Redout 2 – Test: Der schönste Rausch für Speed-Süchtige
Falls ihr den Start übersteht
Viele Arcade-Racer haben sie: diese eine Strecke, die nicht gerade schwer zu fahren ist und auf der man dafür durch eine so wunderschöne Umgebung rauscht, dass man nur deshalb immer wieder zum Einzelrennen startet, um bei tausend Sachen die Seele baumeln zu lassen.
Auch Redout 2 hat diesen Kurs und es ist Japan zur Kirschblütenzeit, wo man an einer Stelle kopfüber direkt über einem Fluss entlang rast, bevor sich die flache Strecke durch drei hölzerne Torbögen hindurch wieder richtig herum dreht.
Es ist außerdem dieser Kurs auf dem zur neuen Erde gemachten Mars, wo man um die Außenseite eines Loopings donnert, bevor sich die Magnetbahn in einen tiefen See hinabsenkt. Es ist die Strecke in Kairo, wo man in einer Talsenke durch dichten Sand rast, und jene in der schwebenden Stadt, wo man aus milchigen Wolken in den klaren Himmel bricht, sowie die eine vor dem Schwarzen Loch, auf der man einer Singularität gefährlich nahekommt. Und es ist die im Marianengraben, wo sich das farbenfrohe Neonband fast ausschließlich unter Wasser entlang schlängelt – unterbrochen nur vom Durchfliegen von mit Atemluft gefüllter Hotelkuppeln.
Ihr wisst längst, worauf ich hinauswill: Redout 2 ist ein atemberaubendes Erlebnis! Kein anderes Spiel dieser Art bekommt das in dieser Qualität hin. Denn nur hier kann man dank der großen Umgebungen so weit voraus und auch abseits der Strecke sehen, dass man genau mitbekommt, wie elegant sich die Magnetbahn um sich selbst, um Wolkenkratzer oder in einen Berg hinein dreht. Weil man damit nicht nur Pilot, sondern gleichzeitig auch Zuschauer ist, gehören einige dieser Loopings und Korkenzieher zu den schönsten, die ich kenne.
Mehr Vollgas geht nicht
Der Witz ist, dass das Ganze mit einem unverschämten Affenzahn geschieht und man trotzdem nichts verpasst. Redout 2 ist nämlich einer dieser typischen Arcade-Racer, deren Vision von Rennsport sich vor allem um das Erreichen halsbrecherischer Geschwindigkeiten dreht. Wobei es untypischerweise auf Waffen verzichtet und sich vielleicht deshalb noch stärker aufs Gasgeben konzentriert.
Man ist ja fast ständig am Boosten! Neben Beschleunigungs-Toren, die dem Schiff einen kurzen Tritt in den Hintern verpassen, gibt es nämlich gleich zwei manuelle Turbos: Nummer eins aktiviert man jederzeit durch Festhalten der entsprechenden Taste, während Nummer zwei nach Knopfdruck ein paar Sekunden lang von selbst durchpowert, bevor er sich wieder aufladen muss.
Entscheidend ist, dass man die beiden kombinieren darf, wodurch man erst so richtig in den Sitz gedrückt wird. Sprich, wer die Strecke kennt, holt dort, wo das möglich ist, enorm viel Zeit raus – diese Abschnitte zu kennen und sauber zu fahren, ist also der entscheidende Sekundenkiller. Die Kunst ist es dabei, den Turbo nur genau so lange zu überhitzen, dass das Schiff gerade noch nicht auseinanderfällt. Denn ist die Maschine erst mal heiß, brennt sie sich glatt durch den Schild – was in Ordnung ist, falls man anschließend ein paar Sekunden lang fehlerfrei rast, damit sich der Schild erholen kann.
Und dieses ständige Ausreizen des Limits, das verschafft Redout 2 schließlich den entscheidenden Kick.
