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Red Ocean

Tauchgang mit Folgen

Der Kalte Krieg ist vorbei - die Welt braucht neue Bösewichte! Denn was wären Hollywood-Schinken und Computerspiele ohne Feindbilder? Russen? Hatten wir schon! Deutsche? Nicht doch, wir bauen schöne Autos! Chinesen? Mit den Chinesen legen wir uns besser erst einmal nicht an. Nur eine Gruppe besitzt keine Lobby: Terroristen. Und was ist schon leichter, als jemanden zum Bösewicht aus Leidenschaft zu erklären? Also kapert niemand geringeres als ein Haufen Terroristen eine verlassene Unterwasser-Forschungsstation, um dort geheime Waffenexperimente durchzuführen.

Nein, die Rede ist nicht von Chuck Norris’ neustem Zelluloidwerk, sondern vom jüngsten Streich der Collision Studios, dem Ego-Shooter Red Ocean.

Fast-Food-Shooter

Lässt Gegner wie Herbstlaub herumwirbeln - Die Plasmakanone

Mit diesem Vorhaben wären die Schurken auch durchgekommen, gäbe es da nicht Jack Hard (Nomen es omen!), Schatzsucher und Tauchlehrer, der die Station eines Tages entdeckt und sich plötzlich mit den finsteren Machenschaften der Verbrecher-Organisation „United Arms“ gegenüber sieht.

Anstelle mir die Vorgeschichte bis ins kleinste Detail zu erklären, wirft mich die uns vorliegende Preview-Version allerdings direkt ins Abenteuer. Ehe ich mich versehe, schleiche ich durch einen schlecht beleuchteten Gang. Noch immer orientierungslos, höre ich Stimmen: „Wir sprengen die Tür!“ Welche Tür? Woher kommt die Stimme? Wieso höre ich sie, wenn der Sprecher doch dahinter steht? Noch bevor ich mir eine Antwort zusammengereimt habe, knallt es von links und zwei Schurken stürmen in den Gang. Unter den ersten Feuerstößen meiner MP5 fällt der Erste augenblicklich. Der Zweite verschanzt sich hinter einer Kiste. Ich suche mein Heil im Angriff, als ich plötzlich das Geräusch höre, vor dem sich wohl jeder in dieser Situation fürchtet. Klick Klick Klick - mir ist die Munition ausgegangen. Ich zücke also 30 cm geschärften Stahl und - Ratsch! - Ein Chirurg hätte es nicht besser machen können. Das ging schnell! Etwas zu schnell und etwas zu einfach für meinen Geschmack.

So, die Magazine sind wieder voll, also weiter geht’s. Gerade will ich um die Ecke biegen, schon wieder erhallt ein lautes Rufen. Irgendwer soll irgendwo irgendwelche Fässer losrollen. Ich weiß zwar nicht, worum es geht, verstecke mich aber erst einmal hinter einer Ecke. Was folgt ist ein lauter Knall und eine Druckwelle, die sich den Gang hinabwälzt. Kaum ist diese an mir vorbeigefegt, geht es weiter, und unter dem trommelnden Feuer meines Schiessprügels fallen drei Schurken fast ohne Gegenwehr. So langsam beginne ich die Dummheit meiner Widersacher zu genießen. Deckung suchen, Position wechseln, Granaten einsetzen; Das war es schon, das Repertoire der Bösewichte. Statt wenigen Genies habe ich es also mit Wellen von Kanonenfutter zu tun. Damit schlägt Red Ocean einen völlig anderen Weg als die Konkurrenz ein. Das verpasst dem Spiel dieses gewisse klassische Ego-Shooter-Feeling.

Sei dein eigener B-Movie-Held

Schuld war kein betrunkener Architekt, sondern die Druckwelle einer Granate

Da sich Red Ocean jedoch nicht in erster Linie an Nostalgiker richtet, wurde das Spiel mit allerhand Neuerungen aufgelockert. So sind es in einem Moment überraschende Ereignisse, wie etwa das Zerbersten einer Scheibe, wodurch eine Flutwelle durch die Gänge peitscht. Diese reißt augenblicklich alles weg, was sich ihr in den Weg stellt. Schon verschlägt es Euch in ein ganzes Unterwasser-Feuergefecht. Ziel der Entwickler ist es, mit Red Ocean „einen schnellen, spektakulären Shooter auf den Markt zu werfen, dessen Augenmerk auf gradliniger Action und schnellem Gameplay mit Actionfilm-Feeling liegt“. Leider machen die chronische Munitionsknappheit und das etwas träge Handling meines Alter-Ego (das fängt schon mit dem schwankenden Watschelgang des Helden an) diesem ehrgeizigen Ziel einen Strich durch die Rechnung. Gerne wäre ich großzügiger mit meinen blauen Bohnen umgegangen – stattdessen muss ich aufpassen, dass jeder Wachmann „satt“ wird, dass jeder Schuss sitzt. Schade, Schwarzenegger musste das nie! Andererseits sorgt genau dieses Problem immer wieder dafür, dass ich mir relativ wehrlos vorkomme – so kann man natürlich auch Spannung aufbauen!

Der erste Eindruck der Handlungsmöglichkeiten ist wie die Brötchen vom Vortag – nicht wirklich frisch und lecker, aber sie machen satt. Besondere Eigenschaften, Talente und andere Gimmicks sucht man vergebens. Stattdessen bekommt Ihr solide, genormte Shooter-Standardkost vorgesetzt. Eine Reihe Waffen, vom Messer bis zur Strahlenkanone und obendrein noch ein paar Granaten – das war’s. Ganz so einfach kommt das Spiel dann allerdings doch nicht daher. Besonders die futuristischen Energieschleudern holen jede Menge aus der Physik-Engine heraus. Da prallen nicht nur die Schüsse an der Wand ab, sondern schleudern Tische, Stühle, Körper und so ziemlich alles was nicht niet- und nagelfest ist, effektvoll durch den Raum.

