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Raw Data - so müssen VR-Spiele aussehen

Wenn die Brille bis unter den Rand mit Schweiß vollläuft...

Ein bisschen ruhig ist es schon geworden um VR. Zu ruhig, wenn ihr mich fragt. Es ist wohl das große Warten, bis Sony in zwei Wochen der Idee einen neuen Tritt gibt und sie zum vergleichsweise erschwinglichen Preis auf eine mögliche Nutzerbasis von weit über 40 Millionen Spieler loslässt. PlayStation VR ist damit wohl der beste Botschafter der Idee virtueller Realität, nachdem Oculus' Tech-Wunderkind und VR-Pionier Palmer Luckey nach aktuellen Entwicklungen zum Unberührbaren der Branche zu werden droht und HTC sich ein bisschen fahrlässig in den Kopf gesetzt hat, die kostspielige und raumhungrige Technologie für sich selbst sprechen zu lassen.

Und ok, es spricht nichts dagegen, die anderen die Laber-Arbeit machen zu lassen und den Fahrtwind eines indirekten Wettbewerbers zu nutzen. Nicht, wenn es den Fokus dann doch noch auf die besonderen Spiele lenkt, die es so in keiner Form auf konventioneller TV- oder Monitortechnik gibt. Raw Data für das HTC Vive ist eines davon. Der Early-Access-Titel versprüht schon jetzt einen Grad an Politur, der ihn zu einer leichten Empfehlung für alle Besitzer der Hardware macht. Spielerisch klingt "wellenbasierter Mix aus Lichtschwert-Nahkampf und Pistolenschießerei an zu beschützenden Hotspots" jetzt nicht nach dem großen Bringer, aber es sind die Werkzeuge, die einem Raw Data buchstäblich in die Hand gibt, die das Erlebnis geradezu lächerlich einnehmend und schweißtreibend machen.

Worum es geht? Irgendwo in Megacity Drölf herrscht eine ebenso "Mega" Corporation - wer sonst? Die Regierung? Pfff... - und man selbst darf optional mit einem Freund deren kostbare Daten klauen. Natürlich ist jedes der zu knackenden Datenzentren von zahllosen Fließband-Robotern mit unterschiedlichen Talenten bewacht und verwandelt sich in eine schrottproduzierende Baller- beziehungsweise Schnetzelarena, sobald ihr allzu lange Finger macht. Erwarteterweise ist die zentrale Aufgabe das Mengenmanagement unterschiedlicher Feindgattungen, was allein durch die Tatsache, dass man in der Arena theoretisch vollkommen frei umherlaufen kann, sofern nur das Spielziemmer groß genug ist, viel an Taktik und nicht zuletzt echter und ehrlicher physischer Beklemmung auslöst, während die Blechkameraden mit ihren toten Augen langsam aber sicher auf dem kürzesten Weg auf einen zustapfen.

Das Spiel profitiert ungemein von einem großen Raum, aber eine verkappte Teleportfunktion, hier in Form eines kurzen Sprints zum Cursor, wird ebenfalls schnell zu einem Meta-Element. Während man mit der rechten Hand schlägt oder zielt und mit der linken unabhängig davon die Sprintrichtung bestimmt, werden Erinnerungen an die Übung wach, bei der man sich gleichzeitig auf den Kopf klopfen und kreisförmig über den Bauch streicheln soll. Hier bekommt man nach einer Weile Moves hin und watzt mühelos und tödlich durch die Feindansammlungen, als wäre man in einem guten Sci-Fi-Actionfilm.

Am besten funktioniert das natürlich zu zweit im Koop-Modus des Spiels, zu dem man sich im luxuriösen Future-Loft-Hub-Bereich verabreden darf. Besonders, weil das Spiel eine klare Grenze zwischen Fern- und Nahkampfexperten zieht. Vor einer Runde entscheidet ihr nämlich zwischen zwei Archetypen an Charakteren: Ballermann oder Cyber-Ninja. Beide zusammen in derselben Arena, das ist ein wundervolles gegenseitiges Sich-den-Rücken-freihalten. Attacken und Schüssen weicht man physisch aus und wenn man will, können beide Hacker die Fäuste sprechen lassen. Aufseiten des Schützen verfügt jede der Waffen über seinen eigenen Nachlademechanismus, als Special Move bremst er die Feinde beispielsweise mit dem Timewarp. Fühlt sich toll an und wenn man später noch Tower-Defense-artig Verteidigungsanlagen errichten kann, sucht man sich je nach Waffe den taktisch klügsten Punkt auf der Map aus. Der Cyber-Ninja kann sein Energieschwert unterdessen werfen und Shurikens auf die Gegner schleudern oder aus der Luft auf sie herabstürzen. Weitere Unlocks halten eure Möglichkeiten auf Dauer frisch.

Es stimmt schon, dass gerade der Schwertkampf auch in Wii-artige Fliegenklatschen-Wischerei ausarten kann, aber ehrlich gesagt zog ich sehr viel Spaß daraus, meine Klinge wie ein echter Ninja durch die Luft tanzen zu lassen und gezielt einzelne Körperteile anzugreifen. Es sieht einfach toll aus, wie man aus dem Handgelenk die gleißende Lichtklinge aus dem Schaft schüttelt. Man müsste das nicht, ein Knopfdruck reicht eigentlich. Aber man macht diese Bewegung trotzdem, weil es einfach cooler wirkt. Überhaupt hat man das Gefühl, dass man mehr drin ist als in einem traditionellen Spiel dieser Art. Man spielt seinen Part, wie ein Schauspieler, oder wie damals, als man hinterm Haus/im Garten/im Wald mit Stöcken den (Jedi-)Ritter gab. Auch da hatte man kein spürbares "Feedback" wenn man einen seiner imaginären Feinde einen Kopf kürzer machte, trotzdem zog man die Bewegung voll durch. Das gehörte einfach zum Film, der gerade in unserem Kopf lief. Und in Raw Data ist das nicht anders.

Es fühlt sich einfach gut an und sieht auch so aus, obwohl ich mir persönlich noch etwas gezieltere, zuverlässigere Zerstörung der Körperteile feindlicher Roboter wünschen würde. Aber gut, es ist ja noch nicht fertig.

In bester Zweisamkeit seinen persönlichen Robokalypse-Actionfilm zu drehen, das ist schon im Early Access einnehmend, auslaugend und motivierend. Es ist diese Sorte Spiel, die für VR die beste Werbung macht: Wenn klassische Controller ruhen und ihr mit Kopf und beiden Händen mittendrin seid in der Welt. Hier noch mit dem zusätzlichen Bonus (theoretisch) maximaler Bewegungsfreiheit, bei der man teilweise fast Michael-Dudikoff-Purzelbäume schlagen möchte - bevor einem einfällt, dass man das doch besser lässt. Raw Data ist Pflichtprogramm für VR-Interessierte.


Entwickler/Publisher: Survios - Erscheint für: HTC Vive - Geplante Veröffentlichung: Early Access erhältlich, fertig Ende des Jahres

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