F.E.A.R.: Extraction Point
Trennung mit bitteren Folgen!
Es war eigentlich nie eine sorglose Beziehung zwischen den Ausnahme-Entwicklern von Monolith und dem Videospiel-Gigant Vivendi Universal. Obwohl die Partner gemeinsam ein paar wunderhübsche Kinder zur Welt brachten, schien sich kaum jemand für die Frucht ihrer Lenden zu interessieren. Egal wie ansehnlich und intelligent zum Beispiel die Tochter No One Lives Forever auch war, der Bräutigam Kunde lies sie glatt am Altar sitzen. Nicht mal die Verkupplungsversuche der Spielepresse halfen. Die Leser stiegen lieber mit einem Alien bekämpfenden Wissenschaftler in die Kiste, als mit der stilsicheren Frau Archer. Beim begabten Sprössling F.E.A.R. lief es zwar deutlich besser, aber nicht ganz so stürmisch wie erwartet: Trotz gefälligem Szenario und einstimmigem Lob wollte nicht jeder mit dem Kleinen spielen. Für das Add-On F.E.A.R.: Extraction Point greift Vivendi Univeral zu einem neuen Gefährten. Neuer Partner, neues Glück?
Perfekte Erbanlagen
Noch relativ unbekannt, setzt Timegate die Arbeit von Monolith fort und tritt damit in geradezu gewaltige Fußstapfen. Denn auch wenn F.E.A.R. bei weitem nicht perfekt war, begeistert die dichte Atmosphäre und die einmaligen Feuergefechte mit den hoch intelligenten Gegnern. Kombiniert mit wirklich harten Schockeffekten und einer spannenden Mystery-Story, gelang es dem Titel, ein vollkommen neues Spielgefühl zu erzeugen. Der Horror-Shooter kürte sich damit zum intelligenten Gegenstück des Altmeisters von id Software und brachte genug hervorragende Gene mit sich, um auch das Add-On zu einem Meisterwerk zu machen. Irgendwie versteht sich der neue Entwickler aber nicht so auf die Arbeit mit Genen. Wirklich schade!
Extraction Point knüpft genau dort an, wo der Spieler am Ende von F.E.A.R. zurückgelassen wurde. Das Klonlabor ist vernichtet, der abtrünnige Bösewicht Fettle besiegt und der Hauptdarsteller gerettet. Doch in der Abschlusssequenz wartet im Hubschrauber eine Überraschung auf die Spezialeinheit: Das psychisch begabte Mädchen Alma klettert vor dem Bild der zerstörten Stadt in das Luftfahrzeug und bringt es zum Absturz. Im Add-On wacht der Spieler vor dem Hubschrauberwrack auf und muss feststellen, dass auch der Bösewicht Fettle noch am Leben ist. Und schon läutet die Hatz zur nächsten Runde ein. Allerdings ohne große Aha-Effekte.
Nur keine Überraschungen
Die Grafik ist zwar noch immer detailliert und überzeugt mit ihren hervorragenden Effekten, doch die Schauplätze des Add-Ons sind so schwach in Szene gesetzt, das viel von der Atmosphäre verloren geht. Egal ob Kirche, Bürogebäude oder U-Bahn, irgendwie ist man ständig in Tunneln und engen Gängen unterwegs, die nur schwer auseinander zu halten sind. Weitläufige Bereiche sind meist mit Containern und LKW's voll gestellt. Steilvorlagen, wie eine gotische Kirche, wurden kaum genutzt. Schon nach kürzester Zeit findet man sich erneut im Keller wieder und wandert durch graue Wände. Da hilft auch nicht das ständige Auftauchen der gruseligen Gegenspieler und ein höherer Schwierigkeitsgrad, das Team von Timegate war beim Leveldesign der Aufgabe einfach nicht gewachsen.
Einen besseren Job haben sie bei den Waffen gemacht. Eine kleine Selbstschussanlage, eine Minigun und ein Lasergewehr reihen sich perfekt in das abwechslungsreiche Arsenal des Hauptprogramms ein. Dank ständig knapper Munition muss der Spieler fast mit jedem Arbeitsgerät die richtige Taktik einsetzen, um gegen die aggressiven Gegner zu bestehen. Vor allem die neuen, fast unsichtbaren Monster und ein paar abgefahrene Kampfmaschinen, erfordern den steten Wechsel der Vorgehensweise.
Kampf als Meditation
Obwohl bis auf einige neue Gegner und Waffen keine merklichen Unterschiede im Kampfgeschehen auftreten, ist der Verlauf der Gefechte auch nach einem Jahr noch ungemein packend. Die Klonsoldaten verblüffen einen jedes Mal mit anderen Taktiken und Aktionen – auch wenn man mehrmals die gleiche Stelle hintereinander spielt. Sie werfen Tische um, hechten durch halb geschlossene Türen und fallen einem kontinuierlich in den Rücken. Allein das faszinierende Zeitlupen-Feature des Hauptprogramms, bei dem für eine kurze Zeit das Geschehen extrem verlangsamt werden kann, ermöglicht es die höheren Schwierigkeitsgrade zu überleben. Kombiniert mit dem perfekten Schussverhalten, werden aus den Kämpfen perfekt choreographierte Tänze, die bei jedem Shooterfan die Augen zum Leuchten bringen und einen fast meditativen Charakter haben. Dadurch pumpt in jedem neuen Raum das Herz tonnenweise Adrenalin durch den Körper, auch wenn die kahlen Wände und langweiligen Texturen den Austragungsort beliebig machen.
Wie schon vor einem Jahr, ist der Einsatz der verlangsamenden Spezialfähigkeit Pflicht, um die im Team arbeitenden Krieger zu bezwingen. Der Hauptdarsteller bekommt zwar erstmals auch ein wenig Hilfe von seinen Kollegen, die Drecksarbeit muss er aber immer noch selbst übernehmen. So heißt es erneut die Waffe in die Hand nehmen, sich durch hunderte Klonsoldaten zu kämpfen und jede Menge Schockmomente zu erleben. Leider stumpft man bei Extraction Point einfach zu schnell ab. Die Entwickler haben es einfach nicht geschafft, den genialen Rhythmus des Hauptprogramms auch auf die Erweiterung zu übertragen.
Nachdem F.E.A.R. nur Höchstwertungen mit nach Hause brachte, dürfte Vivendi nun etwas enttäuscht sein, das aus dem Musterknaben ein Wackelkandidat wurde. Doch ohne die Schöpfer von Monolith, konnte aus dem Add-On kein Meisterwerk werden. Vor allem bei der Story hat Timegate bitter versagt. Zu vorhersehbar und abgegriffen wirken die einzelnen Elemente. Die ständigen paranormalen Auftritte des Bad-Guys stumpfen den Spieler nach einer Weile ab. Hier wäre eindeutig mehr drin gewesen. Gäbe es da nicht die spannenden Gefechte aus dem Hauptprogramm, die intelligenten Gegenspieler und ein paar neue Spielzeuge, wäre die Versetzung in die Spielspaßoberstufe ernsthaft gefährdet. So kommt Extraction Point mit einem blauen Auge und 7 Punkten davon. Falls Vivendi der Serie als Lizenzinhaber noch eine Chance geben möchte, sollten sie Monolith dazu überreden, noch ein Add-On zu produzieren, um das Potential nicht zu verschenken.