: Der Großvater war für sein Leben gern Landwirt und als Kind durftet ihr schon immer bei der Ernte helfen. Kinderarbeit hin oder her, jetzt seid ihr ganz versessen darauf, in die Fußstapfen eures Vorfahren zu treten und übernehmt seinen Bauernhof. Als Bauer züchtet ihr künftig Vieh und beackert Felder. Und weil das nicht ganz leicht zu lernen ist, ist besagte Kampagne ein richtiges Tutorial, wie es sich gehört. Während ihr euch also beim Landwirtschafts-Simulator von Lektion zu Lektion klickt, nur um zu lernen, wie ihr endlich den verdammten Grubber an euren Traktor hängen könnt, bekommt ihr hier sehr deutlich angezeigt, wo eure Fahrzeuge stehen müssen, damit der Weizen im Anhänger landet. Wer gewillt ist, sich mal als virtueller Landwirt zu versuchen, hier ist der perfekte Einstieg.
Leider ist diese Kampagne aber die einzige und die spielt in Montana, USA - der Staat ist gerade in Mode, siehe Far Cry 5. Die dazugehörige Karte soll angeblich 25 Quadratkilometer groß sein. Weil solche Vergleiche vor allem hierzulande beliebt sind: Das ist etwa ein Hundertstel des Saarlands. Beeindruckend, oder? Schöner wäre es aber doch gewesen, ihr hättet auch richtige Kampagnen in den anderen Ländern zur Verfügung gehabt, gerade weil Montana von allen Orten im Spiel am langweiligsten aussieht. Kolumbien hat Palmen, Hanffelder und Kaffeeplantagen, in Japan gibt's naturgemäß ziemlich viel Reis und der Italiener an sich interessiert sich selbstredend stark für den Olivenanbau. Diese Abwechslung müsst ihr aber im freien Modus genießen, der noch am ehesten dem ähnelt, was euch der Landwirtschafts-Simulator sonst bietet. Ich kann aber sagen: Dort macht das Farmen allein aufgrund der optischen Reize deutlich mehr Spaß, es ist einfach schöner im Hintergrund ein paar Palmen zu sehen als US-Flachland.
Nett ist, dass es allerdings in jedem der besagten Länder eine Reihe von einzeln anwählbaren Herausforderungen gibt. Die könnt ihr noch am ehesten mit klassischen SimCity-Szenarien vergleichen. In Kolumbien droht ein Waldbrand, eure Hanf- und Kaffee-Ernte zu vernichten, in Italien müsst ihr Rohstoffe für eine Oliven-Probe sammeln. Gerade letzteres hat mich wirklich ein bisschen in Urlaubsstimmung versetzt, denn ich mag Oliven sehr. Egal woher eigentlich, aber als besonders herausragend haben sich für meinen Geschmack nicht die glänzenden prallen erwiesen, die ihr in diversen Feinkostgeschäften kaufen könnt, sondern die leicht verschrumpelten, in fragwürdigem Sud schwimmenden, die es von portugiesischen, griechischen oder eben italienischen Ständen auf Wochenmärkten gibt. Wirklich, die hässlichsten Oliven sind die besten. Es sind solche Gedanken, die euch im Kopf herumgehen, wenn ihr eure Oliven erntet, denn wie auch beim Landwirtschafts-Simulator ist das bei Pure Farming eine sehr monotone Arbeit. Ihr stellt euer Fahrzeug richtig ein, fahrt von A nach B und wiederholt das ganze bis ein Feld oder eine Plantage abgeerntet ist.
Zumindest theoretisch dürft ihr dabei Radio hören und zwar richtiges Radio. Im Optionsmenü des Spiels lassen sich beliebig viele Sender eintragen, sofern diese im MP3-Format streamen. Aus irgendeinem Grund ließen sich diese zwar in meinem Fall im Menü erfolgreich testen - funktionierten dann aber im laufenden Spiel nicht. Ich bin mir nicht sicher, ob es sich dabei um einen Bug handelt oder um ein Problem mit den von mir ausgewählten Sendern. So oder so könnt ihr aber auch einfach auf eure eignen MP3s zurückgreifen, eure Musik bleibt euch bei der Farm-Arbeit also nicht versagt.
Trotz Radio fehlt es Pure Farming aber an Lebendigkeit. Es ist ein bisschen mehr als beim Landwirtschafts-Simulator, aber auf eurem Hof passiert einfach nichts. Der ist in der Kampagne schon von Anfang an relativ groß, das geht unmöglich ohne Angestellte. Mal ganz abgesehen davon, dass zu so einem Hof auch frei herumlaufende Tiere wie Hühner gehören oder ein paar Katzen. Ein Hund allein, der euch als Begleiter folgt, hätte Wunder gewirkt. Fahrt ihr ins nächste Dorf, gibt es da zwar Menschen und Autos, aber eben nur wenige. Die scheinen zwar nicht den immer gleichen Zombie-Routen zu folgen, stattdessen laufen sie aber ziemlich sinnlos in der Gegend herum, als hätten sie gerade irgendwas wirklich Schlimmes gemacht und würden jetzt überlegen, wie sie mit der Situation am besten umgehen. Dafür sieht das Spiel aber sonst recht ordentlich aus: Sonnenauf- und Sonnenuntergänge sind hübsch, Gräser wiegen sich im Wind, Vogelschwärme ziehen vorbei. Das geht schon klar.
