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Raskulls

Gewagte Mischung

Als erfahrener Spieler bereitet man sich stets auf die kommenden Monate vor, markiert sich im geistigen Kalender alle wichtigen Titel, die gespielt werden müssen, und sortiert schon vor dem Release uninteressant scheinende Kandidaten aus. Dank der langjährigen Erfahrung mit dem eigenen Geschmack merkt man bereits an kurzen Videos oder Previews, ob einem das Produkt gefällt. Obwohl dadurch recht selten ein Griff ins Klo folgt, schiebt man leider auch viele Schätze in eine Schublade mit den belanglosen Spielen.

Natürlich erkennt ihr sicherlich, wohin diese Einleitung führt. Raskulls gehört für mich in die letzte Kategorie. Bevor der Titel erschien, sah ich mir ein kurzes Video an und speicherte es als langweilig ab. Wie falsch ich mit dieser Aussage lag, sollte sich während des Tests herausstellen, als ich den Controller das erste Mal aus der Hand legte und entgeistert auf die Uhr blickte. Fünf Stunden waren verstrichen, in denen ich drei entgangene Anrufe überhörte und sogar das Abendessen versäumte. Immerhin hatte ich noch daran gedacht, zu atmen.

Aber wie konnte ich mich dermaßen täuschen? Seht euch ein kurzes Gameplay-Video an und einige folgen sicherlich meinem ersten Gedankengang: „Eine Mischung aus Mr. Driller und Mario Kart? Sieht ja ganz nett aus, aber für mehr als 15 Minuten kurzweiligen Spaß reicht das niemals."

Zwei wichtige Faktoren zog ich bei dieser schlampigen Analyse nicht in Betracht. Zum einen faszinieren die Rennen vor allem im Multiplayer und zum anderen erstickt die Kampagne mit abwechslungsreichen Modi jegliche Reputation im Keim. In dieser wandert ihr auf einer Oberweltkarte zu den verschiedenen Aufgaben und schaltet durch erfolgreiche Bewältigung weitere frei. Für erledigte Missionen in den knapp über 50 Levels erhaltet ihr Medaillen, die euch den Zugang zu verschlossenen Gebieten ermöglichen.

Die Blasen über den Köpfen zeigen das jeweilige Power-Up an.

Jeder Aufgabentyp enthält das Grundprinzip aus Mr. Driller. Ihr habt Flächen aus farbigen Blöcken vor euch, die ihr mit einem kurzen Schlag verschwinden lasst. Dabei formen sich alle Blöcke der gleichen Farbe zu einem großen Klotz, sobald sie sich berühren. Anstatt wie in Mr. Driller nur einen Weg nach unten zu suchen, ohne von den herabfallenden Steinen getroffen zu werden, habt ihr immer verschiedene Ziele, die sich alle um dieses Element drehen.

So stehen euch die Blöcke in den Rennen als Hindernisse im Weg, die ihr schnellstens beseitigt, um vor den drei Konkurrenten das Ziel zu erreichen. Neben den normalen Klötzen befinden sich außerdem Wasserblöcke zum Schwimmen und Lavazellen in den verwinkelten Kursen. Haltet euch in bestimmten Feldern auf, zerstört normale Blöcke oder sammelt auffällige Behälter ein und ihr erhaltet Energie für eure Frenzy-Leiste, die per Tastendruck für einen kurzen Temposchub sorgt. Dazu gesellen sich die Power-Ups à la Mario Kart. Zum Glück ohne eine Art blauen Panzer.

Da sogar das beste Spielprinzip irgendwann an Reiz verliert, besteht mehr als die Hälfte der Aufgaben aus kleinen Variationen. Neben obligatorischen Checkpoint-Rennen begeistern mich vor allem die Rätseltypen. In einem der Modi erhaltet ihr nur eine festgelegte Zahl an Aktionen, um durch ein Feld von Blöcken nach unten zu gelangen. Hier will jeder Zug gut überlegt sein.

In einem anderen Level sollt ihr bestimmte Formen kreieren oder zwischen den Steinen nach oben klettern, was eine gehörige Portion Umdenken verlangt. Der ausgewogene Wechsel zwischen diesen ruhigen Rätselaufgaben und den aufregenden Sprintleveln lässt das Wort „langweilig" wie ein Relikt vergangener Tage erscheinen.

Leider könnt ihr im Multiplayer nur in Rennen gegeneinander antreten.

Zwischen den drei Kapiteln, die erfahrene Spieler vier bis fünf Stunden beschäftigen, erwarten euch kurze Zwischensequenzen, die durch ihre unerwarteten Pointen für Gelächter sorgen. Oder durftet ihr schon mal die Entscheidung treffen, ob sich euer Charakter nach einer Trennung in Selbstmitleid baden soll? Lasst euch von dem Knuddel-Look keinesfalls abschrecken.

Es beschämt mich richtig, diesen großartigen Titel wegen eines verfrühten Urteils fast verpasst zu haben. Raskulls gehört zu den Titeln, die XBLA definieren. Für zehn Euro erhaltet ihr eine innovative Gameplay-Mischung mit einfallsreichen Ideen, die euch für ein paar Stunden ohne wirkliche Schwächen unterhält. Einige widmen ihre Aufmerksamkeit nach den Credits direkt einem neuen Spiel. Andere versuchen sich an den optionalen Missionen und packen es von Zeit zu Zeit wieder hervor. Eines bleibt hingegen gleich: Das wohlige Gefühl, etwas völlig Einzigartiges erlebt zu haben.

Raskulls steht ab sofort für 800 Microsoft Punkte zum Download auf Xbox Live bereit.

9 / 10

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Björn Balg Avatar
Björn Balg: Freier Autor und wahrscheinlich der letzte Mensch ohne einen Facebook-Account. Liebt Trash und verbringt zu viel Zeit mit dem Ansehen von Katzenvideos.

Informationen zu unserer Test-Philosophie findest du unter "So testen wir".

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Raskulls

Xbox 360

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