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Rein theoretisch: Kann AMDs Polaris den Mainstream-Grafikkartenmarkt zurückerobern? - Digital Foundry

Neue Leaks zeichnen ein klareres Bild der möglichen R9-470/R9-480-Performance im Segment von unter 250 Euro.

Endlich macht sich die nächste Generation der PC-Grafiktechnologie startklar. Mit der Ankunft von DirectX 12 stehen uns viele Innovationen ins Haus - und die Massenproduktion neuer Grafikkarten mit Cutting-Edge-Architekturen und State-of-the-art-Fertigungsprozessen. Wir spekulierten bereits darüber, welche Möglichkeiten Nvidia offen standen und kamen der technischen Beschaffenheit der schließlich angekündigten Produkte ziemlich nahe. Jetzt ist es an der Zeit, unsere Aufmerksamkeit auf AMD zu richten. Wir wissen, dass die neue Polaris-Technologie kurz bevorsteht. Und jetzt wissen wir auch, welche Form die ersten Produkte auf dieser Basis annehmen werden. Während Nvidia sich mit seinen ersten neuen GPUs an High-End-Enthusiasten richtet, bei denen das Geld etwas lockerer sitzt, richtet sich AMD mehr an den Mainstream-User.

AMD wird eine ganze Reihe an Polaris-Karten veröffentlichen, aber im Grunde basieren alle auf zwei unterschiedlichen Hardware-Designs, Polaris 10 und Polaris 11. Erstere wird offenbar den Platz der R9 380 und 380X einnehmen, während die andere fast sicher die günstigeren Karten beerbt: Die R7 370 und vielleicht sogar die knapp 120 Euro teure Karte R7 360. Polaris 11 bildet auch die Basis für AMDs Gaming-Laptop-Strategie. Das Ziel hier ist es, Konsolen-Performance in dünnen und leichten Notebooks zu liefern. Beide Karten-Technologien haben die 14-nm-FinFET-Transistortechnologie gemein, die im Vergleich zum 28-nm-Fertigungsprozess, der in den aktuellen Karten zum Einsatz kommt, eine Verdopplung in der Dichte darstellt.

Der entscheidende Faktor hier ist, dass die R9-Fury-Linie AMDs Produkt am oberen Ende der Leistungsskala bleibt. Die neuen Designs der Firma richten sich dagegen an den Massenmarkt.

"Ich glaube, Polaris ist eine große Sache, weil wir damit den TAM [total addressable market] deutlich vergrößern können", gab AMDs Roy Taylor im Gespräch mit Ars Technica zu Protokoll. "Ich glaube nicht, dass Nvidia etwas dafür tut, den TAM zu vergrößern, denn alles, was wir bisher von Pascal gesehen haben, deutet darauf hin, dass es ein High-End-Teil wird. Ich kenne ihre Preise nicht, aber sagen wir, er bewegt sich zwischen 600 und 1.000 Dollar. Dieser Bereich wird den TAM für Virtual Reality nicht vergrößern. Wir legen uns darauf fest und sagen, Polaris wird den TAM allgemein erweitern. Punkt."

Taylors Einschätzung hier lag ein wenig daneben, wenn man sieht, dass die GTX 1070 eher bei 380 Dollar liegen dürfte, aber trotzdem ist seine Position einleuchtend. AMD will die Einstiegskosten reduzieren, die erforderlich sind, um die VR-Systemvoraussetzungen zu erfüllen, die Oculus als Minimum ausweist. Das wären die Radeon R9 290 sowie die GeForce GTX 970 und im Großen und Ganzen haben sich die Entwickler der Spiele auch daran gehalten. Eine gute Wahl, die den so genannten "Sweet spot" markiert. Auf die Nvdia-Karte allein entfallen fünf Prozent des Enthusiasten-Marktes, wenn man Steams Hardware-Umfrage vom März 2016 glaubt. Das ist ein phänomenales Ergebnis, wenn man die große Bandbreite an Grafikhardware berücksichtigt. Und nach aktuellem Stand ist AMDs Wettbewerber, die R9 390, möglicherweise sogar die bessere Karte. Rein theoretisch könnte deren Nachfolger die gleiche Performance bieten oder sie sogar übertreffen, je nachdem wie hart AMD an die Grenzen gehen will.

