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F.E.A.R.

Wer hat Angst vor kleinen Mädchen?

Kleine, gruselige Mädchen sind derzeit groß in Mode – und damit meine ich nicht die Damen, die in der aktuellen Popstars-Staffel vor einem Millionenpublikum den Seelenstriptease tanzen. Ich rede von wirklich bösen Gören, deren Gesichter von langen, zotteligen Mähnen verdeckt werden und Horrorfans von der Mattscheibe herunter die Haare zu berge stehen lassen – ganz ohne Gesang.

Der Grusel der Neuzeit baut auf Widersprüche. Er lässt in den Welten von „The Ring“ oder „Silent Hill – The Movie“ ein vermeintlich harmloses, schwaches Glied der Gesellschaft mit paranormalen Kräften und reichlich Rachedurst (und ungekämmt) auf seine Protagonisten los und erzielt durch eben diese morbide Gegensätzlichkeit ein ganz und gar unangenehmes Gefühl in der Magengegend. Auch an Monolith scheint dies nicht vorbei gegangen zu sein, als man auf der Suche nach einem Thema für den nächsten Ego-Shooter war. Düster und hart sollte er werden.

Durch Mark und Bein

Toller Job, gute Bezahlung, nette Kollegin.

Düster und hart wurde er. Vor knapp einem Jahr erschien First Encounter Assault Recon (kurz: F.E.A.R.) auf dem PC und wirbelte mit Bullet-Time und derben Schocksequenzen nicht nur in seinen digitalisierten Büroräumen und Lagerhallen ordentlich Staub auf. Nun setzt man zum Sprung auf den Ego-Shooter-Thron der 360 an. Etwas spät, aber möglicher Weise noch ’Just in Time’, denn so richtig fest besetzt ist dieser bislang noch nicht. Vielmehr klammern sich mit Call of Duty 2 und 3, Quake 4 (dt.), Prey und Perfect Dark Zero bereits eine ganze Handvoll sehr brauchbarer Titel an dessen Lehnen und Kanten – jeweils allerdings mit deutlich Luft nach oben. Soviel vorweg: Die PC-Umsetzung der Day: 1 Studios nimmt auf jeden Fall mächtig Anlauf.

Wie macht man eigentlich aus einem gut ein Jahr alten PC-Shooter ein frisches, rundes Konsolen-Erlebnis? Im Falle von F.E.A.R. lautet die Antwort: „Indem man die Finger davon lässt!“, denn die paranormale Tour de Force hat nichts von ihrer Anziehungskraft verloren. Bei Day: 1 verspürte man jedenfalls nicht den Drang, die funktionierende Einzelspieler-Kampagne kaputt zu reparieren. Gut so! Stattdessen schneiderte man ein dem bitterbösen Action-Inferno eine tadellose Pad-Steuerung auf den Leib, passte den Mehrspieler-Modus ganz ausgezeichnet an den Xbox Live Service an und bietet obendrein eine Ranglisten-gestützte Möglichkeit, losgelöst vom Story-Korsett fiebrige Feuergefechte zu entfachen.

Paxton Fettel

Der Solo-Modus von F.E.A.R. ist allerdings nicht gerade von der redseligen Sorte. Auf der Jagd nach einem telepathisch begabten Irren, dessen willenlose Klon-Armee für Krawall und Remmidemmi sorgt, unterbrechen weder Cutscenes noch ellenlange Dialoge den Spielfluss. Was Ihr wissen müsst, funkt Euch ein kurz angebundener Kommandant über den Äther herein. Verbleibende Klarheiten werden über blinkende Anrufbeantworter und gescriptete Ereignisse sozusagen „on-the-fly“ beseitigt. So kann man sich voll und ganz auf den Kern des Spiels konzentrieren.

Blut gibt’s nur in den Zwischensequenzen.

Dieser gibt sich erfreulich geradlinig: Mit höchstens drei Waffen im Gepäck sowie diversen Sprengkörpern, tastet Ihr Euch vorsichtig durch düstere Lagerhallen und verwüstete Bürogebäude, um Euch möglichst unauffällig an die gewitzten Klon-Truppen heran zu pirschen. Vorsichtig vor allem, weil F.E.A.R. den Spieler nur allzu gern mit subtilem Schattenspiel und geisterhaften Silhouetten in den Sessel drückt, nur um ihn in der nächsten Minute durch hinterfotzig-unvermittelte Schocksequenzen mit weit aufgerissenen Augen aus seiner Sitzgelegenheit aufspringen zu lassen. Das gelingt eine ganze Weile sehr, sehr gut. Ab der Hälfte der Kampagne hat man allerdings schon realisiert, wie das Spiel tickt. Vielleicht bin ich auch nur abgestumpft, aber die immer wiederkehrenden riesigen Blutlachen, entstellten Leichnamen und heran fliegende, aber in letzter Sekunde dematerialisierende Geisterwesen, schockten mich später nicht mehr so sehr, wie noch zu Beginn meines Einsatzes. Liegt vermutlich in der Natur der Sache.

Dem geneigten Ego-Shooter Fan könnte dies egaler nicht sein, denn F.E.A.R. hält den Puls trotzdem auf konstant hohem Niveau. Hier findet man nicht weniger als die besten Feuergefechte seit Halo. Die Gegner-K.I. begeistert durch Initiative, Treffsicherheit und Überlebenswillen. Sie treibt den Spieler mit Granaten aus seiner Deckung, überwindet jegliches Hindernis mit Leichtigkeit, verschafft sich selbsttätig Deckung durch das Umwerfen von Möbeln und kriecht sogar unter Fahrzeugen hindurch in Sicherheit. F.E.A.R. setzt den neuen Maßstab für Gegnerintelligenz auf Konsolen. Diese Kameraden setzen sich zur Wehr. Wählt man den hohen Schwierigkeitsgrad, gewinnt man fast den Eindruck, dass man es mit menschlichen Gegenspielern zu tun hat.