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Rayman Legends: Das beste Jump and Run der Wii U?

Asymmetrischer Mul

In einem nie zuvor gesehenen Akt firmeninternen Ungehorsams protestierte Ubisoft Montpellier im Februar gegen die Entscheidung ihrer Publisher-Zentrale, Rayman Legends ein halbes Jahr nach hinten zu schieben. Das Spiel - zuvor ein Wii-U-Exklusivtitel - war mehr oder weniger fertig und stand schon in den Startlöchern für seine frühjährliche Veröffentlichung. Doch dann sollte es plötzlich zurückgehalten werden, um gemeinsam mit den dann doch in Auftrag gegebenen Xbox-360- und PS3-Versionen auf den Markt zu kommen.

Sowohl der Unmut des Entwicklers als auch die Entscheidung Ubisofts sind dabei verständlich. Montpellier ist von seinem Werk überzeugt und hatte sich darauf gefreut, es in einem Zeitraum veröffentlichen zu können, in dem kaum Konkurrenz herrschte - noch dazu auf einer Plattform, deren Early Adopter komplett ausgehungert waren. Die Führungsriege hingegen sah das Risiko eines Nachfolgers zu einem vom Markt nicht gerade flammend angenommen Nischentitel auf einer Plattform, die aktuell selbst kaum über Nischenstatus hinauskommt. Daher wollte man das Risiko gering halten, es mit maximaler Streuung versuchen und durch eine zeitgleiche Veröffentlichung mit den anderen Versionen auf konzentrierteres Marketing setzen.

Neben freischaltbaren Charakteren und Leveln des Originals fehlt auch eine Fußballvariante für vier Spieler nicht.

Wir werden wohl nie erfahren, welcher Ansatz den größeren Erfolg erzielt hätte. Was wir aber schon jetzt wissen, ist, dass Rayman Legends ein ziemlich gutes Spiel wird, denn die Vorab-Fassung, die uns für Wii U ins Haus flatterte, baut konsequent auf den Stärken von Origins auf und brennt dabei ein paar Tricks ab, die man eigentlich eher von Nintendo für New Super Mario Bros. U erwartet hätte. Basis von Legends ist das schnelle, leichtfüßige Jump-and-Run-Korsett des Vorgängers, das im Quartett die meiste Freude bereitete. Pixelgenaue Sprungpassagen wechseln sich ab mit schnellen Parcours, die sogar Wände und Decken hinauf (beziehungsweise herab) führen, und die Gegner sind eher stationäre Hindernisse als wirklich gefährliche Angreifer.

Der Boss auf der Couch

Aber das ist nicht so schlimm, denn in den flotten Leveln nicht in den Tod zu stürzen, ist schon schwierig genug. Spieler eins ist derjenige, der sich den interessanten Tablet-Controller vornimmt und über ihn direkt in das Geschehen eingreift. Jederzeit darf man von der direkten Steuerung Raymans zur Fee Murfy wechseln, die/der per Touchscreen Gegner kitzelt oder Plattformen verschiebt. An anderen Stellen baut ihr Brücken, indem ihr in Cut-the-Rope-Manier Seile durchschneidet, an denen Brückenteile hängen und so Abgründe für die übrigen Spieler überwindbar machen. Später müsst ihr sogar nur eines von zwei Seilen durchschneiden, damit nur eine Hälfte herunterhängt und eure Mitspieler so auf eine höhere Ebene gelangen.

Andernorts vereitelt ein unüberlegtes Herunterlassen einer Plattform euren Freunden sogar das Fortkommen, kostet sie unter Umständen das Leben. In einigen blitzschnellen Stages sorgt das für lautes Geschrei vor dem Fernseher, während man sich gemeinsam daran erinnert, wann der Mann oder die Frau mit dem Tablet nun die entscheidende Wischbewegung macht oder eben wann er oder sie besser die Finger vom Screen lässt. In einigen simpleren, aber nicht weniger lustigen Szenen sorgen punktgenaue Tipper auf Gegner dafür, dass diese euren Freunden nicht gefährlich werden können und in einigen geheimen Räumen dreht ihr durch Kippen des Controllers sogar einen kompletten Raum mit stachelgespickten Wänden so, dass eure Mitspieler sicher von einem Ankerpunkt zum nächsten und schließlich zur belohnenden Mitte vordringen.

Der Humor und die tolle Musik sind noch in vollem Umfang intakt.

