Rainbow Six Siege ein halbes Jahr später: Besser als je zuvor
Gute Updates bescheren dem Shooter höhere durchschnittliche Userzahlen als The Division.
Hier wissen ja so ziemlich alle, dass ich ein großer Fan von Rainbow Six Siege bin. Wie es nun scheint, bin ich damit zum Glück nicht alleine. Dank der regelmäßigen Updates und der vorübergehend für nur 15 Euro erhältlichen Probierversion erfreut sich das Spiel heute ebenso großer aktiver Nutzerzahlen wie im Launch-Monat Dezember. Laut Steam Charts ist das Spiel stabil unter den ersten 30, 8.000 Leute spielen durchschnittlich, zu Stoßzeiten sogar 13.000 zugleich. Vergleicht man das mit Ubisofts Kassenschlager The Division, sind die Zahlen über den Daumen gepeilt aktuell doppelt so gut. Und das bei ungleich weniger verkauften Einheiten.
So umstritten der Gedanke eines reinen Mehrspieler-Rainbow-Six zunächst auch gewesen sein mag - und die Quittung waren wohl Verkäufe, die man als "solide, aber nicht bahnbrechend" bezeichnen darf: Das Spiel halt sich im Gespräch und zahlt das in es gesetzte Vertrauen mit konstanter Nutzerbasis zurück. Bei einem Titel, der sich zum Teil über kosmetische Mikrotransaktionen finanziert, dürfte die gute "User Retention" für Ubisoft das wichtigste Maß für den Erfolg des Projektes sein. Wir Spieler messen den naturgemäß ein wenig anders. Gleichfalls freut natürlich die große Zahl aktiver potenzieller Mit- und Gegenspieler.
Jeder einzelne davon ist vollauf verdient. Als im Mai das zweite Content-Update Operation Dust Line erschien, frischte das den Ablauf mit einer neuen Map, die jeder spielen konnte, und zwei neuen Operatoren auf. Der zerbombte mehrstöckige Checkpoint "Border" im Nahen Osten, mit Treppenhäusern, einem Außenbalkon, vielen engen Räumen und einem nach oben offenen Loftbereich, ist schwierig zu verteidigen. Einige Wände verfügen über Lüftungsöffnungen im oberen Viertel, durch die gerne mal Granaten geflogen kommen. Im Gegensatz zur im Eis eingeschlossenen Jacht des letzten DLC ist diese Map nicht ganz so erinnerungswürdig, aber spielerisch immer noch recht interessant.
Blackbeard und Valkyrie stellen unterdessen schöne Ergänzungen zum Charakter-Roster dar. Valkyrie ist jetzt der beste Roamer - also "offensiver Verteidiger", der sich frei über die Karte bewegt, um den Angreifern in den Rücken zu fallen. Sage und schreibe vier eigene Kameras platziert die Navy-Seal-Soldatin völlig frei im Level und schafft damit beste Voraussetzungen, die Jäger zu Gejagten zu machen. Blackbeard ist dagegen der beste Mann, wenn es darum geht, sich abzuseilen. Auf seine Waffe montiert er einen kugelsicheren Glasschild. Der schützt ihn vor Kopfschüssen und lässt ihn ungefährdet vom Seil hängend ganze Räume dominieren.
Wenn das so weitergeht - im Sommer erscheinen die brasilianischen Operatoren samt eigener Map, im Herbst die japanischen -, wird das Spiel lange frisch bleiben. Vor allem besticht in der Hinsicht, wie auch die alten Operatoren anhand der Spielerstatistiken verbessert werden - und wie sich diese Änderungen auf die anderen Agenten auswirken. Erst gestern wurde mit dem Update 3.3 (hier gibt's Ubisofts Changelog) der Laser-Sprengfallenmann Kapkan gewaltig gebufft, weil seine Explosiva nicht mehr so leicht zu erkennen sind und er sie auf beinahe beliebiger Höhe ansetzen darf. Das wird in der Folge Call-of-Duty-Sturmtaktiken aushebeln und für mehr Vorsicht aufseiten der Angreifer sorgen. Auf der richtigen Höhe angebracht, können sogar Schläge auf verbarrikadierte Türen die Bomben auslösen.
Das wiederum dürfte dazu führen, dass mehr Angreifer wieder Wandsprengsätze mitführen und Agenten wie der etwas unterschätzte Thatcher und vor allem die kaum genutzte IQ mit ihrem Elektroniksensor deutlich wichtiger werden (auch wegen Valkyries Kameras). Auch der Radius von Mutes EMP-Jammer wurde erhöht und deckt nun manches Mal zwei Türen und zwei Segmente befestigter Wände ab. Gleichzeitig ist das Gerät mit Drohnen noch schwieriger zu überspringen. Nicht nur neue Operatoren verändern ein wenig die Art und Weise, wie das Spiel abläuft, auch kluge Buffs und Nerfs schwappen auf das restliche Agentenfeld über und lassen einen auch nach einer fast dreistelligen Spielstundenzahl noch eingefahrene Taktiken überdenken und neue Facetten an einem ohnehin schon irre vielschichtigen Spiel entdecken. Zusätzlich darf man nun endlich während der Wartezeiten zwischen den Runden sein Loadout ändern, um sich auf Maps oder unvorhergesehene Spielsituationen einzustellen.
Auch die Hacker sind meiner Spielerfahrung nach mittlerweile gut im Griff. Aus jeder zweiten Partie schmeißt das Fairfight-System gefühlt jemanden recht zügig raus und ich habe in den letzten Tagen nicht den Eindruck gehabt, aufgrund mogelnder Gegenspieler zu verlieren. Was jetzt noch fehlt, ist ein neuer Spielmodus. Es ist beachtlich, wie viel ungebrochenen Spaß Siege noch immer aus drei Modi zieht, die in fast 70 Prozent der Fälle mit der Auslöschung eines der beiden Teams enden und sich damit nicht grundlegend anders anfühlen. Eine neue Variante, vielleicht eine, die die Rollen im Verlauf des Kampfes ein wenig umkehrt und mehr zielgerichtete Bewegung über die Karten erfordert, wäre eine gute Idee. Es ist ein bisschen schade, dass wir bis heute nichts in der Richtung von Ubisoft gehört haben. Aber vielleicht ändert sich das ja schon mit dem kommenden Brasilien-Update?
Klar, wenn man die aktuellen guten Zahlen von Rainbow Six Siege neben ein Counter-Strike: GO hält, ist das kein Vergleich. Aber damit hielte man trotz thematischer Nähe letzten Endes ein Computerspiel neben eine Lebensart. Beachtlich ist sie trotzdem, die stabile Basis, auf der das Erlebnis sich gründet und die selbst im Angesicht einer Mammutveröffentlichung wie Overwatch nicht spürbar ins Wanken gerät.
Ubisoft mag mit der ursprünglichen Veröffentlichung nicht für den größten Knall gesorgt, einige Fans vielleicht sogar vergrätzt haben. Aber dieses Spiel ist ausnehmend gut, unglaublich belohnend und geht so schnell nirgendwo hin. Das ist eine nette Bestätigung für Leute wie mich, die ständig, gefragt oder ungefragt, jedermann damit in den Ohren liegen, was man verpasst, wenn man Rainbow Six Siege nicht eine Chance gibt.