Skip to main content

R.U.S.E.

Der gute, alte Tank-Rush

Und er funktioniert immer noch: Der gute, alte Tank-Rush. Vorbereitete Gegner lassen sich damit bei R.U.S.E. zwar nicht beeindrucken, doch in einer Multiplayer-Beta, wo man ständig auf Neulinge stößt, wirkt eine kleine Truppe Panzer Wunder. Mit ihnen kann man tief ins Feindesland vorstoßen und so den Nachschub empfindlich stören. Vorausgesetzt, euer Kontrahent ist grün genug, keine Panzerabwehr aufzustellen. Das Ganze mag nicht die feine englische Art sein, aber es zeigt deutlich, das sich das auf den ersten Blick ungewöhnliche Strategiespiel an die Grundlage der Echtzeitstrategiespiele hält: Das Stein-Schere-Papier-Prinzip.

Bis auf die Feldherrn-Perspektive samt virtuellen „Warroom“ unterscheidet sich auch das restliche Gameplay kaum von vergleichbaren Echtzeit-Titeln. Ihr baut Basen, hebt Einheiten aus und attackiert die gegnerische Seite. Doch im Gegensatz zur Konkurrenz sind die Handgriffe schnell zu erlernen und erfordern nur wenig Mikro-Managment. Ohne Trefferzonen, anspruchvolles Ressourcen-Managment und komplexe Zusatzangriffe kommt es auf eure Gesamtstrategie an und nicht auf euer Geschick mit der Maus. Außerdem sorgen die namensgebenden Tricks für genau die Spieltiefe, die man sich auch als Hardcore-Spieler wünscht. R.U.S.E. scheint also die Blizzard-Maxime „Easy to learn, hard to master“ auf den Punkt zu bringen.

Zumindest die PC-Multiplayer-Beta hinterlässt diesen Eindruck. Im 1vs1 beziehungsweise 2vs2 konnten für ein paar Wochen angehende Strategen die Schlachtfelder des Zweiten Weltkriegs besuchen. Angenehm: Wie oben erwähnt, fällt die Ressourcen-Verwaltung einfach aus. In einem simplen Menü werden Versorgungsdepots ausgewählt und auf die entsprechenden fest vorgegebenen Positionen verteilt. Anschließend bewegen sich kleine Transporter auf das Hauptquartier zu. Einfacher geht es kaum.

Der Tank-Rush: Ein paar simple Panzer, die einen unvorbereiteten Gegner schon nach wenigen Minuten in Bedrängnis geraten lassen.

Schon in dieser Anfangsphase sind die globalen Spezialfähigkeiten aka "Ruse" von entscheidender Bedeutung. Erfahrene Spieler aktivieren gleich zu Beginn die Blitzkrieg-Fähigkeit. Jede Einheit in dem anvisierten Gebiet bewegt sich daraufhin mit doppelter Geschwindigkeit. Angewendet auf die Heimatbasis kann man sich so gegenüber unwissenden Spielern einen echten Vorteil verschaffen. Ein Kniff, den ich bei meiner ersten Niederlage erlebte, doch dazu später mehr.

Meine Taktik gegen Neulinge fiel immer gleich aus: Panzerfabrik hochziehen und drei bis vier mittlere Panzer ausheben. Während sich diese auf den Weg in Richtung Feind machen, eine Luftabwehr-Stellung platzieren, falls der Gegner auf Flugzeuge setzt. Auf dem Weg zur Basis Transporter und Nachschubdepots unter Feuer nehmen. Wenn mein Kontrahent schnell genug reagierte und eine Panzerabwehrstellung aufbaute, versuchte ich diese zu umgehen und weitere Depots zu zerstören.

Genau wie bei anderen Titeln ist dabei der ständige Druck von entscheidender Bedeutung. Durch den Angriff auf die Ressourcen kann der Gegner nur reagieren und wird zu unnötigen Gegenmaßnahmen gezwungen. Gleichzeitig fungieren die Panzer als Scouts und offenbaren zusätzlich seine Taktik.

