Rainbow Six Siege: Blood Orchid beendet eindrucksvoll die Content-Durststrecke
So spielen sich die drei neuen Operatoren.
Es ist eine Weile her, dass sich Rainbow-Six-Fans über neue Inhalte für das spannende Fünf-gegen-fünf freuen durften. Am 5. September geht mit der Blood-Orchid-Erweiterung Ubisofts "Operation Heatlh", bei der die Entwickler grundlegende technische Aspekte des Titels im Sinne der Spielbarkeit überarbeiteten, endlich vorbei. Auf der gamescom verbrachte ich eine gute Stunde auf der neuen Map mit den drei neuen Operatoren und unterhielt mich anschließend mit Brand Director Alexandre Remy über den kontroversen Zug, einem laufenden Multiplayer-Titel mit vielen verkauften Season Pässen ein halbes Jahr keinen neuen Content zu bescheren.
Brachten vergangene Erweiterungen immer zwei neue Operatoren einer länderspezifischen Spezialeinheit sowie eine dazu passende Karte mit sich, sind diesmal drei neue Spielfiguren dabei. Weil Ubisoft die in Polen angesiedelte Erweiterung um die GROM-Einheit (immerhin Gründungsmitglied von Clancys Rainbow-Six-Mischpoke) zugunsten von Operation Health mehr oder weniger strich, teilt der Entwickler deren beiden Operatoren auf die kommenden beiden Seasons auf. Ein Angreifer und zwei Verteidiger mischen kommenden Monat das Meta also kräftig auf.
Das liegt vor allem daran, dass Blood Orchid wieder mehr auf Fallen und das Unschädlichmachen der Gegner zielt. "Es geht darum, die Angreifer zu bremsen, die Entry-Fragger, die schnellen Operatoren, wie Ash", erklärt Remy im Anschluss an die Sitzung. Tatsächlich hatte sich die Spielweise vieler in Richtung schnellerer Vorstöße verschoben. Beginnen wir also mit Lesion, dem chinesischen der beiden Verteidiger. Er wirft getarnte und damit fast unsichtbare Minen auf den Boden, die Feinden, die darauf treten ein Gift injizieren. Das verzerrt ihre Sicht, verhindert dass das Opfer sprintet und zieht im Laufe der Zeit immer mehr Gesundheit ab, bis der getroffene die Nadel aus seinem Bein entfernt. Dann aber steckt er für ein paar Sekunden verwundbar in einer Animation fest. Weil Lesion auf dem HUD angezeigt wird, welche Minen noch aktiv sind, kann er Angriffe auf Getroffene koordinieren oder selbst zuschlagen.
Besonders cool ist, neben den kurzen Hosen, die er trägt, dass Lesion mit drei dieser "Gu" genannten Apparate startet, aber im Laufe des Matches Nachschub bekommt und dann bis zu sieben in den Levels platziert. Ein Cooldown-Timer zeigt an, wann die jeweils nächste verfügbar ist. Mittlere Geschwindigkeit, mittlere Panzerung, eine schallgedämpfte (und wahnsinnig cool aussehende) Schrotflinte (SIX12 SD), eine T-5 SMG Maschinenpistole, sowie Impact Grenades und ein mobiler Schild komplettieren einen spannenden Angreifer. Bisher platzierten die Fallensteller dieses Spiels ihre Defensivmaßnahmen in der Vorbereitungsphase, jetzt verändert Lesion im laufenden Match noch, wo sich Angreifer entlang bewegen können und wo nicht.
Die polnische Verteidigerin Ela verfügt über hohe Geschwindigkeit und leichte Panzerung und besitzt als einziger Operator ein Laservisier auf ihrer Pistole. Die automatische Schrotflinte FO-12 und eine Maschinenpistole (Scorpion EVO 3 A1) mit 50-Schuss-Magazin sowie Stacheldraht und Impact Granaten sind die Basis, ihre vier GRZMOT-Minen dürften aber eher das Highlight sein. Mit klebrigem Schaum versehen, haften sie an jeder Oberfläche, an die ihr sie werft. Wer ihnen zu nahe kommt, hört nichts mehr und sieht verschwommen, was an den Effekt von Echos Drohne erinnert. Schön auch, dass sie immer noch eine GRZMOT in Reserve hat. Sollte sie niedergeschossen werden, erscheint neben der Tasteneinblendung für das Stoppen der Blutung auch die zum Zünden der Reservemine, was sich bestens eignet, um Gegner in der Nähe zu betäuben, und euch so mitunter wertvolle Sekunden Zeit verschafft.