Doch es gibt noch mehr: Ab und an bewegt ihr etwa Hindernisse zwischen eure Kumpels und eine tödliche Lichtquelle, nur um ein paar Screens weiter diese Lichtquelle selbst zu bewegen. Weil Ubisoft Montpellier angenehm oft an der Formel dreht, gibt es noch viele weitere Beispiele, in denen es zu interessanten Wechselwirkungen und Absprachen zwischen Tablet-Spieler und dem Springinsfeld kommt. Vor allem, wenn man mal wieder Schuld daran ist, wenn die versammelte Mannschaft gerade in einen schreiend komischen Tod gegangen ist. In diesen Momenten fühlt man sich tatsächlich als eingespieltes Team - oder eben nicht -, in dem jeder seinen Beitrag leisten muss. Schon komisch, dass bei der großen Verbreitung von touch-basierten Geschicklichkeitstiteln noch niemand daran gedacht hat, dies in ein "großes" Jump and Run zu integrieren.

Einzelgänger vorgetreten

Die Nähe zu den Spielen der Generation iPhone sorgt allerdings auch dafür, dass das Spiel alleine schon hin und wieder ein wenig rudimentär wirken kann. Denn wer niemanden neben sich auf der Couch hat, vollführt gezwungenermaßen all diese netten Interaktionen und fein austarierten Geschicklichkeitstests nur, damit eine befreundete KI, die an diesen Stellen in den Level gebeamt wird, den Ausgang der Stage erreicht. Sie agiert autonom und durchaus geschickt, wartet aber eigentlich nur darauf, dass ihr an der jeweiligen Stelle genau das Richtige tut. In diesen Situationen könnte man auch genau so gut einen iPad-Titel namens "Mach den Weg frei!" auf der Toilette spielen und man merkt, dass Rayman Legends tatsächlich vom Couch-Koop lebt. Bisher ist auch im Einzelspieler-Modus klassisches Platform-Gameplay vorherrschend, aber lieber wäre es mir gewesen, wenn man statt des regelmäßigen Wechsels zwischen Rennen und Springen auf der einen und Touch-Gaming auf der anderen Seite die Option gehabt hätte, ganz konventionell Rayman zu spielen.

Vor dem Hintergrund der Ankündigung der Versionen für PS3 und 360 wäre zudem interessant gewesen, was von den Touch-Elementen auf diesen Konsolen noch übrig bleibt? Aktuell habe ich ein wenig Probleme, mir vorzustellen, wie das Spiel dort aussehen wird. Fakt ist, spiele ich mit Freunden, haben wir uns regelmäßig darum gezankt, wer das Tablet benutzen darf, was natürlich für die Qualitäten der Wii-U-Ausgabe spricht. Vielleicht ist es aber auch ganz einfach und die Versionen für die Microsoft- und Sony-Konsolen werden einfach die erste Wahl für Rayman-Einzelspieler?

Wie zur Belohnung spielt ihr zum Abschluss einer Welt einen perfekt auf den Rhythmus eines bekannten Liedes abgestimmten Level.

Ansonsten herrscht bisher eitel Sonnenschein: Das Spiel sieht einmal mehr fantastisch aus - besser noch als Origins, was nicht allein an den neuen 3D-Modellen der Drachen und anderer Elemente liegt. Die Level erzeugen eine ganz andere Tiefe als zuvor, die Figuren wirken deutlich plastischer (praktischerweise sind viele, viele Level von Origins in Legends als freischaltbare Boni mit enthalten, weshalb ein Vergleich leicht fällt) und man kann sich einfach nicht an diesen Welten sattsehen, wie sie in ihrer Lebensfreude geradezu aus dem Bildschirm hinausglühen.

Rayman Legends macht aktuell noch einen etwas schizophrenen Eindruck, denn wo im Alleingang die Touch-Spielereien dem schieren Rayman-Genuss ein bisschen im Weg stehen, befördern sie die Partien mit mindestens einem weiteren Mitspieler in Höhen, die das Original bei weitem überflügeln. Es ist beinahe, als rechnete Ubisoft Montpellier nicht damit, dass irgendjemand dieses Spiel alleine angehen wird. Irgendwie logisch, so viel Spaß wie der Titel aus dem asymmetrischen Miteinander zieht.

Wie dem auch sei. Ubisoft Montpellier darf Trost in der Tatsache suchen, dass sich ihr zweites Current-Gen Rayman anschickt, in Level-Design und Einfallsreichtum einer der schönsten und schlicht ansprechendsten Hüpfer der letzten Jahre zu werden. Daran werden auch ein paar Monate Wartezeit nichts ändern.

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