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ReCore - Test

Man kann die Liebe nicht erzwingen.

Zwischen endlosem Crafting und Sammeleien steckt irgendwo ein gutes wie klassisches Action-Adventure fest, das sich aber nur selten zeigt.

Jeder von uns kennt das: Man WILL dieses Spiel einfach mögen. Es MUSS einfach gut sein. Man redet es sich beim Spielen praktisch ein. Die doofen Reviewer haben eh keine Ahnung. Oder zumindest die, die weniger als 80+ vergeben. Oder kein Silber und Gold. Diesen Reflex gab es schon immer, er kommt immer mal wieder und ich würde euch einen sehr schlechten Dienst erweisen, wenn ich mich ihm jetzt hingäbe. Aber behaltet bis zum Fazit im Hinterkopf, dass ReCore zumindest gut genug ist, dass ich ein wenig dagegen ankämpfen muss.

Die Außenwelt ist definitiv das technische Highlight, vor allem auf dem PC.
Next-Gen-Aibo.

Nicht zu sehr. Es gibt leider sehr viel, was mich in den letzten Stunden komplett auf die Palme brachte. Die kleinen Räume mit ihren hässlichen Texturen, die einem immer wieder unterjubeln wollen, dass die doch gar nicht schlecht aussehen. Sicher doch. Für ein N64-Remaster vielleicht. Dazu passen aber die Ladezeiten nicht. Auf der Xbox One sind sie ein schlechter Scherz mit bis zu einer Minute für einen Sprung in die winzige Heimatbasis - eigentlich nur ein winziger Raum - und wieder eine Minute zurück in die Landschaft, die nun auch nicht gerade vom Witcher kommt. Auf dem PC läuft es deutlich besser, je nach eigener Hardware natürlich. Aber schöner wird es da auch nicht wirklich. Während die sandige Weite des fremden Planeten noch 2014-zeitgemäß wirkt, erinnert fast alles am langweiligen Maschinen-Design des Interieurs daran, dass Texturen viel Geld kosten und dieses Spiel wohl nicht so viel davon hatte. Es bleiben das Figurendesign, die Farbgebung, die Monster und vor allem die Roboterhaustiere. Das, was man von den Bildern und Trailern kennt und mit der Grund war, warum ich dieses Spiel ins Herz schließen wollte.

Das mit dem N64 beschränkt sich nicht nur auf die Texturen. Ihr habt draußen eine große, relativ offene Welt - zumindest in einem Metroid-Sinne. Im Inneren von "Dungeons", die das Spiel sogar so nennt, sind es meist Räume. Hässliche kleine Räume. Hässliche große Räume. In ihnen stecken manchmal ein kleines Rätsel, eine Hüpfaufgabe, ein paar Feinde. In den ersten Stunden ist das alles noch ganz nett. Es hat eine Art Action-Adventure-Charme der späten 90er und frühen 2000er. Wie auch in diesen beginnt sich schnell alles zu wiederholen. Raum angucken, richtigen tierischen Begleiter für mögliches Puzzle wählen, etwas hüpfen, weiter geht es. Wenn man Glück hat. Wenn ihr Pech habt, ist es einer von diesen Räumen. "Oh, guck mal, sechs Sicherungen fehlen. Die müssen hier irgendwo liegen." Natürlich. Noch eine Fetch-Quest. ReCore liebt diese. So sehr, dass das letzte Drittel in eine einzige große Fetch-Quest ausartet. Der definitive, der absolute Tiefpunkt dieses eigentlich so vielversprechenden Action-Plattformers. Wenn ich nicht müsste, ich hätte es nicht durchgespielt. Hier habe ich mir dann auch nichts mehr eingeredet.

Immer wieder ziehen. Das Minispiel ist nett. Für ein paar Mal. Leider braucht ihr es dauernd und überall.

Es ist schade, denn mit ein wenig mehr kreativer Gestaltung der Level und Räume hätte das alles viel länger begeistern können. Die grundlegenden Bewegungsmechaniken sind absolut solide. Ihr springt selten daneben und wir wünschten uns zu N64-Zeiten, dass eine Figur so sicher landet. Aber ja, da ist definitiv ein seltsamer Retro-Vibe in ReCore. Was immer funktioniert, ist das Erkunden alter Areale mit neuen Fertigkeiten, um Plattformen und Schätze zu erreichen, die vorher außer Reichweite lagen. ReCore konzentriert sich darauf leider nicht so sehr, wie es das vielleicht sollte, und auch nicht mit der Eleganz, die viele andere Spiele mit diesem Element zeigten. Aber zu sagen, dass es keinen Spaß gemacht hätte, immer mal wieder ein wenig durch die offeneren Areale des Wüstenplaneten zu streifen und zu gucken, was man erreichen kann, wäre gelogen. Es wäre aber auch gelogen, dass die Ausbeute dieser Ausflüge zufriedenstellend ist.

So elaboriert das Aufleveln und Customizing der Begleiter auch ist, so sinnlos ist es am Ende auch.