Ich finde es jedenfalls klasse, mit panisch piepender Schildwarnung durch eine Reihe an Kurven zu donnern, um auf der nächsten Geraden schon wieder den Boost zu zünden, obwohl der Schild noch am Aufladen ist. Überhaupt untermalt der Sound das Geschehen über das futuristische Röhren der Motoren, das elektronische Wabern des Schilds und das satte Schnalzen nach einer sauberen Landung ganz hervorragend. Der mal verträumt fließende, mal trocken treibende Soundtrack tut sein Übriges.
Sprünge und Patzer
Nur die Sprünge vor solch gut klingenden Landungen sind für mich leider ein Downer, weil es stellenweise unnötig kompliziert ist, den Gleiter durch Drehen, Kippen, Neigen, Rollen sowie exaktes Beschleunigen so auszurichten, dass er exakt... nein, dass er überhaupt am anderen Ende einer Schanze ankommt!
Mitunter versteht man ja besonders in den ersten Runden auf einer neuen Strecke nicht mal, wohin man eigentlich fliegen muss. Nicht falsch verstehen: Es gibt ein paar saucoole Sprünge. Hier und da erlaubt sich Entwickler 34BigThings aber ein Streckendesign, das mit erschreckender Sicherheit jeden Spaß aus dem Erlebnis zieht, solange man das Layout noch nicht im Schlaf beherrscht. Glück im Unglück: Das ist im Wesentlichen nur an einem der neun Schauplätze (und seinen drei Streckenvarianten) und sehr wenigen anderen Stellen der Fall.
Auch Kurven, die hinter einer Anhöhe wie aus dem Nichts hart abknicken und hinter denen sich keine Fahrbahnbegrenzung befindet, stellen zum Glück die Ausnahme dar. Wobei Haarnadeln in Redout 2 ohnehin eine untergeordnete Rolle spielen. Da die Gleiter recht gemächlich auf Eingaben reagieren, funktioniert das hiesige Racing nämlich nur auf einem weitgehend gleichförmigen Streckenverlauf. Dass sich als Konsequenz daraus vieles gleich anfühlt, ist ein weiterer Vorwurf, den sich 34BigThings gefallen lassen muss.
Ach, und dann... Warum haben die Entwickler nicht ein wenig genaueren Feinschliff betrieben, bevor sie ihren Nachfolger zum Stapellauf freigaben? Warum funktioniert das Zurückspulen zum Ausmerzen von Patzern etwa ausgerechnet im Tutorial nicht? Weshalb gibt es in der Kampagne sinnlose Bonusziele wie das Vermeiden von Respawns in einem Rennen, in dem Respawns ohnehin deaktiviert sind? Wieso werden ein paar wichtige Details nie erklärt, aber ganz grundlegende Tutorials erst nach einigen Stunden Karriere-Fortschritt freigeschaltet? Wie kann es sein, dass man die Steuerung zwar frei belegen, aber unter bestimmten Umständen partout nicht bestimmen darf, mit welcher Analogstick-Bewegung man die Nase des Schiffs hochzieht? Und aus welchem Grund werden die Farben auf den Konsolen falsch dargestellt beziehungsweise liegt am PC bei eingeschaltetem HDR ein fetter Grauschleier über dem Bild?
Die lange Leiter der Karriere
Es gibt eine ganze Reihe solcher Ärgernisse. Tatsächlich hatte ich mich in den letzten Tagen mehrmals über das Spiel geärgert oder zumindest ein großes Fragezeichen über dem Kopf, was dem eleganten Turbo-Trip doch ein wenig Wind aus den Segeln nimmt.
Ist das schlimm?
Anfangs schon. Muss man erst mal reinkommen, können diese Kleinigkeiten ganz schön nerven. Nach einigen Stunden sind das fast alles aber auch Details, die zwar weiterhin Kopfschütteln einfordern, doch dem eigentlichen Geschwindigkeitsrausch letztlich wenig anhaben. Dafür fährt dieser einfach zu große Stärken auf – zum Beispiel eine enorm umfangreiche Karriere, in der man nach und nach sowohl neue Schiffe als auch zahlreiche Tuningteile freischaltet. Von denen verschönern einige lediglich den Gleiter (oder richten das Gegenteil an) und andere steigern seine Leistung.
