Rayman Raving Rabbids
242 durchgeknallte Nager und 2 kaputte Arme
Aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaahhhhhhhhhhhhhhhhhhhhh.......
Beklopptes Geblöke der noch bekloppteren Karnickel als Artikeleinstieg? Weit gefehlt. Tatsächlich ist dieser Schrei meiner Kehle entsprungen. Und zwar nach exakt 4,37 Stunden mit Rayman Raving Rabbids. Was in etwa 42% des Abenteuermodus entspricht. Zu diesem Zeitpunkt verweigerten meine sonst so flinken Finger langsam aber sicher ihren Dienst und die Armmuskeln schmerzten bis hoch ins Schulterstück. Und als hätte ich dank der Überanstrengung nicht schon genug zu leiden, flackerte immer und immer wieder das Minispiel „Bunnies have natural rhythm“ über den Bildschirm. Blöd, dass es sich partout nicht abschließen lassen wollte.
Für alle Nichtkundigen: Mehrere Hasen hampeln über den Bildschirm, Ihr klatscht gegen eines der vier Radios (blau, grün, gelb, rot), die Viecher mit entsprechender Farbe und Musikvorliebe verfallen in wildes Gezappel, Ihr haut sie mit einer kurzen Wisch-Bewegung weg – und das bitte in unter einer Minute. Theoretisch ganz simpel, praktisch allerdings beinahe unschaffbar. Denn nach ungefähr 35 bis 40 Sekunden reagiert Rayman nicht mehr auf das Wiimote-Gewackel. Was also tun? Schneller klatschen? Wäre eine Alternative. Ihr könnt aber auch einfach vor dem Spielen die Hz-Zahl in den Wii-Optionen auf 60 stellen (Default 50). Damit ist die zuvor „verbuggte“ Herausforderung ein Klacks und zudem erfordern sämtliche Bewegungsabläufe spürbar weniger Kraftaufwand. Der Spielspaß steigt, die Arme werden Euch dafür danken. Ich wünschte nur, ich hätte das ebenfalls früh genug gewusst.
Nebenbei erwähnt: Bei der Programmierung ist noch ein zweiter Fehler unterlaufen. Die Sensorleiste scheint es bei diesem Titel nicht zu jucken, wie hoch Ihr die Sensibilität (verändert die Reichweite der Übertragung) in den Optionen schraubt. Sobald die Wii-Oberfläche in das Spielmenü wechselt, müsst Ihr wieder mit der Werkseinstellung (2) Vorlieb nehmen und vor den Bildschirm kriechen. Für Besitzer eines HD-TVs ist solch ein Manko nicht wirklich wünschenswert fürs Auge.
Silvester grüßt
Das Grundgerüst bzw. der rote Story-Faden ist ziemlich simpel gestrickt und dient eigentlich nur als Verknüpfung der Minispiele – zumindest macht es so den Anschein: Rayman wurde von einem Roboter und seinen irren Anhängern entführt und soll sich in über 70 Prüfungen behaupten. Fortan dackelt Ihr mit dem gliedlosen Kerlchen in eine gut besuchte Arena und stellt Euch pro Runde vier Aufgaben. Schließt Ihr drei davon erfolgreich ab, öffnet sich das große Tor und Ihr dürft erneut ran – diesmal jedoch in einer weitaus umfangreicheren Disziplin. Mal müsst Ihr auf einem Riesen-Warzenschwein ein Rennen gewinnen, mal ballert Ihr Euch mit Pömpeln (Saugglocken für verstopfte Abflüsse) durch gelungen inszenierte Szenarios, in denen diverse Extras – Mehrfach-Schuss, zusätzliche Lebensenergie, etc. - und viele bekannte Figuren lauern. Unter anderem Hasen im Sam-Fisher-Look oder die Spinne aus dem Film „Wild Wild West“. Ein Heidenspaß, der sicherlich auch als Stand-Alone-Titel etliche Abnehmer finden würde. Zumal die Bewegungen recht intuitiv (Wiimote für die Richtung, Button zum Schießen, kurzes Rucken mit Nunchuck zum Nachladen) von der Hand gehen.