Wer auf den Landwirtschafts-Simulator wirklich steht, wird mit Pure Farming 2018 aber seine Probleme haben, allein weil die Schwerpunkte hier eben anders gesetzt wurden. Der Landwirtschafts-Simulierer will eben keine Sonnenuntergänge, der will unzählige Landwirtschaftsmaschinen und eben die hat Pure Farming 2018 nicht. Insgesamt gibt es gerade mal gut 50 verschiedene Maschinen, acht Mähdrescher und zwölf Traktoren, außerdem einige irrelevante Anhänger, die aber spielerisch nicht groß ins Gewicht fallen. Zumindest auf dem PC bietet das Spiel dafür eine relativ generöse Mod-Unterstützung. Entsprechende Community vorausgesetzt, könnte da also in Zukunft noch was kommen.
Ich bin aber nun wirklich kein Landwirtschaftsmaschinen-Nerd und diese Detailverliebtheit was verschiedenste Modelle und deren möglichst akkurate Abbildung im Spiel angeht, ist mir einigermaßen fremd. Umso mehr weiß ich da zu schätzen, dass die Entwickler einen kleinen Quadrocopter ins Spiel integriert haben. Mit dem könnt ihr jederzeit euer Landgut überfliegen und dabei nicht nur genießen, was ihr euch aufgebaut habt, sondern in hübscher Augmented-Reality-Optik auch Echtzeit-Daten über die Effizienz eurer Felder abfragen. Braucht der kolumbianische Hanf Wasser? Sind die Oliven reif? Säuft der Reis ab? All das offenbart euch euer Mini-Fluggerät in netten Balkendiagrammen beim Vorbeiflug. Und ich kann dieses Feature gar nicht genug loben, denn das macht so viel mehr Spaß als sich durch sterile Menüs zu klicken. Die Entwickler wussten, dass sie hier ein Spiel machen, keine beinharte Simulation. Gute Entscheidung.
Bevor hier aber ein falscher Eindruck entsteht: Pure Farming 2018 ist immer noch näher am Landwirtschafts-Simulator als es jenen lieb sein dürfte, die um das Genre bislang bewusst einen Bogen gemacht haben. Es ist bei weitem kein neues Harvest Moon mit realistischer Grafik, es nimmt nur ein paar allzu bockige und arbeitsame Features seines Vorbilds und entfernt sie durch zugänglichere, es ist ein wenig hübscher und es hat dafür ein paar weniger Traktoren. Allzu dumme Arbeiten müsst ihr nicht unbedingt machen - ihr könnt tanken ohne zur Tankstelle zu fahren, beispielsweise. Aber ich mag das. Ich will in meiner Freizeit, die ich vor einem Spiel verbringe, nicht zu sehr nachfühlen, wenn es wäre, arbeiten zu müssen. Wobei ich das dann letztlich doch muss, indem ich meine Felder bahnenweise abfahre, aber wenigstens muss ich dann nicht auch noch im Schneckentempo zur Tanke zuckeln. Und ich kann mich über die Palmen und Berge im Hintergrund freuen.
Ich drifte jetzt zum Schluss mal kurz ab und keine Sorge, ich weiß, was ich hier spiele und dass es das ist, was viele möchten. Aber nur so ein Gedanke, der mir während meiner Fahrten kam: Wie wäre es mit fantasievolleren Szenarien? Reisernte im Meteoriten-Schauer, Kaffee säen während die Erde bebt, Hanf rupfen während Aliens angreifen ... vielleicht? Wenn ich weiter oben die SimCity-Szenarien erwähnt habe, so war das nicht umsonst. Auch auf eine Simulation wie diese müsste sich doch eigentlich ein surreales Szenario aufpfropfen lassen, das all dem etwas mehr Pfiff verleiht? Ob das Gedanken sind, die Mähdrescherfahrer auch haben...?
Letzten Endes ist Pure Farming 2018 ein Schritt in die richtige Richtung, wenn wir davon ausgehen, dass der Ausgangspunkt der Landwirtschafts-Simulator ist. Entwickler Ice Flames hat das Spielprinzip behutsam vereinfacht, ohne ihm jedoch den grundsätzlichen Geist eines Arbeitssimulators zu nehmen. Für Jungbauern dürfte das genau richtig sein, darüber hinaus stellt sich jedoch die Frage, wer zu diesem Spiel wirklich passt. Aus mir wird mittelfristig kein Landwirt mehr, so oder so nicht, dafür ist mir das Gameplay dann doch zu eintönig. Und wer wirklich auf die Simulation steht - der wird sie sich vermutlich auch holen. Insofern bietet Pure Farming zwar einen guten Einstieg in die Bauern-Simulation als solche, räumt das Genre aber nicht generell neu auf. Wer schon immer mal virtuell Traktor fahren wollte und es bisher nicht geschafft hat, hier ist die passende Chance. Für alle anderen ist Harvest Moon dann vielleicht doch immer noch die bessere Wahl.
Entwickler/Publisher: Ice Flames/Techland Publishing - Erscheint für:PC, PS4, Xbox One - Preis: etwa 30 Euro - Erscheint am: erhältlich - Getestete Version: PC - Sprache: deutsch - Mikrotransaktionen: Nein