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Quo Vadis: Verbote sind „unvernünftig“ - Medienforscher Christoph Klimmt

„Kulturgüter haben auch Verantwortung“

Auf der Quo Vadis-Podiumsdiskussion "Die Gamesindustrie zwischen wirtschaftlichem Erfolg und Gesellschaftlicher Verantwortung" war unter anderem der Medienforscher Christoph Klimmt von der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz anwesend, der sich über weit mehr als nur die aktuellen Erkenntnisse der Wirkungsforschung äußerte. Der Mann ist anscheinend selbst Spieler, hatte aber nicht nur warme Worte für die Industrie. Da es hier um die Feinheiten geht, geben wir große Teile seiner Aussagen nahezu ungekürzt wieder.

Auf die Frage hin, was man in der Forschung denn wirklich über die Wirkung von gewalthaltigen Spielen wisse, antwortete Klimmt:

"Ein Kausalzusammenhang zwischen Winnenden und irgendeinem Spiel lässt sich nicht mit seriösen wissenschaftlichen Methoden Nachweisen und es ist auch relativ trivial. Die Idee, mit einer auf Gesellschaftsebene angesetzten Regel – 'Wir verbieten was oder schränken den Zugang zu bestimmten Medien ein' – solche exzessiven Einzeltaten verhindern zu können ist… unvernünftig."

"Der Punkt ist nur, wir können anhand vieler, vieler Studien – und da haben wir mittlerweile sehr solide und stabile Befunde – eben zeigen, dass der Gebrauch von Gewaltspielen, wenn über Jahre intensiv betrieben, im Durchschnitt einen Jugendlichen und auch einen jungen Erwachsenen nicht spurlos vorbeigeht."

"Vor allem im Bereich von aggressionsbezogenen Einstellungen, zum Beispiel der Befürwortung von Aggression zur Konfliktlösung. Man kann zeigen, dass Spielern, die viele Gewaltspiele spielen, bei Konflikten, eher aggressive Konfliktlösungsstrategien einfallen als Leuten, die sich von solchen Spielen fernhalten. Der Effekt ist minimal, aber er ist nicht etwas, wo man sagen könnte, das weiß die Forschung nicht genau."

Zum Thema Spiele und Kultur hatte er aber ebenfalls noch etwas zu sagen. Die Feststellung, ein Kulturgut zu sein, sei keine triviale. Damit ginge eine gesellschaftspolitische Verantwortung einher. Über Ostern habe er endlich mal Call of Duty 4 durchgespielt ("eine Sternstunde des Spielspaßes – keine Frage"). Ein Kulturgut behalte aber Wirkung über das Abschalten der Konsole hinaus.

"[Als Kulturgut] transportieren sie Messages. Die Art und Weise wie sie 'Inhalte' verpacken, ist nicht ohne Wirkung für die Gesellschaft da draußen. … Und ich vermisse ehrlich gesagt die Auseinandersetzung über diese Ebene von gesellschaftlicher Bedeutung. Beispielsweise: Wie werden Menschen aus dem Mittleren Osten in den meistverkauften Titeln des Genres FPS typischerweise dargestellt? Ich bin kein Political-Correctness-Fanatiker, aber der Punkt ist, wir wissen aus der Forschung über Fernsehen und Filme, dass gerade solche Angebote unglaubliche Einstellungsbezogene Wirkung entfalten, da wo man es garnicht vermutet. Nämlich dort, wo alles pure Fiktion ist."

"Ein Spielfilm im Kino, der gar nicht böse gemeint war, hat möglicherweise beim Publikum eine stärkere Wirkung auf die Einstellung des Publikums gegenüber Leuten aus dem Mittleren Osten, als man sich das gemeinhin vorstellt. Wenn sie sagen, sie sind ein Kulturgut, dann werden sie sich mit den Folgen der Geschichten der Figuren, die sie da kommunizieren stärker auseinandersetzen müssen, als sie das – nach meiner Wahrnehmung zumindest – bis jetzt tun. Wenn sie so zufrieden sind, mit den Rahmenbedingungen und der Ertragslage [in Deutschland], dann ist es Zeit Leute zu hiren, die sich mit solchen gesellschaftlichen Fragen sehr viel intensiver beschäftigen, als es bisher getan wird."

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Alexander Bohn-Elias Avatar
Alexander Bohn-Elias: Alex schreibt seit über 20 Jahren über Spiele und war von Beginn an bei Eurogamer.de dabei. Er mag Highsmith-Romane, seinen Amiga 1200 und Tier-Dokus ohne Vögel.
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