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Armed Assault

Ein Angriff, viele Opfer

2001 brachte Entwickler Bohemia Interactive mit Operation Flashpoint (OF) einen Taktik-Shooter auf den Markt, den auch heute noch viele Anhänger für sein realistisches Gameplay und seine Modding-Fähigkeiten lieben. Zwar soll es irgendwann auch einen offiziellen Nachfolger geben (die Rechte liegen bei Codemasters), mit Armed Assault ist aber quasi jetzt schon eine Weiterführung des Spiels erschienen. Viel hat sich im Vergleich zum "spirituellen Vorgänger" – wie ihn die Entwickler nennen - nicht geändert. Im Gegenteil. Der Praxistest zeigt, dass die Neuerungen an einer Hand abzuzählen und eher kosmetischer Natur sind. Dabei hätte die Spieleschmiede ruhig zu mehr Schminke greifen können...

Ab ins Trainingscamp!

Flashpoint-Veteranen müssen sich wegen Armed Assault nicht groß umstellen. Bis auf angepasste Details, wie bessere Grafik und schönere Fahrzeugmodelle, bleibt im Grunde alles beim Alten. Und wer bisher nicht mit der überaus komplexen Steuerung und dem überaus realistischen Kriegsambiente warm geworden ist, wird auch hier erneut Zugangsschwierigkeiten haben. Zig Tastatur-Befehle und eine vertrackte Handhabung sorgen erst einmal für jede Menge Verwirrung bei neuen Rekruten. Ein Besuch im mehrstufigen Trainingscamp (Tutorial) ist deshalb unerlässlich. Zumal Ihr nicht nur den Umgang mit den verschiedenen Feuerwaffen erlernt. Besonders wichtig ist das Exerzieren der komplexen Gruppenführer-Befehle, die Ihr über eine kaskadenartig verschachtelte Menüführung abruft. Viel weniger intuitiv geht es eigentlich kaum.

Von hinten durch die Brust ins Auge beim Ohr vorbei - ganz einfach, oder?

Da die Ausbilder kompetente Soldaten aus Euch machen wollen, steuert Ihr zudem auch Panzer und Flug-Vehikel. Für Letzteres solltet Ihr jedoch eine gute Lebensversicherung abschließen: Die beiden Hubschrauber erweisen sich als höchst störrisch und wollen des Öfteren einfach nur ihren "Kopf" durchsetzen. Und fliegen einfach mal rückwärts durch die Gegend. Da hilft nur eins – mit den Füßen immer schön fest auf dem Boden bleiben. Genauer gesagt auf dem sandigen Terrain der Insel Sahrani – politisch zweigeteilt zwischen Kommunisten und Amis. Mehr muss man über die Hintergrundgeschichte, die sich auf einem atlantische Eiland mit über 400 Quadratkilometern Fläche abspielt, eigentlich nicht wissen.

Realismus ohne Gnade

Wer auch nach dem Trainingscamp noch keine gebrochenen Finger hat, stürzt sich in die umfassende Kampagne, tritt seinen Feinden in Einzel-Missionen in den Allerwertesten oder tobt sich im Mehrspieler-Modus aus. Zum Durchspielen der Kampagne ist es aber nicht zwingend notwendig alle Level zu bewältigen. Eine Reihe der Nebenaufgaben ist rein freiwilliger Natur, macht das Absolvieren der Hauptmissionen jedoch leichter. So dezimiert Ihr beispielsweise im Vorfeld einer gegnerischen Offensive die feindlichen Truppen mit einem Sniper und erleichtert damit die spätere Verteidigung. Das hört sich einfach an, der Teufel steckt aber auch hier im Detail.

Egal, ob Ihr alleine unterwegs seid oder mit einem Trupp von KI-gesteuerten Teammitgliedern - der Anspruch des Spiels bleibt immer der, sich an der Realität zu orientieren. Wer eher kompakte Maps im Stile von Battlefield 2 kennt, wird sich bei Armed Assault in einer vergleichsweise offenen Spielwelt wiederfinden. Und häufig verloren vorkommen. Es gibt zwar in der Regel vorgegebene Missionsziele, die auch dementsprechend klar sind, beispielsweise die Zerstörung eines Konvois, die Vernichtung feindlicher Truppen in einer Stadt, das Verteidigen von Stellungen und so weiter. Doch die Anzeigen sind häufig irreführend und die Befehle widersprechen sich. So rennt man teilweise in die falsche Richtung oder fährt minutenlang im Niemandsland umher, ohne das etwas geschieht.

Tödliche Feinde

Und es hat Boom gemacht. Häufig genug wird man aber selbst zum Opfer.

Also rennt oder robbt man von einem Checkpoint zum nächsten und versucht dort, die gestellten Aufgaben zu erledigen. Sollten sich feindliche Soldaten in der Nähe aufhalten, merkt man das recht schnell – die Burschen schießen verdammt gut und befördern Euer Alter-Ego häufig in Null-Komma-Nix ins Datennirwana. Per Instant-Tod. Bumm, Zack. Einfach so. Da rennt man sich ewig einen Wolf und plötzlich ist die Mission beendet. Das ist vielleicht realistisch, übermäßig viel Spaß macht das aber nicht. Vor allem Anfänger dürften deshalb viele frustige Momente erleben. Wenn Ihr Glück habt, seid ihr im Team unterwegs und dürft in einem solchen Fall auf eine andere Spielfigur schalten. Andernfalls muss der aktuelle Speicherstand bemüht werden. Davon gibt es aber immer nur einen ...

