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Rainbow Six: Siege setzt sich von anderen Shootern ab

Spannend, taktisch und clever ausgearbeitet - ein vielversprechender Anfang.

Dieser Tage scheinen viele Militär-Shooter eine Identitätskrise durchzumachen. Sie wollen tiefschürfende, bedeutungsvolle und dramatische Erlebnisse über die Grauen des Krieges vermitteln, dabei aber nicht auf den spaßigen, unbeschwerten Adrenalinschub verzichten. Sie wissen, ihr beliebtestes Feature ist der Mehrspielerpart, konzentrieren sich trotzdem auf eine filmreife, gescriptete Einzelspielerkampagne, weil das all die coolen Kids ebenfalls machen. Sie wollen Größeres und Komplexeres liefern, aber das schreckt Neulinge genau so ab, wie es Alteingesessene begeistert.

Rainbow Six: Siege weiß dagegen genau, was es ist: ein narrativ dünner, auf Multiplayer ausgelegter Taktik-Shooter in kleinen, dynamischen Umgebungen. Und das ist gut so.

Ubisoft gibt zu, dass es bei der Wiederbelebung der verloren geglaubten Shooter-Marke zuerst den Mehrspielermodus entwickelte. Immerhin dürfte jegliche Storyline kaum interessanter sein als die Geiselnahmen, die man mit echten Menschen zusammenspielt. Und obwohl die minimalistische Erzählweise wenig Kontext für das Geschehen liefert, ist ihr doppeldeutiger Rahmen offen für Interpretationen.

Auf den ersten Blick scheint es, als würde das Überfallkommando jemanden retten wollen, der als Geisel gehalten wird. Aber wenn man aufseiten der Kriminellen spielt, fühlt es sich fast so an, als würde man sie vor schwer bewaffneten Eindringlingen beschützen, die sie extrahieren wollen. Die Art und Weise, wie sie in die Spionagedrohne blickt und um Rettung fleht, widerspricht dem natürlich. Aber ich entscheide mich einfach mal dafür, das nicht gesehen zu haben - willentliche Aussetzung der Ungläubigkeit und so. Bei allem, was wir wissen, könnte Siege in einer nazibeherrschten alternativen Zeitlinie spielen, in der wir auf noble Weise eine arme Frau vor der Big-Brother-artigen Gesellschaft bewahren, die sie gefangen nehmen will.

Die Gameplay-Demo auf Ubisofts E3-Konferenz nahm ein weltweites Publikum für sich ein.Auf YouTube ansehen

Auf jeden Fall ist es eine "sie", zumindest in der Demo. Ein McGuffin in Form einer barfüßigen, blonden Frau, die nicht mehr als eine Flagge darstellt, die es zu erobern gilt. In einem Vakuum wäre daran nichts verkehrt. Im aktuellen Klima der Industrie jedoch wirkt es überholt. Hoffentlich drehen sich andere Level und Spielmodi um weniger klischeebeladene Ziele. Ich schlage vor, Ubisoft hält es mit Spelunky und entwirft Missionen, in denen man einen gekidnappten Mops befreien muss.

Egal, der Fokus liegt nicht darauf, was oder wen man sich schnappt beziehungsweise beschützt. Auch das Warum ist egal. Hier geht es um das Wie. Und darauf kann man in Rainbow Six: Siege eine ganze Menge unterschiedlicher Antworten geben.

Als Krimineller startet man jedes Match mit einer Minute Zeit, in der man seine Verteidigung errichten kann. Man verfügt über unendliche hölzerne Barrikaden, um Türen und Fenster zu versiegeln. Auch einige verstärkte Barrieren gibt es, will man Teile der sehr zerstörbaren Wände ein bisschen undurchdringlicher machen.

Während sich die Gauner auf den Kampf vorbereiten, schickt das Rainbow-Six-Team ferngesteuerte Drohnen rein, mit denen man ausspionieren kann, was das gegnerische Team so treibt. Sehen die Verbrecher die Drohne, können sie sie zerstören, aber sie sind klein, schnell und schwer zu sehen, wenn man nur 60 Sekunden Zeit hat, eine klapprige Festung zu errichten.

Ist die Planungsphase vorüber, geht es zur Action über. Während das Rettungsteam Wände durchbricht und sich an der Außenwand des Hauses abseilt, prüfen die Kidnapper etwa Video-Feeds der Überwachungskameras auf Feindbewegungen. Dieses spannende Katz-und-Maus-Spiel bietet asymmetrisches Spieldesign höchster Güte, bei dem jede der einzigartigen Teamfähigkeiten ein Talent der Kontrahenten aushebelt.

Die Zerstörung von Wänden und Böden spielt eine große Rollen in Rainbow Six: Siege.

Nachdem ich beide Seiten dieses entwaffnend cleveren Prinzips gespielt habe, imponiert es vor allem, wie viele Möglichkeiten es gibt, seine Gegner psychisch zu terrorisieren. In einer Situation spielte ich als Bandit, als das SWAT-Team per Sprengsatz eine Wand durchbrach. Während sich der Rauch verzog, rannte ich in den anderen Raum, hoffend, einigen Eindringlingen in die Seite zu fallen. Aber sie kamen überhaupt nicht rein. Stattdessen war der Sprengsatz nur eine Ablenkung, damit einige von ihnen ungesehen von hinten die Außenwand herunterklettern konnten, während unsere Aufmerksamkeit auf die Explosion gerichtet war. Nicht schlecht, Rainbow Six.

Es gibt immer noch so vieles, das wir über Rainbow Six: Siege noch nicht wissen. Seine Einzelspielerkampagne ist bestenfalls ein Embryo dessen, was uns einmal erwartet und über andere Spielmodi hüllt man sich noch in Schweigen. Aber das allgemeine Wechselspiel zwischen Bewachern und denen, die ihnen ihre Beute abspenstig machen wollen, ist schon jetzt sehr ausgefeilt und verspricht nur, sich nur noch weiter zu entwickeln, je besser man Maps und Arsenal kennenlernt.

Basierend auf dem Bisschen, das ich bereits sehen und spielen konnte, ist Rainbow Six: Siege nicht unbedingt ein echter Querdenker, aber es weiß bestens, was es ist. Es ist nicht Battlefield, nicht Call of Duty oder Titanfall. Und es ist nicht Killzone. Stattdessen ist es Counter-Strike mit einem Schuss Panic Room und einer gesunden Dosis von Minecrafts Bauen und Zerstören. Keine seiner Einzelkomponenten ist einzigartig, aber sie ordnen sich elegant zu einer geschlossenen Vision.

In einer Zeit, in der jedes Triple-A-Spiel versucht, wie jedes andere Triple-A-Spiel zu sein, setzt sich Rainbow Six: Siege wirklich ab: Als eine spannende Imitation der aufregendsten vier Minuten eures liebsten Heist-Films.

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