Alles in allem sollten diese Verteidiger die Angreifer angemessen bremsen und vorsichtiges Vorgehen sowie IQs und Twitchs Gadgets noch ein wenig wichtiger machen. Doch auch auf Angreiferseite dreht sich dieses Mal alles um das Außer-Gefecht-setzen der Feinde ohne direkte Todesfolge. Chinesin Yings Gadget ist ein kleines Kunststück in Sachen eleganten Interface-Designs, weil Ubisoft viele Funktionen mit ein und demselben Tastendruck möglich macht. Ihre Candela Granaten setzen bei Detonation sechs Blendladungen frei, die alle Gegner blenden, während ihre Augen davor geschützt sind. Ying kann sie werfen wie eine normale Granate, während beim längeren Gedrückthalten der Taste nacheinander drei Leuchten anspringen, die signalisieren, mit welcher Verzögerung die Candela explodiert. Schaut ihr beim Werfen nach unten, etwa auf die Öffnung einer Barrikade oder zu einem Lüftungsschacht hinunter, vollführt sie automatisch einen Unterhandwurf, um die Candela gewissermaßen zu rollen. Das tut sie dann auch je nach Dauer des Tastendrucks kürzer oder weiter. An zerbrechlichen Oberflächen kann Ying die Candela unterdessen anbringen wie Fuze seine Cluster Charges, damit sie ihre Ladungen in den Raum auf der anderen Seite schießt - wiederum mit der von euch gewünschten Verzögerung.
Das sind sehr nette Facetten, die zeigen, wie viel Zeit seit Veröffentlichung des Spiels verstrichen ist. Die älteren Operatoren waren da noch deutlich simpler und geradliniger, aber auch weit weniger elegant angelegt. Auch Ying greift auf ein frisches Arsenal an Waffen zurück: Sie darf ebenfalls die SIX12 Auto-Schrotflinte nutzen, allerdings in der lauten Variante, während das leichte Maschinengewehr T-95 LSW mit einem 80-Schuss-Magazin sich ideal für Räumungsaktionen nach erfolgreichen Candela-Einsätzen eignet. Ich freue mich schon jetzt auf all die unvorhergesehenen Aktionen in eng umkämpften Matches.
Die neue Karte spielt übrigens in einem verlassenen Themenpark und macht mit alten Arcade-Automaten, Wahrsager-Automaten und Auto-Scootern eine Menge her. Ich bekam in der einen Stunde, die ich spielte, kein so rechtes Gefühl vom generellen Fluss der Matches auf dieser Map, aber ich habe eine Menge Lust, mich hier richtig reinzuknien. Optisch mit Leichtigkeit eine der schönsten Karten.
Doch auch abseits dessen tut sich mit dem kommenden Patch so einiges. Alle Texturen wurden für besseres Dateimanagement überarbeitet. Die Gesichter wurden verbessert, damit sie weniger neanderthalermäßig daherkommen, Rauchwolken sehen nun auf jedem Client identisch aus, um so unfaire, zufällige Vorteile für eine Seite zu eliminieren. Alle Verteidiger mit mittlerer und hoher Geschwindigkeit verlieren ihre ACOG-Zielfernrohre, Munitionsmengen wurden ebenso ausbalanciert wie die Distanz, ab der der Waffenschaden abfällt, vereinheitlicht wurde. Alle Angreifer, nicht nur Twitch, können nun zwei Drohnen gleichzeitig aktiv haben, Trümmer, die ein Spieler gar nicht sehen kann, sollen der Gegenseite nicht mehr die Sicht versperren. Lebendige Spieler bekommen nun Kameravorzug vor solchen, die bereits gestorben sind. Alles toll, alles lang ersehnt. Kontroverser ist da schon die Tatsache, dass die Kartenauswahl für Ranglisten-Matches nun auf neun beschränkt wird, die dann mit jeder Season rotieren. Das bedeutet auch, dass die neue Karte noch nicht in der Ranked-Rotation auftaucht, was verständlich, aber auch ein bisschen schade ist.