Zuzüglich der Pömpel, die Ihr für jede Runde einheimst und die in Eurer Zelle als Kletterhilfe in die Freiheit herhalten, spendieren Euch die Nager diverse Musikstücke und Ganzkörper-Outfits (Punk-Rocker, Oma, etc.) - sofern Ihr alle vier Herausforderungen meistert. Und je weiter Ihr im Abenteuermodus vorankommt, umso enthusiastischer jubeln Euch die Mümmelmänner zu und lassen gegen Ende sogar Feuerwerk sprechen. Netter Einfall, der jedoch sehr pixelig und matschig daherkommt. So wie sämtliche Arena-Auftritte, was im extremen Kontrast zur Prüfungs-Optik steht. Verstehe, wer will.
Es geht abwärts...
Und nun zum Eingemachten: Rayman Raving Rabbids birgt jede Menge Spaßpotential in sich, qualitativ gesehen leiden die Minispielchen jedoch unter einem steten Auf und Ab. Kurzum: Die meisten Herausforderungen sind unterhaltsam, strotzen vor abstrusem Humor und lassen den Abend wie im Fluge vorbeihuschen. Andere wiederum liefern eine Alternativ-Erklärung, wieso etwaige Controller in Fernseher, teure Familienerbstücke oder gegen Wände knallten.
Zum Teil mag letzteres am persönlichen Geschmack liegen, zum Teil aber an der oftmals sehr knappen respektive zu happigen Zeitvorgabe und einem Schwierigkeitsgrad, der sich während des gesamten Spiels nicht so recht entscheiden kann, ob er schrittweise nach oben pirscht oder zu satten Sprüngen ansetzt. Und wie sollte es anders sein, zum Teil natürlich auch an den gewöhnungsbedürftigen Bewegungsabläufen und der Umsetzung.
Beispielsweise wenn Ihr vier Hasen daran hindern sollt, aus ihren Toilettenkabinen zu stürmen. Mit dem Wiimote steuert Ihr dabei den Richtungszeiger (eine Hand), mit einer Schüttelpartie des Nunchucks klatscht Ihr die Türen zu. Und um dem Ganzen noch einen Tick mehr Spannung oder eher gesagt Hektik zu bescheren, öffnen die Hasen im Verlauf immer schneller die Türen. Bei der nächsten Variante marschiert sogar ein Karnickel durchs Bild, den Ihr nicht anrühren dürft. Ansonsten zählt die Prüfung als verloren. Hier gleichzeitig zwei von einander unabhängige Handbewegungen auszuführen, ist vielleicht für Schlagzeuger ein Ding der Leichtigkeit, für Otto-Normal-Spieler aber mit allerlei Übung und Frust verbunden. Ganz zu schweigen von der störrischen Kabinentür rechts außen, die hin und wieder nicht auf das Geklatsche reagiert. Kleiner Tipp: Holt Euch einen Mitspieler dazu, der kann dann den Nunchuck schütteln, während Ihr den Hand-Zeiger lenkt – bei mir hat es funktioniert.
Weitere Kandidaten für das „Hier ist das Vergnügen eher gering“-Treppchen sind unter anderem die zweite Seilspring-Partie, bei der Ihr Raymans Gehüpfe (den Nunchuk im richtigen Moment nach oben rucken) UND die Seilführung (Wiimote kreisen lassen) übernehmt, eine Flugstunde im Sonic-Stil (Neigung des Controllers bestimmt Flugwinkel), die Pixel-präzise Genauigkeit voraussetzt – ansonsten fliegt man über die Ringe und nicht hindurch – und das erste Hirn-Labyrinth. Ihr müsst binnen weniger Sekunden eine Kugel durch Gänge voller Löcher und Sackgassen zum Ziel manövrieren und kippt je nach Ausrichtung des Wiimote die Plattform. Allerdings neigt das gute Stück zu merkwürdigem Verhalten: Entweder reagiert das Labyrinth äußert sensibel auf Eure Bewegungen oder Gegenteiliges ist der Fall – Ihr müsst die Hand verdrehen, bis das Gelenk knarrt.
