Age of Pirates: Caribbean Tales
Mantel ohne Degen
Versalzen, trocken und faserig
Du hast geträumt von einem zünftigen Piratenszenario mit blitzenden Degen und tätowierten Taugenichtsen, in dem es vor Spannung nur so knistert, in dem man als Spieler exotische Flecken der Welt besegelt und sagenumwitterte Schätze hebt! Ein atemloses Abenteuer mit allem Drum und Dran vom Suff in der Hafenkneipe über kurvige Südsee-Prinzessinnen bis hin zum Pulverdampf erbitterter Schiffschlachten. Doch was präsentiert Akella? Einen Spiele-Dörrfisch aus Wirtschaftssimulation und spröder Action mit einer Tastatursteuerung, die in ihrer Ungelenkigkeit an frühe PC-Adventures aus der Zeit des quadratzentimetergroßen Pixels erinnert. Wer das jetzt noch konsequent weiterdenkt, fragt sich, warum Akella nicht auch noch den "Monkey Island"-Kopierschutz mit der Piraten-Drehscheibe wieder aufleben ließ – den hätte zumindest ein Großteil der heutigen Spieler gar nicht mehr gekannt und lustiger als Starforce wäre er auch gewesen. Genauso wie russische Beleidigungsduelle …
Aber mal im Ernst, Blaze: Ich finde es eine Zumutung, wie stocksteif Dich Akella per W-A-S-D durch die Hafenstädte stolpern lässt, um den Leuten mit den komischen Ausrufezeichen über dem Kopf ein paar nette Worte oder einen Auftrag zu entlocken. Nicht nur, dass die am Anfang immer dasselbe erzählen, sie flutschen auch noch mit schöner Regelmäßigkeit an Dir vorbei. Und es ist schon entwürdigend, wenn Du so einen aufgeblasenen Perückenträger erst eine halbe Minute umtänzeln musst, bis er sich mal bequemt, den Mund aufzumachen! Und jedes Mal wenn Du mit "F3" ein Haus betrittst, darfst Du während der Ladezeit ein Weilchen Däumchen drehen und ein dekoratives Standbild betrachten. Warum lassen Dich die Akellas nicht einfach so durch die Tür marschieren? In anderen Spielen geht das doch auch?
Du fieberst dem Seefahrer-Leben entgegen, aber bevor Du auf Dein Schiff darfst, musst Du in der Stadt einiges erledigen: in der Kneipe Deine Mannschaft vervollständigen und auf der Werft Dein Schiff auf Vordermann bringen. Du brauchst Aufträge, damit Du Deinen Aufstieg zum Flottenkapitän irgendwie finanzieren kannst – Händler bitten Dich, Ihre Waren in ferne Länder zu verschiffen, manche fragen Dich verstohlen, ob Du Ihnen ein paar Sklaven besorgen kannst. Honoratioren machen auf wichtig und schicken Dich mit politisch brisanten Botschaften auf die Reise. Und Du machst alles, was Dir Geld in die Kasse spült - auch wenn Du Dich dabei immer wieder durch völlig überladene Menübildschirme quälen musst. Als Mann der Meere hast Du es mehr mit handfesten Tätigkeiten als mit dem Studieren umständlicher, oft missverständlich beschrifteter Tabellen. Statt Deinen potenziellen Offizier in der Kneipe auf ein Bier einzuladen und dann nach alter Seebärenart wortkarg zu fragen: "Hey … kommst mit? 1200 Taler?", erfolgt die Verständigung mit diesem ebenfalls strikt auf dem Dienstweg über ein umständliches Menü.
Mangelerscheinungen auf See
Einmal auf See, bist Du in Deinem Element – denkst Du. In Deinem langen Seefahrerleben hast Du schon so manche Jolle durch die Wellen gleiten lassen, doch in "Age of Pirates" fühlst Du Dich wieder wie ein Frischling am Steuerrad. Das geht schon los mit der Navigation: Du segelst manchmal fast blind durch die Gegend, weil Dir Akella stets nur einen Ausschnitt der Weltkarte zeigt – auf dem Dein Zielhafen oft genug nicht mehr mit verzeichnet ist. Unterwegs begegnen Dir andere Schiffe – friedliche Karavellen zum Beispiel, mit denen Du Handel treiben und Deinen Frachtraum mit frischen Vorräten auffüllen kannst. Mehr Nervenkitzel verspricht es aber, wenn Du die anderen Schiffe angreifst, enterst und ihre Ladung plünderst. Hast Du jetzt noch einen arbeitslosen Offizier an Bord, kaperst Du das fremde Schiff, ernennst Deinen Mann zum Kapitän und verleibst den Segler Deiner Flotte ein.
Das ist leichter gesagt als getan, denn auf Richtungsänderungen reagieren die Holzpötte auf hoher See nur sehr schwerfällig. Es dauert ewig, bis Du Dein Schiff für eine effiziente Kanonensalve richtig in Position gebracht hast – ein nervtötendes Katz-und-Maus-Spiel. Der Wechsel zwischen zoombarer "Third-Person"-Sicht und "An-Deck"-Modus lässt dabei auch oft orientierungsstarke Seemänner für Momente ratlos zurück. Gelingt es Dir, ein gegnerisches Schiff zu entern, machen sich zudem wieder Deine Skorbut-Zipperlein bemerkbar: Jetzt gilt es, die sich wehrenden Matrosen mit Pistole oder Degen zu unterjochen. Dabei führst Du die Klinge wieder so steif und ruckartig, dass man Dir aus Mitleid fast augenblicklich den Rücken massieren möchte, um Dir ein wenig den Schmerz zu nehmen! Blaze, so eine verkorkste Darstellung Deiner Heldentaten hast Du nicht verdient!
Lasst Euch bei "Age of Pirates" nicht vom ersten Eindruck blenden! Gut, die karibischen Städte und die Schlachten auf hoher See sehen klasse aus. Man ist aber gerade mal so lange davon angetan, bis man sich mit der ebenso altbackenen wie störrischen Spielmechanik vertraut gemacht hat. Der Mix aus Wirtschaftssimulation, rollenspielähnlicher Charakter-Entwicklung und ein bisschen Seeräuber-Action ist zwar familienfreundlich, stinkt mittlerweile aber auch schon ein wenig wie verdorbener Fisch – zumal es Akella nicht einmal für nötig befunden hat, die Einzelteile mit einer durchgehenden überzeugenden Hintergrundstory zusammenzukitten. Ich wünsche mir mal ein grafisch opulent präsentiertes Piratenspiel, das ganz auf Abenteuer und Action setzt. Kippt doch endlich den langweiligen Handelsteil über Bord und arbeitet stattdessen an Atmosphäre und Dramaturgie! Crytek, wie wär´s?