Evochron: Alliance
Fluch-Versuche!
Vom Metallbohrer zum Millionär
Auf dem Weg durch die Galaxien solltet Ihr auch mal den einen oder anderen Planeten anfliegen. Die Landung ist ein Schauspiel für sich, bei dem man schon ein wenig Gefühl für das Flugverhalten seines Schiffes entwickelt haben sollte. Der richtige Anflugwinkel, die passende Geschwindigkeit, um sich nicht von der Schwerkraft nach unten ziehen zu lassen, sowie der dosierte Einsatz des Umkehrschubs spielen eine entscheidende Rolle. Der Eintritt in die Planetenatmosphäre erfolgt nahtlos, Ihr durchfliegt Wolkendecken und gleitet langsam über die Planetenoberfläche hinweg – irgendwie cool! Immer der grünen Markierung nach, auch wenn Ihr dabei manchmal das Gefühl habt, im nächsten Moment in ein Gebäude zu krachen. Die Kollisionsabfrage nimmt es hier nicht so genau und lässt Euch einfach durch die Häuser hindurchfliegen.
Auf Planeten warten hier und da nicht nur Bodenschätze, die der Schürfstrahl in den Frachtraum pumpt, sondern auch Stationen mit ständig wechselnden günstigen Angeboten an Fulcrum-Antrieben, Treibstoff oder tollen Raketen. SALE! Schilde Klasse 10 um 30 Prozent reduziert! Nur für kurze Zeit! Was hier nach ein bisschen Spaß klingt, hat durchaus einen realen Hintergrund: Warenangebot und Preise ändern sich ständig. So kann es auch mal sein, dass das von Euch gewünschte Upgrade gerade in dem Moment nicht verfügbar ist, in dem Ihr die Station anfliegt. Statt endlos in der Gegend herumzugondeln, speichert der kluge Pilot dann einfach ab und lädt den Spielstand so oft neu, bis das ersehnte Teil wieder im Sortiment auftaucht.
Büffelledersitze im Cockpit?
Schürfen, verlorene Ladungen einsammeln, versteckte Waffenlager plündern und Handel treiben – auf diese Weise spart Ihr Euch allmählich das nötige Kapital an, um Euer Raumschiff so weit aufzumotzen, dass Ihr mal den Wechsel aus dem Freestyle-Modus in die Kampagne wagen könnt. Aber vielleicht wollt Ihr auch so lange in aller Ruhe weiter handeln, bis ihr Euren kleinen Scout gegen einen dicken Frachter eintauschen dürft? Wie bei den Nobelkarossen diverser Automobilhersteller lässt sich die Ausstattung ganz individuell festlegen. Auf jeden Fall solltest Ihr Wert auf einen leistungsstarken Antrieb legen – denn nur so habt Ihr die Möglichkeit, in die ferneren Sektoren der Evochron-Welt vorzudringen. Andererseits: Ihr wisst nie, ob Ihr dort auch willkommen seid oder ob Euch ein aggressives Raketengewitter erwartet!
Was sich zunächst etwas schwerfällig anlässt, gewinnt im Lauf der Spielzeit deutlich an Fahrt: “Evochron: Alliance“ wird dann richtig interessant, wenn es ans Eingemachte geht: Konfrontationen mit gegnerischen Kampfschiffen zeigen, wie ausgereift die Steuerung Eures Raumschiffs wirklich ist – es reagiert blitzschnell und butterweich auf Eure Befehle. Es macht richtig Spaß, die waghalsigsten Rollen zu absolvieren und sich in großem Bogen von hinten an den Gegner heranzupirschen. Verschiedene Perspektiven, zwischen denen Ihr mit der Taste [V] hin und herschaltet, sorgen dabei für den perfekten Überblick.
Das "Eingemachte" bedeutet aber in “Evochron: Alliance“ nicht nur hitzige Dogfights, sondern auch, dass Ihr alle Freiheiten habt, mit unterschiedlichem Verhalten zu experimentieren. Mimt doch einfach mal den schurkischen Piraten, der das Weltall unsicher macht und nichts ahnende Frachter beklaut. Fügt Eurer weißen Weste ein paar dunkle Flecken hinzu – und beobachtet, wie das Verhalten Eurer Umgebung plötzlich feindseliger wird. “Böse“ Taten wie Diebstahl, Erpressung oder Attacken auf befreundete Schiffe schädigen nämlich Euren Ruf, machen das Gameplay actionlastiger und fügen dem Spiel sozusagen das Salz in der galaktischen Suppe hinzu. Sollte es Euch dann doch unter all Euren Feinden doch mal zu hitzig werden, habt ihr jederzeit die Möglichkeit, wieder in den Freestyle-Modus zurückzukehren und Euch mit Übungen und weiteren Upgrades auf den großen Kampf in der Kampagne vorzubereiten.
Kaum zu glauben, dass das Universum so leicht zu manipulieren ist. In “Evochron: Alliance“ genügt dafür der Windows-Editor. Mit ein paar simplen Textbefehlen vergrößert Ihr das All um weitere Sektoren und legt die Position von Planeten fest. Missionen inklusive gesprochenen Briefings und einleitenden Filmsequenzen gestaltet Ihr auf ähnlich simple Weise. Gerade Mehrspieler-Clans dürften die Möglichkeit schätzen, den eigenen Raumschiffen ein unverwechselbares Äußeres zu verleihen, Cockpits zu stylen oder das eigene Logo auf den Rumpf zu pinseln.
Was habe ich geflucht, als ich in “Evochron: Alliance“ meine ersten Flugversuche als Scout-Pilot unternahm! Dieses Programm zeigt einem erst zickig die kalte Schulter und will dann mit viel Beharrlichkeit “erobert“ werden. Der Einstieg erfordert Geduld und wird Euch durch das lieblos zusammengeschusterte Tutorial kaum leichter gemacht. Dabei leidet “Evochron: Alliance“ unter einem ganz ähnlichen Syndrom wie die eingangs erwähnten “Elite“ und “Battlecruiser 3000AD“: Die Designer hatten primär “IHRE“ ultimative Space-Sim im Blick – mit Tausenden von Planetensystemen und Handlungsmöglichkeiten. Darüber vergaßen sie irgendwie den Spieler, der sich einfach nur gut unterhalten lassen will. Doch man muss fair sein: Habt Ihr die langwierige Anfangsphase der Aufrüstens durch Rohstoffabbau und Handel einmal hinter Euch gelassen, zieht “Evochron: Alliance“ deutlich an. Die Kämpfe sehen gut, wenn auch nicht spektakulär aus, und lassen sich prima steuern, wenn man den Befehls-Overkill mal verdaut hat. Auch wenn sich die (solide) Präsentation mit 100-Millionen-Dollar-Produktionen nicht messen kann, wartet “Evochron: Alliance“ mit einem bildschönen Weltall auf und hat vor allem eines: jede Menge Spieltiefe.