Red Dead Redemption: Lügner & Betrüger
Für jeden etwas
Was gehört in einen Vollpreistitel und was nicht? Schon kurz nach dem Release kommen neuerdings DLCs auf den Markt, die sich irgendwie falsch anfühlen. Oft wirken sie nur aufgesetzt, manchmal sogar wie direkt aus dem Spiel entnommen – und zum Teil sind sie das auch. Was früher in meist kostenlosen Patches nachgeliefert wurde, kommt hier kostenpflichtig. Doch reichen nicht zehn, 20 oder gar 30 Stunden, um den Preis zu rechtfertigen? Ist es nicht fair, nach 40 Stunden Dragon-Age-Kampagne für alle weiteren Abenteuer Geld zu nehmen?
Nehmen wir als aktuelles Beispiel Red Dead Redemption. Satte 15 bis 20 Stunden Kampagne, ein vollwertiger 16-Spieler-Koop-Modus, ein komplettes Competitive Multiplayer System und direkt nach dem Release ein umfangreiches, kostenloses Update. Hat ein Publisher da noch die Pflicht, logische, weil schon in der Kampagne vorkommende Elemente nachzuliefern? Schon beim Schurken-und-Legenden-Paket gab es keine wirklich frischen Karten, sondern es wurden bestimmte Locations des gewaltigen Spielgebietes wiederverwendet.
Und auch beim Lügner-und-Betrüger-DLC werden im Prinzip Einzelspieler-Herausforderungen wie Poker, Würfeln und Pferderennen für den Mehrspieler zugänglich gemacht. Ja, selbst die frischen Charaktermodelle und die Gangsterverstecke stammen im Prinzip aus der Story. Kann man dann für einen neuen Team-Modus und eine frische Waffe zehn Euro verlangen? Keine leichte Entscheidung.
Was den reinen Spielspaß angeht, ist das neue Paket eine Pracht. Speziell die Pferderennen samt Waffeneinsatz spielen sich erfrischend anders. Mit bis zu sechs Leuten tretet ihr auf einem halben Dutzend Strecken an, die wie bei den anderen Spielmodi direkt aus der Kampagnenkarte starten. Interessant wird das Ganze durch die zwei Waffen mit der beschränkten Munition, die ihr mit euch herumschleppt. Besonders der Spitzenreiter läuft nämlich so ständig Gefahr, mit Schrotflinte und Pistole vom Pferd geballert zu werden. Es werden vier Rennen ausgetragen und wer am Ende die besten Platzierungen vorweisen kann, hat gewonnen und bekommt Erfahrungspunkte.
Auch die Poker-Variante zeigt sich von ihrer besten Seite. Hier versuchen sechs Leute, sich gegenseitig in Texas Hold'em die Kohle abzuluchsen. Zu Beginn habt ihr 200 Dollar zur Verfügung, die ihr in einem sehr schnellen Spiel auf den Kopf hauen könnt. Die Blinds werden nach wenigen Runden erhöht und länger als eine Stunde dauert keine Partie. Am Ende bekommt ihr je nachdem, wie weit ihr kommt, Erfahrungspunkte, die in euren Poker-Skill einfließen. Mit jedem Level bekommt ihr zusätzliche 20 Dollar und verbessert so eure Chancen. Das Gleiche gilt für das Würfeln. Spielen, hochleveln, Spaß haben.
Die sieben neuen Bandenverstecke und vier neuen Jagdgebiete für den Free-Roam-Modus sind eine nette Ergänzung, verblassen aber gegen die Stronghold-Multiplayer-Variante. Dieser extrem taktische Modus erinnert ein wenig an Bad Company oder Medal of Honor. Als Angreifer müsst ihr hintereinander fünf Ziele erobern, die euch jeweils vor ganz unterschiedliche Aufgaben stellen. Die erste Flagge erreicht ihr zum Beispiel per Pferd. Die zweite ist in einem Canyon versteckt und bei der dritten warten zwei Kanonen auf euch. Von da an geht es dann per Fuss weiter.
Während euch die zwei Kanoniere mit mächtigen Schüssen Deckung geben, gilt es dann in zwei Phasen, ein Fort zu erobern. Danach werden die Rollen getauscht und ihr müsst das gegnerische Team in der Zeit beziehungsweise bei den erreichten Flaggen schlagen. Das macht nicht nur einen Heidenspaß, sondern ist auch taktisch anspruchsvoll. Aktuell mein Lieblings-Online-Modus, auch wenn die Kanonen vielleicht einen Tick zu stark sind und man im Fort als Verteidiger oft in Grund und Boden gebombt wird.
Zusätzlich gibt es noch 15 Multiplayer-Charaktere aus der Kampagne, zum Beispiel John Marston selbst und eine neue Waffe: Ein Gewehr, das Explosiv-Geschosse verschießt. Den Nachschub für diese fast übermächtige Waffe muss man sich über Gangsterverstecke erspielen. Wenn man eines davon freigeräumt hat, gibt es sie manchmal als Belohnung. Nette Information am Rande: Das Gewehr wird auch beim nächsten Add-On, dem Albtraum der lebenden Toten eine wichtige Rolle spielen. Dort könnt ihr es gemeinsam mit dem Tomahawk aus Legenden und Schurken gegen die Untoten einsetzen. Aber nur, wenn ihr auch beide Pakete besitzt. Ein netter Trick, um den Spielern wirklich alle Add-Ons aus der Tasche zu leiern.
Diesmal ist wirklich für jeden etwas dabei. Egal ob ihr allein im Free-Roam-Modus auf Gangsterjagd geht, euch mit Freunden zu einer Partie Poker zurückzieht oder im Stronghold-Modus taktische Mehrspieler-Gefechte austragt. Das Lügner-und-Betrüger-Paket bietet unterm Strich die meiste Abwechslung, auch wenn es viele Elemente in der Form schon in der Kampagne gab. Natürlich könnte Rockstar diese auch kostenlos auf den Markt werfen, doch am Ende wollen sie natürlich Geld verdienen.
Und angesichts des Umfangs ist es diesmal ausnahmsweise noch legitim. Der Preis ist für mich aber einen Tick zu hoch, deshalb gibt es Abzüge in der B-Note. Wer aber auf den Online-Modus steht, sollte dieses Add-On auf keinen Fall auslassen. Der Rest wartet auf die nächste Erweiterung, dass nicht nur Zombies bietet, sondern auch eine echte Singleplayer-Mini-Kampagne. Ich bin mal gespannt, ob der Albtraum der lebenden Toten dann auch für zehn Euro über die digitale Ladentheke wandert.
Red Dead Redemption: Lügner & Betrüger gibt es für 800 MS Punkte auf Xbox Live oder für 9,99 im PSN Store.