Alles, was wir über AMDs Mainstream-Pläne für die Polaris-GPU-Architektur wissen.Auf YouTube ansehen

Wie schlagen sich also die Spezifikationen? Was wir bisher wissen, ist, dass eine mögliche Version von Polaris 10 2.034 Shader besitzt - oder 36 Compute Units. Sie verfügt außerdem über einen 256-bit Speicherbus und GDDR5-Speicher. Wie ihr unten am Vergleich mit AMDs existierenden 28-nm-Gerät sehen könnt, weisen unsere Informationen sowohl auf ein rechnerisches Defizit als auch auf eine Reduktion in der Speicherbandbreite hin, sofern AMD darauf abzielt, die Performance einer R9 390 zu liefern. Allerdings berücksichtigen diese Zahlen ebensowenig die Effizienzverbesserungen der GCN-Architektur sowie etwaige Zuwächse bei den Taktfrequenzen, die am Ende durchaus ausgleichend wirken könnten.

Unsere Polaris-10-Spezifikationen müssen von einem Vorschau-Muster kommen. Die Geräte-IDs von einer Reihe Polaris-Prozessoren wurden einer Linux-Kernel-Submission entnommen. Von dort aus reichte eine einfache Google-Suche, um einen SiSoft-Benchmark zu finden, ebenso einige GFXBench-OpenGL-Testergebnisse. Was auffällig ist, sind die Taktraten des Polaris 10 - nur 800 MHz. Gut möglich, dass es sich um ein niedriger getaktetes Muster handelt. Die PlayStation Neo - die fast sicher einen Polaris 10 nutzen wird - verfügt über einen GPU-Takt von 911 MHz, während die GTX-1080-Demo eine übertaktete GPU bei 2,1 GHz zeigte und die Erwartungen an die Geschwindigkeiten, die mit FinFET-Produkten möglich sind, radikal in die Höhe trieb.

Zwei Möglichkeiten: Es könnte sich um ein Vorproduktionsteil mit niedrigeren Frequenzen handeln oder vielleicht um eine energieeffiziente Version. Vielleicht sogar ein Testlauf für einen High-End-Laptop-Prozessor. Dennoch, die Ergebnisse liefen unterhalb der R9-390-Spezifikationen. Aber ein anderer Leak - zeigt Polaris 10 bei 1.050 MHz - nun, der könnte das sehr wohl wieder wett machen. Tatsächlich scheinen selbst 1.050 MHz nach der Pascal-Vorstellung sehr konservativ zu sein. Und natürlich müssen wir berücksichtigen, dass diese Benchmarks wenig mit tatsächlicher Gaming-Performance zu tun haben.

Es gibt noch eine andere Möglichkeit: Das dies eine mögliche R9 480 mit deaktivierten Compute Units ist. Die R9 480X könnte demnach ebenso in der Pipeline sein, mit kompletten 40 CUs, wie auch die R9 390. Man muss dabei bedenken, dass sowohl AMD als auch Nvidia mehrere GPUs auf Basis des gleichen Prozessors produzieren und Teile des Chips deaktivieren. Angenommen die neuen Chips bieten R9-390-Performance oder besseres zum Preis der R9 380, 380X oder darunter, dann wäre das eine potente Kombination - auch wenn die Definition einer Preis-Leistungs-GPU durchaus neu definiert werden könnte, wenn Nvidia tatsächlich mit der GTX 1070 Titan-X-Performance für 380 Dollar liefert.