Die Spielansicht ist zwischen Ego- und 3rd-Person-Perspektive wechselbar. Das gilt nicht nur für Eure Spielfigur, sondern auch die diversen Fahrzeuge – deren Handling ist aber ziemlich umständlich. Als gewöhnungsbedürftig erweist sich auch das unpräzise Waffenverhalten, bei dem sich vor allem das Snipergewehr und das Sturmgewehr negativ hervortun. Bei allem Verständnis für den Realitätsanspruch: Wenn ich jemanden im Fadenkreuz habe, sollte der Schuss schon ein Treffer sein und nicht meterweit daneben gehen! Gut gelungen ist dafür jedoch die fast übermächtige Feind-KI, die sich schon nach kurzer Zeit auf die Taktik des Spielers einstellt und bei zu statischer Spielweise schnell dazu übergeht, Euch zu flankieren.

Mehr als realistische Bugs!

Vermummung extrem!

Abseits des "Töten und getötet werden" bietet die "realistischste Kriegssimulation aller Zeiten" (so das Handbuch) jedoch auch verdammt viele realistische Bugs und Fehler, die so niemals in eine fertige Spiel-Fassung gelangen dürfen. Die Liste der Fehler beginnt beispielsweise bei Missionen, deren Skripte fehlerhaft sind und die sich dadurch nicht beenden lassen. Da sitzt man an einer Straße und lauert auf einen Konvoi, der niemals kommt. Oder der Bildschirm ist auf einmal schwarz und es tut sich nichts mehr. Wenn man Glück hat, lässt sich der letzte Spielstand laden, wenn nicht, ist das Spiel abgestürzt. Außerdem gibt es arge Probleme mit den Texturen – einmal sind sie da, einmal sucht man sie vergebens. Spielfiguren werden plötzlich schwarz, Häuser oder Fahrzeuge besitzen keine Texturen oder nur teilweise. Weiter geht’s mit der Vertonung: Die ist mal auf Englisch, dann wieder auf Deutsch zu hören. Darüber hinaus gibt es auch verschiedene andere plötzliche Aussetzer und Abstürze. Zudem ist die Framarate von 20 oder weniger FPS für ein Actionspiel natürlich deutlich zu niedrig. Wie soll das erst aussehen, wenn die "bis zu 100 Spieler" im Multiplayer-Modus aufeinander treffen? Daumenkino? Zwar wurde von Publisher-Seite bereits der erste Hotfix angekündigt, aber das macht die Malaise beim Verkaufsstart auch nicht besser. Unerklärlich: Warum lädt das Spiel jedes Mal für 10 Sekunden neu, nachdem ich die Gebietskarte wieder schließe? Das nervt, und zwar hoch 3. Schließlich wird die Map für die Orientierung dringend benötigt!

Leider merkt man dem Spiel auch nur stellenweise an, dass die schon fünf Jahre alte FP-Engine überarbeitet wurde. Matschige Texturen, sterile und detailarme Szenarien prägen das Bild. Ja gut, es gibt jetzt Vögel. Na und? Fürs Gameplay bringt das ja nun mal überhaupt nichts. Über regelmäßige Pop-Ups braucht man sich da schon gar nicht mehr zu wundern.

Die Beliebtheit von Operation Flashpoint begründet sich nicht zuletzt auf dem Mehrspieler-Modus, der natürlich auch bei Armed Assault die Community in seinen Bann schlagen will. So bietet das Spiel sechs vorgegebene Modi, wie Capture the Flag, Survivor und Sektorenkontrolle. Oder Koop-Einsätze. Im Mittelpunkt dürfte aber auch diesmal wieder der Editor stehen, mit dem sich individuelle Karten und Einsätze erstellen lassen. Anfänger werden jedoch abermals mit einer nicht eben zugänglichen Oberfläche "verwöhnt", die das Erstellen von eigenen Szenarien unnötig erschwert.

Kleine Notiz am Rande: Wie Ihr Euch sicherlich denken könnt, ist es ohne Mitspieler relativ schwierig, dem Multiplayermodus ausgiebig auf den Zahn zu fühlen. Und gerade bei einem Spiel wie Armed Assault ist dieser Bereich das eigentliche Herzstück. Kurzum: Nächste Woche gibt es noch einen separaten Test zum Mehrspielermodus.

Armed Assault hinterlässt auf mich einen eher lauen, unbegeisternden Eindruck. Klar, ein Action-Feuerwerk wie bei der Battlefield-Reihe darf keiner erwarten, schließlich setzt das Spiel voll und ganz auf die Realismus-Karte. Fans des Vorgängers Operation Flashpoint werden daher auch das bekommen, was sie erwarten: Einen Shooter, bei dem Taktik und Teamspiel mehr Bedeutung haben als bei anderen Genre-Vertretern. Allerdings ist das Spiel für Anfänger sehr unzugänglich und fällt überdies durch eine hohe Anzahl von Bugs negativ auf. Fehlerhafte Texturen, kaputte Skripte und Spielabstürze - all das führt zu deutlichen Abzügen, die eine Wertung am Rande der 7 gerade so zulassen.

Ein Hotfix gegen die Fehler soll laut Publisher bereits in Produktion sein.

7 / 10

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