Raubkopien am PC - wie schlimm ist es wirklich?
DRM oder kein DRM, das ist hier die Frage.
Dieser Artikel erscheint mit freundlichem Gruß von unseren englischen Kollegen von Eurogamer.net auf Eurogamer.de. Das Original verfasste Senior Staff Writer Robert Purchese. Übersetzung von Alexander Bohn.
"Täuscht euch nicht", sagte SEGA letzte Woche. "Wenn nur ein Viertel der Leute, die den [Football Manager] normalerweise raubkopiert darauf umsteigt, sich Football Manager 2012 zu kaufen, dann wären die weltweiten Verkaufszahlen mehr als doppelt so hoch." So lautete die aufschlussreiche Statistik, die der Hersteller als Argument für die Steam-Pflicht von Football Manager 2012 anführte. Anders ausgedrückt: Mehr als 80 Prozent der Leute, die Football Manager spielen, tun dies mit einer Raubkopie.
Ist die Piraterie auf dem PC wirklich so stark?
"Der Grad an Piraterie variiert je nach Land zwischen 40 und 80 Prozent", so reinhard Blaukovitsch von Sony DADC, der Firma, die für SecuROM verantwortlich zeichnet, zu Eurogamer im Rahmen einer Untersuchung bezüglich der wahren Auswirkungen der PC-Spielepiraterie. Das würde bedeuten, dass zwischen 40 und 80 Prozent aller Spiele, die gespielt werden, raubkopiert wären. "Der kommerzielle Wert der globalen Software-Piraterie wächst jährlich um 14 Prozent."
Im Januar dieses Jahres enthüllte UKIE - ein Konsortium britischer Spiele-Publisher -, dass für jedes verkaufte Spiel vier raubkopiert würden.
"Wir haben versucht, die wirklichen Verluste zu quantifizieren", sagt Christian Svensson von der PC Gaming Alliance und Capcom, "und das ist unglaublich schwer, weil man am Ende eine Kaskade an Annahmen hat, die man nicht wirklich validieren kann."
"Es ist unmöglich, herauszufinden, wie schlimm die Piraterie ist", stimmt Michael Pachter, Analyst bei Wedbush Morgan Securities zu. "Aber sie ist ziemlich schlimm. Ubisoft erzählte mir, dass ihre PC-Spieleverkäufe um 90 Prozent gefallen sind, ohne eine entsprechende Erhöhung bei den Konsolen. Ein Teil der Einbußen entsteht dadurch, das die Spieler auf Konsolen umsteigen, aber meine Schätzung ist, dass 40 bis 50 Prozent der gespielten PC-Games nicht gekauft wurden."
Harte Zahlen und Fakten sind demnach schwer zu bekommen. Eurogamer fragte diverse Publisher nach entsprechenden Statistiken, unsere Nachfragen blieben jedoch ertraglos. Sony DADC beruft sich auf "diverse Quellen". Andere Firmen, mit denen wir sprachen, erwähnten Nachforschungen von Firmen wie der ESA und DFC Intelligence, andere überwachen BitTorrent-Statistiken. Wieder andere greifen auf Daten aus vom Einzelhandel zurück. Und es ist nicht unüblich, dass sie alle zusammen genutzt werden.
"Wenden wir die Debatte ab von den Verkäufen und widmen wir uns der Zahl der legitim verkauften Exemplare im Vergleich mit der Menge an Kopien, die illegitim heruntergeladen werden. Ganz unabhängig davon, wie viele dieser Leute tatsächlich zu legitimen Usern konvertiert werden könnten", so Svensson weiter. "Ich würde sagen, am unteren Ende der Schwelle - und die variiert stark von Territorium zu Territorium und von Marke zu Marke, größere Marken werden stärker raubkopiert - liegt das Verhältnis bei 50/50. Das ist wie gesagt das untere Ende."
"Am oberen Ende sehen wir Raten von bis zu 90 Prozent illegitimer gegenüber 10 Prozent legitimer Benutzer", sagt Svensson. Und die sind nicht, was er "Verbrechen ohne Opfer" nennt. Er sagt, beim Capcom-Support würden Anrufe eingehen von Leuten, die Raubkopien spielten. "Die Leute sind sich nicht einmal bewusst, dass es falsch ist", zuckt er mit den Schultern. "Die wissen nicht, dass es Diebstahl ist. Es ist ein kulturelles Problem. Und man kann sehen, dass die Sensibilität für dieses Thema von Land zu Land stark schwankt."
"Ubisoft erzählte mir, dass ihre PC-Spieleverkäufe um 90 Prozent gefallen sind, ohne eine entsprechende Erhöhung bei den Konsolen."
Michael Pachter, Analyst, Wedbush Morgan Securities
Eine ganze Weile schon versuchen die Publisher, ihre Spiele vor Piraten zu schützen. Bei der Weltraum-Saga Elite gab es Lenslok, ein Gerät durch das man das verzerrte Bild einer Zahl auf dem Bildschirm entziffern konnte. Einige Publisher bohrten gar Löcher an bestimmten Stellen in die Floppy Disks. Auch gab Passwort-Abfragen, bei denen man im Handbuch des Spiels nachschlagen musste, um bestimmte Schlüsselwörter oder Sätze zu finden. Dieser Tage entscheiden sich die Firmen für DRM - Digital Rights Management.
Aber hat es auch einen Effekt auf die Spiel-Piraterie?
"Es gibt keine öffentlichen Daten, die darauf hindeuten, dass DRM funktioniert", sagt Pachter, "aber die Tatsache, dass mehr Firmen es ihren Spielen auferlegen deutet doch stark darauf hin, dass sie glauben, es würde funktionieren."
Svensson ist überzeugt, dass es funktioniert: "Durch das DRM kann ein Publisher die Profitabilität eines Projektes in bedeutendem Umfang steigern. Aber ich würde auch einwenden, dass es ebenso viel mit einem Ökosystem zu tun hat, in dem Inhalte nicht unilateral erhältlich sind. Das bedeutet, dass DRM nur wirklich effektiv ist, wenn eine breite Masse von Teilnehmern es auch nutzt. Denn wenn es einen Inhalt gibt, den der Gewohnheits-Pirat nicht raubkopieren kann, dann ist das o.k. Er wendet sich dann einfach dem nächsten Inhalt zu bei dem das geht."
"Es erfordert also gewissermaßen eine Solidarität unter den Publishern, will man diese Investition machen. Und ich sage bewusst Investition, denn es kostet Zeit, Geld und Mühe, DRM zuverlässig zu integrieren und zugleich die Auswirkungen auf den Verbraucher zu minimieren. Was du gefragt hast ist also eine schwierige Frage. In Wirklichkeit braucht es drei Prozent zu Käufern eines Spieles konvertierter Raubkopierer - eine recht kleine Menge - um den tatsächlichen Umsatz und die Profitabilität eines Titels spürbar zu beeinflussen."