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Rèpublique Remastered - Test

Hey! Teachers! Leave them kids alone!

Gemütliches Stealth-Abenteuer mit extravagantem Ablauf und faszinierendem dystopischen Szenario - aber auch mit konzeptionellen Schwächen.

Wer sich fragt, weshalb es beim Namen République leise klingelt: Es ist das iOS-Spiel, bei dem ihr vor etwas über einem Jahr dachtet, dass es nach etwas aussehen würde, was ihr gerne spielen wollen würdet. Nichts gegen den florierenden Spielemarkt des AppStores, der bereits die eine oder andere Perle hervorgebracht hat. Konsolen- und PC-Spieler-Sensibilitäten bedienen die häufig auf einfache Geschicklichkeits- und Knobelaufgaben abonnierten Spiele nur in seltenen Fällen. Genau da setzte Camouflaj mit seinem dystopischen Abenteuer an. Sie schufen eine interessante, plastische Welt, in der man mit Leichtigkeit aufgeht, weil man herausfinden will, warum sie tickt, wie sie tickt.

Es spricht für das Spiel, dass es sich nun, frisch auf die neue Unity-5-Engine und auf PCs portiert, definitiv nicht wie ein ein Schale geschmissenes iPad-Spiel anfühlt. République Remastered hat jedes Recht, hier zu sein, muss sich daher aber auch gefallen lassen, mit den besten den Genres verglichen zu werden. Worum es geht: Nun, das weiß ich nach drei von fünf Episoden - die letzten beiden erscheinen hoffentlich noch in diesem Jahr - noch nicht so ganz. Ein junges Mädchen namens Hope sitzt in einer hermetisch verriegelten, vermutlich unterirdischen Anlage, die auch einer von Ken Levines durchgeknallten Visionären errichtet haben könnte. Halb Resident-Evil-Herrenhaus, halb trockengelegtes Rapture herrscht hier ein Regime, das Aldous Huxleys wildeste Befürchtungen bestätigen würde.

Überlässt man Hope sich selbst, schleicht sie automatisch recht clever so um die Deckung herum, dass sie im toten Winkel der Wachen bleibt.

Überall Kameras, Wachen mit Tasern, die ihre Runden drehen, und ein Personenkult um einen gewissen Overseer, den der Gepriesene augenscheinlich selbst am meisten glaubt. Vermeintlich aufrührerische Weltliteratur von Orwells 1984 bis zum Graf von Monte Christo ist verboten oder wird zumindest aus der Wahrnehmung dieser sterilen soziologischen Kapsel getilgt. Ideologische Gleichschaltung ist die Devise, ohne dass ich bis hierhin wüsste, welche Ideologie nun genau verfolgt würde. Was das Spiel allerdings gleich klar macht, ist, dass die Machthaber über Mittel und Wege verfügen, unliebsame Subjekte zu "rekalibrieren".

Genau das ist es, was Hope bevorsteht, als sie über ihr Handy - das die Machthaber ihr in diesem Spiel Mal um Mal ein wenig zu freigiebig lassen - mit dem Spieler Kontakt aufnimmt. Fortan übernehmt ihr die Kontrolle des Typen auf der anderen Seite der allgegenwärtigen Überwachungskameras. Ihr schaltet euch von Kamera zu Kamera, kundschaftet so den Weg und Wachrouten für Hope aus und manipuliert die Systeme der Anlage, die lose an die semi-offene Struktur der Metroid und Castlevania-Spiele angelehnt ist. Hier und da blocken Türen euren Weg, die euer Hacking-Tool noch nicht knacken kann, manches Mal kommt ihr in bereits besuchte Bereiche zurück, ihr kennt das.

Insgesamt ist République aber ein deutlich langsamerer Titel, eher am Tempo eines Point-and-Click-Abenteuers orientiert. Fast in jedem neuen Raum gibt es neue Gegenstände zu entdecken und anzuklicken, die dann entweder Audioaufzeichnungen abspielen oder anderweitige Kommentare mit sich bringen, die das Szenario weiter ausschmücken. Ihr werdet viel lesen, zuhören und erkunden, während Hope an sicherer Stelle hinter einer Deckung kauert. Das dürfte nicht jedermanns Rhythmus sein, ist an und für sich und mit Ausnahme des einen oder anderen Raumes, der einen mit Exposition zu erschlagen droht, aber kein Qualitätsmerkmal, sondern eher eine Frage des Geschmacks.