Ihr dürft euch aber nicht täuschen lassen: Kaum trefft ihr auf einen erfahrenen Kontrahenten, gewinnt der Titel an Tiefe. Wie in einem Katz- und Maus-Spiel versucht man, seinen Gegenüber mit einer besonders perfiden Einheitenkombination aus dem Weg zu räumen. Das klassische Stein-Schere-Papier-Prinzip wird dabei durch geographische Gegebenheiten und die Technologiestufe aufgebrochen. Ein Hightech-Prototyp-Panzer, wie der Königstiger, der nur in einer speziellen Basis gebaut werden kann und eine Menge kostet, löscht selbst eingegrabene Infanterie aus, an der normale Panzer scheitern. Doch ein einfacher Fliegerangriff genügt und das edle Stück verwandelt sich in Altmetall.

Die einzelnen Fraktionen besitzen dabei unterschiedliche Stärken. Während die Deutschen getreu in der Realität über starke Panzerverbände verfügen, beeindruckt die Luftwaffe der Amerikaner und die Engländer erfreuen sich einiger prächtiger Artillerie-Geschütze. Das Spiel bleibt so stets abwechslungsreich.

Auch im späteren Verlauf sind Panzer eine schlagkräftige Waffe.

Etwas unlogisch wirken auf den ersten Blick Details wie die Auto-Reparatur der Panzer oder die Möglichkeit, durch Wälder zu schießen. Gameplay-technisch passen diese unrealistischen Elemente aber in das Gesamtbild. Hier geht es um groß angelegte Strategien und nicht um taktische Feinheiten. Außerdem erleichtert es den Einstieg, ohne die Spieltiefe dramatisch zu verringern.

Besonders spannend gestaltete sich meine erste 2vs2-Niederlage. Mit Blitzkrieg gelang meinem Feind ein Schnellstart, der mich unter Druck setzte. Ich hielt mit der erwähnten Luftabwehrstellung und ein paar Panzern dagegen. Mit gelang es auf der englischen Seite einen Challenger-Panzer zu bauen, als der zweite Gegner mich mit einer Artillerie-Salve überraschte. Minutenlang ging es hin und her. Doch durch den geschickten Einsatz verschiedenster Waffengattungen und Spezialfähigkeiten, wie Gebäude- und Einheitenattrappen, Kampffähigkeiten a la Fanatismus – die eure Einheiten länger im Kampf bleiben lässt -, und dem Aufdecken eines Zielareals, gelang es den Angreifern mich immer weiter zurückzudrängen.

Mein 2vs2-Partner war zu diesem Zeitpunkt schon nahezu ausgeschaltet. Nach weiteren 10 Minuten konnte ich nur die Segel strecken, hatte allerdings viel gelernt. Glück und Zufall spielt bei R.U.S.E. kaum eine Rolle. Eine hervorragende Eigenschaft, die gerade im Esport-Bereich für Begeisterung sorgen wird. Lediglich bei der Steuerung und den Kontrollen müssen die Entwickler von Eugen Systems nachlegen, um den Titel fit für ProGaming-Online-Gefechte zu machen.

Wie in einem Brettspiel verwandeln sich die detaillierten Einheiten nämlich ab einer gewissen Entfernung in bunte Spielsteine. Leider werden große Truppenverbände gestapelt. Man verliert so, trotz der genialen Grafik-Engine, etwas die Übersicht. Immerhin begeistert die Optik in jeder Zoomstufe mit einem prächtigen Gesamtbild. Eine Mini-Map wird durch diese Freiheit unnötig. Jetzt nur noch die Einheiten übersichtlicher anordnen und der Online-Krieg kann beginnen.

Zu Beginn war ich skeptisch, ob mich das einfache Spiel-System und die zum Teil unrealistischen Elemente überzeugen können. Doch nach ein paar äußerst spannenden Partien bin ich begeistert. Das Spiel ist eben kein Company-of-Heroes-Konkurrent, sondern eine ganz andere, neue Spielerfahrung. Basierend auf bekannten Strukturen, wird der Fokus auf die übergeordnete Strategie gelegt. Das ist erfrischend und abwechslungsreich. Nicht jeder Spieler wird sich mit dieser Ausrichtung anfreunden können, ich für meinen Teil habe aber richtig Lust bekommen weiterzuspielen. Wenn die Mannen hinter R.U.S.E. nun noch eine vernünftige Kampagne basteln, die nicht so dürftig wie bei EndWar ausfällt, dann erwartet uns hoffentlich noch in dieser Jahreshälfte ein gelungenes Strategiespiel. Wir halten euch, wie immer, auf dem Laufenden.

R.U.S.E. wurde gerade auf das nächste Finanzjahr verschoben. Das Spiel kann also ab April für PC, Xbox 360 und PS3 erscheinen.

Schon gelesen?