Stacheldraht ist nun nicht mehr ganz so effektiv und leichter zu zerstören, Jackals Gegner-Scan pingt nun häufiger die Position des Ziels und Bandits Batterien zerstören Hibanas Ladungen noch während sie zu schmelzen beginnen. IQs Gadget-HUD wurde um Gadgets von Verbündeten erleichtert und entdeckt nun auch Echos Yokai-Fernsteuerung - wunderbar! Die Liste der übrigen Fixes ist zu lang, um sie in diesem oder irgendeinem anderen Artikel auszuwalzen, daher verweise ich euch vertrauensvoll an die offiziellen Patch Notes.
Kaum zu glauben, dass das letzte Inhaltsupdate schon ein halbes Jahr her ist. Noch erstaunlicher ist aber, wie gut die Reaktion auf Operation Health nach dem anfänglichen Backlash wegen der gestrichenen Erweiterung rund um die polnische GROM-Einheit ausfiel. Doch die Zahlen sprechen für Ubisoft. Nach kurzer Freude über die Velvet-Shell-Inhalte im Februar waren die Nutzerzahlen vom März bis Mai diesen Jahres das erste Mal wieder deutlich rückläufig. Mit Operation Health erholten sie sich aber wieder deutlich, um mittlerweile wieder persönliche Bestmarken zu erreichen - ganz ohne neuen Content. Von einem Top-20-Spiel auf Steam ist man mittlerweile solide unter den zehn meistgespielten Titeln auf Valves Verkaufsplattform - und das rechnet allein über Uplay abgesetzte Exemplare noch gar nicht mit ein. Alexandre Remy vom Rainbow-Six-Team hat das sehr überrascht.
"Das war eine exzellente Überraschung, die zeigt, wie sehr die Spieler an diesem Titel hängen. Aber es ist verständlich, dass nicht alle begeistert waren. Operation Health war ein kleines Opfer, das wir bringen mussten - dass wir die Leute auf neuen Content warten ließen", bekundet er. "Wir waren besorgt, wie diese drei Monate - sechs Monate sogar, wenn man von Februar rechnet, als Velvet Shell erschien - in denen kein neuer Content erschien, sich auf Spiel und Community auswirken würden und ob die Spieler uns die Treue halten würden. Aber die Zahlen entwickelten sich gut, die Leute genießen das Spiel weiterhin und jetzt mit dem Ende von Operation Health muss ich sagen, dass es eine gute Entscheidung war, das jetzt zu machen."
Die polnische Map, die lange in der Entwicklung war, liegt unterdessen trotzdem bis auf weiteres im Schrank. Tatsächlich überdenken die Entwickler gerade gründlich, ob sie den eingeschlagenen Weg mit vier Maps pro Jahr weiterverfolgen wollen. "In diesem Spiel gibt es so viel zu lernen und meistern, Winkel, Bombenorte, Operatoren, Waffen", so Remy. "Jede neue Karte ist eine wahnsinnige Veränderung und wenn man darüber nachdenkt, wie neue Spieler hinzukommen und wie bereits vorhandene Spieler irgendwann eine gewisse Beherrschung der Maps erreichen wollen, finden wir, dass wir in der Zukunft möglicherweise die Zahl der jährlichen Karten zurückschrauben. Ich glaube, das ist ab einem gewissen Punkt eine Notwendigkeit. Auch weil die Operatoren schon den Job übernehmen, das Spiel lebendig und immer frisch zu halten." Dass wir die polnische Karte irgendwann doch noch sehen, will Remy nicht ausschließen. Mit der Bartlett University gab es ja bereits einen Präzedenzfall für eine Map, die außerhalb des üblichen Veröffentlichungszyklus erschien.
So oder so: Es wird wieder Zeit für ein bisschen Rainbow Six. Neue Waffen, neue Gadgets und eine wunderschöne neue Karte - nach dieser einen Stunde (einmal in drei Runden MVP gewesen!) hatte ich direkt Lust, mich tief reinzuknien in das neue Update. Eine Woche noch. Das halte ich durch.