Wir haben nur den Hauch einer Ahnung von der Polaris-Performance, basierend auf geleakten Benchmarks, die OpenGL-Workloads aus GFXBench nutzten.
Polaris 10 Tonga/Antigua Hawaii/Grenada
Produkte Mögliche 480/480X R9 285/380/380X R9 290/290X/390/390X
Compute Units 36 (Mögliche 40 für eine '480X') 28/32 (380X) 40/44 (290/290X)
RAM 4 GB GDDR5 2 GB/4 GB GDDR5 2 GB/4 GB/8 GB GDDR5
Memory Interface 256-bit 256-bit 512-bit
Fertigungsprozess 14 nmFinFET 28 nm Planar 28 nm Planar

Und wir wissen jetzt auch mehr über Polaris 11. Die Fachausdrücke deuten vielleicht auf einen leistungsfähigeren Chip als Polaris 10 hin, aber GFXBench-Testergebnisse stimmen mit dem a Compubench-Leak überein und bestätigen, dass es tatsächlich ein Ersatz für das klassische „Pitcairn“-Design ist, auf dem Radeon-Karten wie die HD 7850, HD 7870, R9 270, R7 265, R9 270X, R9 370 und natürlich die PlayStation 4 basieren. Der Compubench-Leak verrät uns, dass eine Iteration von Polaris 11 über 1.024 Shader beziehungsweise 16 Compute Units verfügt - exakt so viele wie bei der Radeon HD 7850/R7 265/R9 370. Ohne Zweifel wird es sicher auch eine Version geben, bei der alle 20 CUs aktiviert sind. Polaris 11 ist nicht nur eine Desktop-Karte am unteren Ende des Leistungsspektrums (hoffen wir auf einen Preis von unter 125 Euro für die 16-CU-Version), sondern auch AMDs Versuch, Marktanteile im Gaming-Notebook-Markt zurückzugewinnen, indem man Performance auf Konsolenniveau für dünne und leichte Laptops bietet.

Der Benchmark-Leak verrät uns sehr wenig über die tatsächliche Performance von Polaris 11, aber AMD selbst gibt an, dass ein Polaris-Chip - mit ziemlicher Sicherheit Polaris 11 - 61 Prozent weniger Strom beim Abspielen von Star Wars: Battlefront in 1080p60 auf mittleren Einstellungen verbraucht - effektiv sind das 84 W gegenüber den 140 W einer vergleichbaren Nvidia-Karte. Wir haben ein paar Probleme mit diesem Vergleich. Das Spiel läuft auf AMD-Hardware einfach besser und die 950 ist eine schwächere Version der 960, läuft also nicht mit der maximal möglichen Effizienz. Dennoch zeigt es, dass der Fokus von Team Rot darauf liegt, den Stromverbrauch zu senken. 1080p60 auf mittleren Einstellungen sollte eine ähnliche Performance bieten wie 900p auf hohen Einstellungen - was so ziemlich dem entspricht, wie die PS4-Version von Battlefront läuft.

Polaris mag wie eine Enttäuschung für diejenigen aussehen, die sich erhofft haben, dass sich Team Rot im Angesicht der radikalen Pascal-Vorstellung den Titel als Hersteller der weltweit schnellsten GPUs zurückholt, aber die Frage ist, wie viel mehr Performance die jüngste Iteration der GCN-Architektur gegenüber ihrem Last-Gen-Gegenstück bieten kann. Unserer Ansicht nach könnte es eine gute Strategie sein, wenn auch vielleicht nicht aus den Gründen, die AMD öffentlich nennt. Roy Taylor spricht über VR als Fokus, aber das gleiche Leistungsniveau hat auch einen praktischeren Nutzen, besonders die Fähigkeit, die visuelle Qualität der Konsolen zu erreichen oder zu übertreffen und gleichzeitig 1080p60-Performance oder besser zu ermöglichen. Werfen wir noch einmal einen Blick auf AMDs Battlefront-Beispiel. Nehmen wir an, dass Polaris 10 eine ähnliche Performance wie eine R9 390 bietet, sollte eine 1080p60-Performance mit Ultra-Einstellungen möglich sein, wobei gleichzeitig im Vergleich zu den vorhandenen Hawaii/Grenada-Karten deutlich weniger Strom verbraucht wird.

