Resident Evil Village DLC: Auf zum Klassentreffen im Trash-Paradies!
...endlich ohne den glanzlosen Hauptdarsteller!
Resident Evil Village hat bei mir letztes Jahr eingeschlagen wie eine herrlich unterhaltsame Trash-Bombe. Um Halloween 2021 habe ich mich zum ersten Mal in ein Gruselspiel vorgewagt und der schräge Ausflug hat sofort seine Vampirkrallen in mein Herz geschlagen.
Jetzt brennt meine Sehnsucht nach Abenteuerurlaub im Fantasy-Osteuropa wieder, denn ab dem 28. Oktober 2022 geht es zurück ins Village. Mit der Gold Edition des Spiels erscheinen mehrere Zusatzinhalte und ein neuer Handlungsstrang, diesmal ganz ohne Mr. Winters in der Hauptrolle. Kein Ethan? Wie ich finde, ist das kein Grund zur Traurigkeit, sondern das Beste, was dem Village passieren kann.
Da es hier um die kommenden Erweiterungen geht, kann der Artikel natürlich Spoiler für die Handlung von Resident Evil 8 enthalten - also Vorsicht, wenn ihr es noch nicht gespielt habt.
Die große Schwäche von Resi Village? Die Hauptfigur!
Eines der größten Mankos von Resident Evil Village war für mich schnell klar: der Protagonist. Ich fand unseren blonden Hübschling von nebenan mit dem dezenten Pilzproblem ungefähr so charismatisch wie einen Stein, den man durch das Buntglasfenster von Lady Dimis Schloss wirft. Und besonders wird das deutlich, wenn man die Village-Fieslinge auf unseren "Well well well" Ethan Winters loslässt.
Die herrlich trashige Bösewicht-Gang um Oberhexe Miranda hatte für mich nämlich einen ähnlichen Charme, als hätte man eine Truppe Superschurken aus der alten Batman-Serie genommen und eine Horror-Version daraus gemacht. Das wirkte zwar schrecklich überspitzt und machte regelmäßig die Ernsthaftigkeit vom düsteren Village-Szenarios zunichte, ich hatte aber trotzdem oder gerade deshalb einen Heidenspaß mit den dramatischen Badguys.
Die theatralischen Monologe, die kindischen Streitigkeiten zwischen den Schurken, die übertriebenen Charakter-Designs, die Kampf-Moves, das alles ging auf eine absurde Art perfekt für mich auf. Der gute Ethan ist da das absolute Gegenteil. Während im Village alle Fieslinge hoffnungslos "overacten", lieferte Mr. Winters nur völlige Untertreibung in Sachen Ausstrahlung.
Klar: In Survival-Action hat ein Charakter einfach gar nicht so viel Zeit zu leiden oder zu trauern, denn dann wäre er tot. Macht ja nichts, wenn nicht so viel Gefühl gezeigt wird, denn auch der eiskalte, knallharte Tank im Rächermodus hätte in Action und Horror Tradition. Den bringt Ethan aber auch nicht überzeugend rüber, dafür ist er - tut mir leid, mein Freund - einfach zu langweilig.
Mr. Winters ist also nicht gerade ein Bringer in Sachen Heldenrolle und selbst zum Ende des Spiels noch nicht viel spannender als ein leeres Blatt Papier (vielleicht hilft ihm dabei ja der neue Third-Person-Modus). Im Epilog fällt das Spiel dem besorgten Pilz-Papa dann auch noch unterschwellig in den Rücken, denn Teenagertochter Rosemary macht in wenigen Minuten Screentime schon eine interessantere Figur her, als der Erzeuger im gesamten Game.
Ich meine: mit Cap, Outdoor-Jacke und Sneakern tritt Rose ohnehin schon im perfekten Survival-Look auf und charakterlich ist zwischen engelsgleichem Mädchen, wandelndem Mysterium und diabolischer Gefahr noch alles drin. Irgendwie muss ich bei ihr an eine Art blonde Eleven aus Stranger Things inklusive Pilzpower denken. Das ist fast, als wollte Capcom uns eiskalt vor die Nase halten: Guckt mal, so eine Heldin hättet ihr auch haben können... ätsch!
Neue Heldin, altes Dorf
Jetzt wissen wir: Der kurze Auftritt von Rose war nicht nur ein foreshadowing auf den nächsten Teil und auch kein frecher Seitenhieb auf den faden Papa, sondern bereits der rote Teppich für den kommenden DLC. In der Erweiterung Shadow of Rose übernimmt nämlich die Tochter das Ruder
Im düsteren Oktober 2022 fährt Rose Winters dann zurück ins Village, um die ehemalige Heimat ihrer Teilzeit-Zieheltern Lady Dimi, Heisenberg und Co. noch einmal zu besuchen - allerdings nur ihre Heimat, denn die berühmten Badbosse werden wir im DLC sicherlich nicht noch einmal antreffen.
Das ist es, was mich gleichzeitig ein wenig skeptisch, aber auch sehr neugierig macht, denn die Frage ist: Was bleibt vom Village ohne die Fieslings-Gang? Während ich es in Shadow of Rose sehr genießen werde, die großartig gestaltete, dichte Atmosphäre des düsteren Dorfes noch einmal zu erleben, werden mir die schrägen Vögel aus dem Hauptspiel schon etwas fehlen (und nicht nur, weil es zwei davon auf unsere Liste der Sexy-Charaktere 2021 geschafft haben).
Der erste Eindruck von Roses Geschichte wirkt mehr wie Coming of Age im Gruselschloss trifft auf Layers of Fear, aber das muss ja nicht das Schlechteste sein.
Wenn man primär die bizarren Figuren vermisst, gibt es aber auch etwas von Capcom: Im Herbst erscheint auch noch der Modus "The Mercenaries: Additional Orders", in dem nicht nur einige der wilden Gestalten wie Karl Heisenberg, Chris Redfield oder Lady Dimitrescu wiederkehren, sondern ihr sogar in deren Haut schlüpfen könnt.
Teenie-Roses Epilog im Bus sah für mich schon ein wenig nach Schulausflug aus und die Rückkehr ins namensgebende Dorf wird für mich mit Sicherheit ein wenig wie ein Klassentreffen mit den guten, alten Raudis, die man früher mit Begeisterung gehasst hat.
Soll heißen: "Shut up and take my money", dieses Halloween verbringe ich auf alle Fälle noch einmal im Village.