Einige der ordentlichen, aber einfachen Rätsel lassen die iOS-Vergangenheit erkennen. Hier drehen wir den Entwurf eines 3D Druckers so, dass am Ende ein Schlüssel entsteht.

Stealth spielt definitiv eine Rolle, wenn ihr Hope mit gezielten Klicks zu verstehen gebt, wohin sie gehen soll, wann zu schleichen oder zu rennen ist und auf welcher Seite dieser Kiste sie nun am besten Deckung bezieht, um nicht von einer der Wachen gesehen zu werden. Passiert das doch, habt ihr verschiedene Möglichkeiten. Je nach Ladestand von Hopes Handy-Batterie, beeinflusst ihr einige Einrichtungsgegenstände. Lasst etwa eine Gegensprechanlage klingeln oder eine Kaffeemaschine überkochen, um die Wachen abzulenken. Bietet sich euch diese Option nicht, schickt ihr Hope rennend in den nächsten Raum und verriegelt im rechten Moment hinter ihr die Tür, sodass ihr Verfolger nicht hinterherkommt. Wird sie doch geschnappt, gibt es mit Tasern und Pfefferspray Verbrauchsgegenstände, mit denen sie das Wachpersonal automatisch neutralisiert.

Gelingt weder das eine noch das andere, wird sie zurück in eine Zelle eskortiert, aus der sie dank eurer Hilfe ohne Probleme immer wieder entkommt - und sogar eine Ladestation an der Wand findet, um ihre Batterie wieder zu füllen. Backtracking als einzige Strafe und ein voller Akku als Belohnung. Der eine oder andere wird aus diesen Schilderungen die beiden zentralen Probleme Républiques bereits erkannt haben: Zum einen nimmt dieses mehr oder weniger folgenlose Herumschleichen der eigentlichen Heimlichtuerei jegliche Spannung und entzahnt im Vorbeigehen zugleich sein ach-so-schreckliches Regime, das nicht Willens oder in der Lage ist, eine Halbwüchsige in einem Maße zu disziplinieren, das weitere Fluchtversuche vereitelt.

Viel wichtiger ist jedoch die Frage danach, wer hier überhaupt was macht und wen der Spieler nun genau verkörpert. Ich habe schon bis Episode zwei gebraucht, um zu realisieren, dass ich nicht "Cooper" bin. Dessen verfremdete Stimme, die regelmäßig reinfunkt, befand sich nämlich nicht im Dialog mit Hope, sondern mit meiner nicht näher spezifizierten Wenigkeit. Eine Erkenntnis, nach der ich ebenfalls eine "Rekalibrierung" hätte gebrauchen können, aber gut. Das tatsächliche Problem liegt jedoch im Spielablauf selbst: Eigentlich sitze ich vor einem Monitor und helfe einer Hope, die mich nicht hören oder sehen kann. Obwohl unsere Kommunikation eine Einbahnstraße ist, steuere ich sie mit meinen Mausklicks jedoch mehr oder weniger direkt. Hätte sich das Spiel nicht eine elegantere Lösung einfallen lassen können, das Mädchen durch die "Metamorphosis" getaufte Anlage zu dirigieren?

"Viel wichtiger ist jedoch die Frage danach, wer hier überhaupt was macht und wen der Spieler nun genau verkörpert?"

Neben Spiele-Disketten findet ihr in den Umgebungen auch verbotene Bücher.