Polaris zielt auf den Massenmarkt sowie die Budget- und Gaming-Notebook-Märkte ab. Wenn ihr nach einem Next-Gen-AMD-Produkt sucht, das für höchstmögliche Performance entworfen wurde, müsst ihr auf die für nächstes Jahr geplante Vega warten.
Polaris 11 Bonaire Pitcairn
Produkte Möglicherweise 460/470/470X HD 7790/260/ 260X/360 HD 7850/7870/R9 265/270/270X/370
Compute Units 16 (Möglicherweise 20 für die “470X”) 12/14 (260X) 16/20 (7870/270X)
RAM 2 GB GDDR5 1 GB/2 GB GDDR5 2 GB/4 GB GDDR5
Memory Interface 128-bit 128-bit 256-bit
Fertigungsprozess 14 nm FinFET 28 nm Planar 28 nm Planar

Warum genau AMD eine solche Karte für VR anbietet, ist etwas rätselhaft, wenn man bedenkt, dass es eine Plattform ist, die eine Investition von rund 700 Euro für das Headset erfordert. Allerdings sieht das Endresultat - R9-390-Performance für den Preis einer R9 380 - nach einem guten Deal aus. Und wenn AMD nah an die wahnsinnigen Taktraten von Pascal herankommt, könnte Polaris 10 tatsächlich eine sehr fähige Komponente sein. Und es ist ein Bereich des Marktes, den AMD kurzfristig für sich gewinnen könnte, wenn wir davon ausgehen, dass Nvidia kein Konkurrenzprodukt veröffentlicht - was alles andere als unmöglich ist.

Was bedeutet das wiederum für die High-End-“Halo“-Produkte? Für den Moment bleibt die R9 Fury das Flaggschiff, obwohl wir vermuten, dass die Preise deutlich sinken könnten, sobald GTX 1080 und GTX 1070 auf den Markt kommen. Wir wissen, dass AMD die Fury X irgendwann 2017 mit einem neuen Produkt ersetzen will, das auf den Codenamen Vega hört und ein neues Prozessor-Design mit HBM2-Arbeitsspeicher kombiniert. Dank eines eher unglücklichen LinkedIn-Leaks eines AMD-Technikers wissen wir, dass Vega 4.096 Shader (64 Compute Units) bieten wird - so viele wie die Fury X.

Es ist eine interessante Information. AMD setzt entweder auf Verbesserungen der Architektur, um es konkurrenzfähig zu machen, oder einfach nur auf einen kleineren, günstigeren Chip, der mehr ein Ersatz für die vorhandenen R9 390 oder 390X im Hinblick auf die Preispositionierung ist. Es besteht auch die Chance, dass sie eine höhere Taktrate bekommt: Die bisher in allen Leaks gesehen Taktraten waren deutlich niedriger als das, was Nvidias Pascal bietet und wir erwarten uns hier noch etwas Bewegung. Immerhin deutet der Geschwindigkeitszuwachs der PlayStation Neo (911 MHz im Vergleich zu den 800 MHz der PS4) an, dass AMDs 14-nm-FinFET schneller läuft als die 28-nm-Prozessoren.

Schlussendlich bietet der Wechsel zur FinFET-Transistor-Technologie sehr viele Möglichkeiten. Ob nun durch Zufall oder absichtlich, AMD spricht mit seinen anfänglichen FinFET-Produkten einen völlig anderen Markt an als Nvidia. Ob Team Rot seine Führungsposition zurückgewinnen oder einen großen Teil des Mainstream-Marktes für sich beanspruchen kann, wird davon abhängen, wann Nvidia änhliche Produkte veröffentlicht. Sofern es nicht zu unerwarteten Überraschungen kommt, bestätigt AMDs Roadmap, dass das Unternehmen Nvidia im Jahr 2016 am oberen Ende des Leistungsspektrums keine Konkurrenz macht. Wird Nvidia sich im Mainstream-Segment zur Wehr setzen? Und welche Rolle spielt eine marktführende Performance auf dem Mainstream-Markt im Vergleich zur Markenmacht? Werft einen Blick auf die zweitbeliebteste, diskrete GPU in der Steam-Hardware-Umfrage: Es ist die GTX 960, nicht die günstigere und deutlich leistungsfähigere R9 380...

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