So erhöht man nach und nach die Endgeschwindigkeit, Boost-Stärke, verbessert die Lenkung sowie andere Eigenschaften, wobei höherwertige Bauteile natürlich ein bestimmtes Merkmal deutlich verstärken, während sie ein anderes klar verschlechtern. Man spezialisiert sich also mit fortschreitender Erfahrung und darf verschiedene Setups sogar speichern.
Logisch: Im Arcade-Modus, wo es um Platzierungen in weltweiten Ranglisten geht, stehen ausschließlich vorgefertigte High-End-Maschinen zur Verfügung. Das Gleiche gilt für den Multiplayer, bei dem in Kürze auch saisonale Herausforderungen und Ranglisten-Rennen hinzukommen. Wer will, lädt außerdem seine Freunde ein – leider nicht plattformübergreifend. Und leider fehlen derzeit Möglichkeiten Online-Events in Sachen Strecken- oder Event-Auswahl in irgendeiner Form anzupassen oder auszuwählen. Es wäre schön, wenn das in Zukunft möglich ist.
Aber zurück zur Karriere, die nicht nur lang, sondern auch angenehm fordernd ist. Das gilt jedenfalls für die höheren Schwierigkeitsgrade, in denen einem die KI dermaßen rasant davonzieht, dass man weitgehend fehlerfrei fliegen und die Boosts effektiv nutzen sollte. Gut so! Damit ist die Karriere nicht nur Beschäftigungsmaßnahme, sondern ein auf lange Sicht spannender Wettstreit.
Keine Angst, ihr könnt den Anspruch bis auf das Äquivalent zum Wandersimulator runterziehen, wobei ihr auf der niedrigsten Stufe sogar beliebig oft das sonst begrenzte Zurückspulen nutzt. Zusätzlich gibt es gleich mehrere Fahrhilfen in beliebiger Stärke. Stellt ihr alle auf Maximum, seid ihr mehr Beifahrer als Pilot und dürft in Ruhe den Ausblick genießen.
Ganz wichtig ist mir nicht zuletzt, dass 34BigThings doch tatsächlich eine KI hinbekommen hat, bei der man nicht nur gegen ein anonymes Pulk an Kontrahenten rast, das mal weit vorne, mal deutlich zurückliegt. Vielmehr liefere ich mir hier erfreulich oft Duelle gegen hartnäckige Widersacher, die in etwa gleich schnell sind. Die kann man durch genaues Beobachten ihrer Positionsmarkierung schon mal kurz hinter sich halten und denen unterlaufen ähnlich blöde Fehler wie mir. So erlebt man oft ein erstaunlich enges Hin und Her, bis man es endlich schafft, sich selbst zu steigern und ihnen so davonzuziehen.
Auch das trägt dazu bei, dass ich diesem starken Racer so manche Kleinigkeit gerne nachsehe.
Redout 2 – Test-Fazit
Ich hatte durchaus überlegt, Redout 2 als wunderschönes One-Trick-Pony zu beschreiben, da sich viele Strecken von ihren Elementen her verdammt ähnlich sind und auch die lange Karriere daher recht gleichförmig verläuft. Rechnet ein paar technische Ärgernisse hinzu und ihr wisst, warum es sich nicht an die Spitze seiner Klasse setzt. Aber meine Güte, ist das ein berauschendes Erlebnis, wenn man mit Dauerboost in einen riesigen Kreisel rast, den man weit im Voraus schon in den Ozean drehen sieht! Das sind die Momente, für die ich das Gamepad in die Hand nehme, und Redout 2 ist quasi das Spiel zu diesen Augenblicken. Dass man die Schwierigkeit sehr variabel auf eigene Vorlieben einstellen darf, man deshalb auf satten 27 Strecken herrlich anspruchsvolle Rennen erleben kann und das Ganze auch noch von kompetenten Arcade- und Multiplayer-Varianten gestützt wird, macht das Ganze rund. Mein Verlangen nach einem neuen WipEout-Kick ist damit jedenfalls fürs Erste mal wieder gestillt.