...und wieder aufwärts
Auf der Haben-Seite befinden sich erfreulicherweise etliche Minispiele, die für allerhand Spaß sorgen und zudem aufzeigen, wie vielfältig das Entwicklerteam von Ubisoft die neuen Steuerungsmöglichkeiten ausschöpfen wollte. Wollte, weil zwar zahlreiche und auch gute Variationen vorhanden sind, sie im Vergleich zu Wii Sports aber lediglich an der Oberfläche kratzen. Man ist somit immer auf wenige Bewegungsabläufe begrenzt und bekommt nicht das Gefühl, wirklicher Bestandteil des Spieles zu sein. Aber ehrlich gesagt, schafft das meines Erachtens auch das zugegebenermaßen brillante Zelda – The Twilight Princess nur bedingt.
Trotz der knapp ausfallenden Steuerungs-Elemente geben sich die Aufgaben aber abwechslungsreich, sehr kurzweilig und laden mitunter zum wiederholten Ausprobieren ein. So rennt Ihr im Raketentempo mit einer Bombe zum Zielpunkt (schnelles Auf- und Ab von Wiimote und Nunchuck), malt mit dem Controller vorgegebene Lebensmittel und Objekte nach, um ein verfressenes Karnickel zu füttern, prägt Euch die Tonfolge bei einer musikalischen „Ich packe meinen Koffer“-Variante ein, tragt ein Ferkel zu seiner Mutter, während an jeder Ecke böse Langohren warten (quiekt die Wiimote lauert Gefahr) und fügt Hasen-Puzzle-Teile richtig zusammen. Mein persönlicher Favorit ist hier ganz klar die Tanz-Nummer bei jeder Runde, obwohl sich leider die eine oder andere Ungereimtheit im Rhythmus einschleicht. Zig Hasen marschieren auf die Bühne und Ihr müsst sie im richtigen Moment und Takt mit einer Schlagbewegung des Nunchucks und/oder der Wiimote erwischen. Nicht immer einfach, aufgrund der ebenso schräg klingenden Musikuntermalung aber erfrischend anders.
Abschließend noch ein Wörtchen zum Mehrspieler-Part: Unverständlicherweise müsst Ihr erst einmal die Disziplinen in der Abenteuer-Kampagne freischalten, bevor Ihr Euch im Punktemodus heiße Wettkämpfe mit bis zu vier Freuden liefern könnt. Anschließend öffnen sich die Tore für drei Kategorien – Hasenjagd, Schwing die Hüften, verschiedene Sportarten -, plus einer weiteren , die sich nach Beendigung des Singleplayers einstellt. Es ist allerdings sehr schade, dass „Herausforderung“ keine gänzlich neue Kost bietet, sondern nur bestimmte Prüfungen in einer Dreier-Kombination arrangiert. Ein wenig mehr Belohnung wäre sicherlich ein weitaus größerer Anreiz, um Rayman aus der Patsche zu helfen.
Rayman Raving Rabbids ist mit Sicherheit das erste Spiel, bei dem ich mir den kompletten Text-Abspann einverleibte. Und um nicht zu viel zu spoilern: Es lohnt sich! Hinsichtlich des allgemeinen Spielspaßes bin ich jedoch geteilter Meinung. Viele Prüfungen sind unterhaltsam, der Humor stets gegeben, die Soundkulisse und die Comic-Grafik ungemein ansprechend. Dann wiederum töten einige Spielchen den letzten Nerv und lassen Einfallsreichtum und eine ausgewogene Lernkurve vermissen. Und was ich überhaupt nicht verstehen kann, ist die Sache mit der Hz-Zahl und der Sensorleiste. Solche Patzer sollten trotz Launch-Titel-Druck nicht passieren.
Alles in allem muss man Raymans aktuellem Abenteuer aber eines zugestehen: Der Titel bindet zwar nicht auf lange Sicht an den Bildschirm – abgesehen von den Highscore-Junkies -, unterhält aber für die gegebene Dauer durch allerhand Spritzigkeit und wirklich einzigartigen Humor. Auf ein zufriedenes "Buaaaaaaaaaah".
Wer die verrückten Hasen gerne einmal in Aktion erleben will, sollte einen Blick in unsere TV-Ecke werfen. Beispielsweise für Teil 1 der Minispiele oder das generelle Gameplay.