Was wäre mit Leuchtstreifen auf dem Boden, die man anknipst, um die Richtung vorzugeben? Das Spiel könnte vor seinem Hintergrund eines alles kontrollierenden Regimes problemlos ein "Leitsystem" für seine Untertanen rechtfertigen, in das der hackende Spieler dann eingreifen könnte. Was ist mit LEDs oder Schreibtischlampen, die man ein- und ausschaltet, um Hope zu bedeuten, "hier geht es lang"? Das Mädchen ist durchaus in der Lage, sich vollkommen autonom so um eine Deckung herumzubewegen, dass sie nicht entdeckt wird. Babysitten und direkte Kontrolle sind also eigentlich nicht gefragt. Und das ist nicht die einzige Stelle, an der Camouflaj nicht in der Lage ist, die Rollenverteilung klar aufzuschlüsseln. Warum hacke ich in diesem Überwachungssystem herum, verbrauche aber Hopes Batterie dabei, die nur sie an bestimmten Ladestationen wieder aufladen kann?

Versteht mich nicht falsch: Die Mechanismen des Spiels sind vollauf funktional. Es ist eine frische einfallsreiche Art, ein Stealth-Abenteuer zu erleben. Aber wenn man beginnt, darüber nachzudenken, fällt das Szenario ein wenig auseinander und darunter leidet die im Grunde exzellente Stimmung. Es wird Leute geben, die sich an derartigen Aussetzern der internen Logik weniger stören als ich. Für mich kam République wegen dieser beiden Faktoren nie so recht zusammen, obwohl die Weltengestaltung so ausgeklügelt ist. Alleine weil ich wissen will, was und vor allem wo Metamorphosis überhaupt ist, was "draußen" los ist und warum ausgerechnet ich Hope helfe - das ist faszinierendes Material, das mich vorerst bei der Stange hält.

Abseits konzeptioneller Schwächen nervt hier und da die im Grunde sehr schön in Szene gesetzte Karte. Oft genug erleichtert sie die Orientierung sehr und sieht dabei noch schick aus. Aber sie spart sich auch, Hopes aktuelle Blickrichtung einzuzeichnen. Weil man pro Raum nicht selten durch ein halbes Dutzend Kameras und damit aus diversen Winkeln auf das Geschehen blickt, legt République in der Animation vom Spiel- zum Kartenbildschirm häufig einen wilden Schwenk hin, der mitunter schwer verwirrend wirkt. Und auch ein Bug bremste mich bereits aus: Ich erreichte eine als Ziel markierte Tür, die sich aber nicht öffnete. Erst als ich ein bisschen durch die Gegend lief und aus einer anderen Richtung kam, öffnete sie sich und gab den Weg frei.

Technisch gesehen schlägt sich Unity 5 recht gut. Das Gebotene liegt in etwa auf dem Level eines guten PC-Ports eines Konsolentitels der letzten Generation.

Nett ist unterdessen, dass viele der Wachen Namen und Gesichter von Kickstarter-Backern tragen. Lässt man Hope die so genannten Prizraks bestehlen, erhält man häufig 3,5 Zoll-Disketten aktueller Indiespiele von Nuclear Throne bis hin zu Kentucky Route Zero. Mich motivierte das bis hierhin durchaus, regelmäßig lange Finger zu machen, auch weil Cooper ein wenig über die Titel referiert. Ich sehe allerdings auch, dass sich einige von derart dick aufgetragenen Referenzen an die reale Welt aus dem Geschehen gerissen fühlen könnten.

Das ist das zentrale Problem von Rèpublique Remastered. So anregend sein Szenario und der extravagante Spielablauf auch sind und so ermächtigend es sich anfühlt, den Geist in der Maschine zu geben: Es dauert nie allzu lang, da holt einen irgendetwas doch zurück in die Realität. Es ist ein Spiel mit einer Vision, keine Frage. Davon gibt es nicht allzu viele und allein deshalb ist man es ihm - und auch sich selbst - schuldig, es im Auge zu behalten. Bis hierhin, zur dritten von fünf Episoden, schleicht das Stealth-Abenteuer aber seinen großen Ideen eine Armlänge hinterher.

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Alexander Bohn-Elias Avatar
Alexander Bohn-Elias: Alex schreibt seit über 20 Jahren über Spiele und war von Beginn an bei Eurogamer.de dabei. Er mag Highsmith-Romane, seinen Amiga 1200 und Tier-Dokus ohne Vögel.

Informationen zu unserer Test-Philosophie findest du unter "So testen wir".

In diesem artikel

République

Android, iOS, PS4, PC, Mac

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