Optisch Prioritäten setzen

Ja, manchmal opfert man verschiedene Dinge für eine größere Sache. So, oder so ähnlich, sahen es wahrscheinlich auch die kreativen Köpfe hinter Red Ocean. Sicher, wenn ich gegen eine Wand schieße, kann es passieren, dass mehrere Betonbrocken durch den halben Raum fliegen, aber das hat seinen Preis: Hier und da verzichtete man auf gewisse Details. Ob es das wert war? Die Entscheidung überlasse ich Euch…

Geradezu vorbildlich präsentieren sich dagegen die optischen Effekte. Ob nun Druckwellen oder Explosionen, sie alle verpassen dem Spiel diesen gewissen Hauch Extra-Dynamik. Allein durch das Szenario kommt dem Wasser in Red Ocean eine besondere Bedeutung zu. Hier liegen Licht und Schatten allerdings nah bei einander. Einerseits sieht es im Ruhezustand etwas bescheiden aus, reagiert dafür aber realistisch – zum Beispiel auf Explosionen. Vollkommen ausgereift ist das Prunkstück des Spiels jedoch noch nicht. Beispiel gefällig? Wenn ich mit ansehen darf, wie ein gerade erledigter Gegner mehrere Meter auf dem rauen Steinfußboden davon gleitet, nur weil ich ihm eine Kugel verpasst habe, ist das etwas zu viel des Guten.

Gelassene Gegenspieler

Deckung? Deckung ist doch was für Mädchen!

Apropos „Kugeln fangen“: Gott sei es gedankt! Ich weiß nicht, wie ich darauf reagieren würde, wenn sich ein Geschoss mit Schallgeschwindigkeit durch meinen Unterleib gräbt. Ein lässiges „Penner!“ gefolgt von einem beinahe fröhlichen „Ich hab hier was für dich!“ wäre es wohl kaum. So negativ das im ersten Moment auffallen mag – irgendwie reiht sich die Synchronisation damit in den sonst so simplen, unkomplizierten Spielfluss ein. Das erinnert alles schon ziemlich stark an einen B-Movie. Jetzt weiß ich endlich wie Dolph Lundgren oder Michael Dudikoff sich fühlen müssen. Mit der Sprachausgabe ist es jedoch wie mit einem guten Witz: Beim ersten Mal kann man sich darüber noch prächtig amüsieren, beim zweiten Mal schmunzelt man nur noch und beim dritten Mal geht er einem, gelinde gesagt, auf die Nerven. Nicht, dass die Feindmasse anderer Shooter über einen größeren Sprachschatz verfügen würden; in Red Ocean rückt dieser jedoch so stark in den Vordergrund, dass es mir erst diesmal so richtig auffällt.

Viel zu oft stellen die Kommentare der Wachmannschaften einen Stolperstein für die herannahende Atmosphäre dar. Dann etwa, wenn ein einzelner von ihnen irgendwo in einem großen Raum umherirrt. Seine beste Deckung nützt ihm nichts, wenn er jegliche Spannung, jegliche Überraschung zunichte macht, in dem er lauthals „You like it?“ in den Raum brüllt. Oder gar als einzelner Gegner nach Deckung verlangt.

Simpler und unkomplizierter Spielfluss? Das schreit förmlich nach einem guten Mulitplayertitel! Dennoch entschloss man sich bei Collision Studios dazu, auf einen Mehrspielermodus zu verzichten. Der Grund? Man wolle den Fokus von Anfang an auf einen actionreichen Shooter mit Filmatmosphäre richten. Da diese stark auf den in den Singleplayermodus verwobenen unvorhersehbaren Ereignissen beruht, könnte man das Spielgefühl nicht in einen Mehrspielermodus übertragen. Und zumal die Collision Studios nur über einen begrenzten Stab an Programmierern verfügen, hat man die Ressourcen ganz einfach auf die Kampagne gelegt.

Was Unterwasser-Action angeht, bin ich vielleicht schon durch die Einblicke in BioShock im Vorfeld verwöhnt. Alles das was der Titel aus dem 2K Games richtig zu machen scheint, die hervorragende Optik, die beinahe geniale KI, ist bei Red Ocean auf den ersten Blick Mittelmaß. Auf den zweiten Blick wird allerdings klar: Der Vergleich hinkt – während andere Shooter immer neuen Superlativen verschiedener Aspekte hinterher zu rennen scheinen, steht beim Werk der Collision Studios der Spielspaß im Vordergrund – nichts anderes.

Grafikfetischisten mit einem Hang zu epochalen, tiefgründigen Geschichten, werde ich das Spiel nicht uneingeschränkt empfehlen können. Dennoch: Nicht zuletzt wegen der aufregenden Feuergefechte und dem tatsächlich simplen Gameplay, macht Red Ocean Spaß. Kurzum: Ein blutiger Tauchgang, der durch den Verzicht auf den Multiplayer vielleicht nicht über Wochen oder Monate an den PC fesselt. Für einige Stunden jedoch mit Sicherheit.

Red Ocean soll bereits in den nächsten Tagen beim Händler einschlagen. Wer den Shooter in Bewegung sehen möchte, wirft einen Blick auf unsere Gameinfo-Seite.

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