Das hängt damit zusammen, dass ReCore mit Levelsystemen geradezu vollgestopft wurde. Eure Figur levelt. Die Waffe levelt. Eure Begleiter leveln. Die Gegner leveln. Und weil alles ständig levelt, bleibt irgendwie alles immer gleich. Wiederum, es beginnt richtig clever. Gegner haben verschiedene Farben, eure Schussfarbe schaltet ihr mit dem Steuerkreuz um und so bringt ihr große Gegner schneller zu Fall - oder überhaupt erst. Ihr entscheidet dann auf den letzten Metern eines Kampfes, ob ihr versucht, den leuchtenden Kern eines Gegners zu entreißen, was ein kleines Geschicklichkeitsspiel auslöst, oder ob ihr ihn komplett zerballert, was andere Ressourcen zu Boden purzeln lässt. Mit diesen konstruiert ihr aus überall verstreuten Blaupausen neue Teile für eure Haustierroboter - was das eigentlich gelungene Design dieser zerschießt -, mit den Kernen bessert ihr die Fertigkeiten Kampf, Spezialangriff und Verteidigung auf. Das klingt alles irgendwie wichtig, aber nur so lange, bis euch klar wir, dass nichts davon wirklich eine Rolle spielt.

Dieses ganze Kernesammeln und Bauen nach Blaupausen, dazu das endlose Sammeln, um craften zu können, hat kaum einen echten Effekt im Kampf. Ja, vielleicht macht mein Gorilla mit Wert Y ein paar Punkte mehr Schaden als mit X, aber X war auch schon sehr ordentlich. Es fühlt sich nie nach einer substanziellen Verbesserung an und mit einem missratenen Crafting-Menü plus langer Ladezeiten gab ich irgendwann die Hoffnung und dann später die Versuche auf, da etwas rauszuholen, was nicht in den völlig überdesignten Systemen steckte. Das Spiel störte das auch nicht, ich kam immer noch genauso zügig weiter wie zuvor. ReCore wäre viel besser dran gewesen, wäre all diese Energie in das Leveldesign geflossen.

Der Kampf beginnt sehr stark und endet in der kompletten Belanglosigkeit höherer Zahlen, aber immer gleicher Abläufe ohne mehr Herausforderung oder neue Elemente.

So jedoch wird das eigentlich unterhaltsame Kampfsystem gleich noch mit zum Kollateralschaden der Levelei. Statt Herausforderung und Abwechslung über die mit locker 20 oder 25 Stunden lange Spielzeit zu bieten, ist es immer nur das, was ihr von Stunde 1 an gespielt habt. Nur mit höheren Zahlen. Nicht schlecht, ganz unterhaltsam, aber alles nutzt sich halt ab. Eines der Highlights bis zum Schluss sind die Dungeons und Arenen, die mit einem Zeitlimit laufen. Hier die sich leider viel zu oft wiederholenden optionalen Ziele zu erreichen und das Zeitlimit einzuhalten, um an mehr Dinge zu kommen, die man nicht wirklich braucht, motivierte auf einem viel einfacheren Videospielniveau. Es ist Spieler gegen Herausforderungen, und das reizvoll genug zum Vergessen, dass man die Belohnung am Ende eigentlich weder braucht noch will.

Bei der Handlung passt der große Bogen. Ihr spielt die vielleicht letzte Überlende - eines der zu lüftenden Geheimnisse - eines Versuchs, einen unwirtlichen, aber zumindest erdähnlichen Planeten bewohnbar zu machen. Alles ging offensichtlich schief, das wird schnell klar, und in einer endlosen Zeitlupe entdeckt ihr, was los ist. Zeitlupe, weil die Handlung anscheinend keinen Schritt machen kann, ohne euch nicht dafür auf die Suche nach drei bis acht "Irgendwassen" zu schicken, und die Belohnung in der nächsten Szene lohnt nur selten die Mühe. Insgesamt solide, aber da ist nicht genug Substanz für die Spielzeit. Vor allem im letzten Drittel.

Als wäre es ein N64-Remaster. Spielerisch wie auch gelegentlich optisch.

Und ja, doch, auf eine ziemlich verdrehte Art mag ich ReCore trotz alledem. Ich mag sein Design, seinen Steinzeit-3D-Plattformer-Entwurf in vielen der kleineren Areale, seine grundlegenden Metroid-Gedanken und die niedlichen Animationen der Helfer, die diese Elemente ermöglichen. Aber am Ende ist da zu viel Lieblosigkeit in vielen der Level und der offenen Welt. Zu viel Sammeln immer gleicher glorifizierter Sci-Fi-Batterien und vor allem viel zu viel überausgeprägtes Aufleveln und Craften von Dingen, die dem Spiel rein gar nichts geben. Ratchet & Clank erledigt sein Aufleveln automatisch und in Sekunden, wofür ReCore immer wieder mal eine Viertelstunde vergeudet. Würde man all diese Systeme einfach herausstreichen, wäre es schon ein besseres Spiel. Hätte man die gesparte Zeit in die verbleibenden, grundlegenden Dinge des Action-Adventures gesteckt, hätte ReCore vielleicht ein gutes Spiel werden können. Und keines, bei dem man sich das einredet und insgeheim wie ganz offensichtlich weiß, dass man viel zu viel Zeit mit bestenfalls leicht gehobenem Durchschnitt vertut.


Entwickler/Publisher:Armature Studio, Comcept/Microsoft - Erscheint für: PC, Xbox One - Preis: ca. 40 Euro (PC und Xbox One zusammen als Play Anywhere online), ca. 40 Euro (Box Xbox One) - Erscheint am: 16.9.16 - Getestete Version: PC / Xbox One - Sprache: Deutsch, Englisch und andere - Mikrotransaktionen: Nein

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Martin Woger Avatar
Martin Woger: Chefredakteur seit 2011, Gamer seit 1984, Mensch seit 1975, mag PC-Engines und alles sonst, was nicht FIFA oder RTS heißt.

Informationen zu unserer Test-Philosophie findest du unter "So testen wir".

In diesem artikel

ReCore

Xbox One, PC

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