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FIFA 07

Siegertyp mit Substanzverlust

Bücher und Spiele sollte man nie nach ihrem Cover beurteilen. Interessant finde ich das Motiv von FIFA 07 trotzdem, denn für meinen Geschmack hat es Symbolcharakter. Sehen wir doch zum einen den FCB-Kicker Prinz Poldi, bei dem Stellenwert in der Öffentlichkeit und Leistungsvermögen in einem Ungleichgewicht zueinander stehen. Klar kann der Bursche kicken und gelegentlich mal die Pille im Netz versenken, ein wirklicher Klassemann ist er trotzdem nicht. Da gebe ich dem Herrn mit der Old-School-Frisur (auch bekannt als Günther Netzer) absolut Recht. Zum anderen erblicken wir den begnadeten Ausnahmekicker Ronaldinho von Barca. Ich fühlte mich bei diesem Anblick an die ewigen Rivalen FIFA und PES erinnert, wobei FIFA natürlich das Talent (Podolski) und PES (Ronaldinho) Extraklasse ist. Traut man dem Anblick auf dem Cover, dann steht wohl ein Rollentausch an. Denn Poldi zeigt ein strahlendes Siegerlächeln, während der ansonsten ewig grinsende Ronaldinho eher bedröppelt aus der Wäsche schaut.

Ob EA wirklich aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt hat und FIFA endlich mehr an echten Fußball erinnert, überprüfen wir anhand der Xbox 360-Version, die mit einiger Spannung erwartet wurde. Der Jahrgang 2006 war nämlich eine herbe Enttäuschung und eher ein FIFA Light. Stimmt der Umfang diesmal?

Weniger und mehr

Im echten Kickerleben hat Ronaldinho eine kleine Formkrise, auf der Xbox 360 läuft er zur gewohnten Höchstform auf.

Um Euch den sauren Wein direkt einzuschenken: Leider nein! Besitzer von PS2 und Co. können in satten 27 Ligen ihre Bolzkünste perfektionieren, auf der Xbox 360 stehen gerade mal sechs (+ 37 Nationalmannschaften) zur Auswahl. Immerhin befindet sich darunter der Deutschen liebstes Kind, die Bundesliga. Neben der englischen Premier League, der Ligue 1 aus Frankreich, der italienischen Serie A und der spanischen Primera Division, taucht aber merkwürdigerweise die eher obskure erste Liga aus Mexiko auf. Für mich eine absolut unverständliche Entscheidung. Zeit- und Personalmangel hin und her, nur wieso wurde in dem Fall keine Division implementiert, die uns vertrauter und somit von größerem Interesse ist? Also beispielsweise die Eredivisie aus Holland oder Österreichs T-Mobile-Bundesliga? Aber, wie gesagt, unsere Bundesliga ist vertreten, womit FIFA 07 in dieser Hinsicht ein Plus gegenüber PES hat.

Ähnlich abgespeckt gibt sich der Kick in Sachen Stadienvielfalt: 23 Tempel der Fußballwelt sind dabei, darunter so prachtvolle Spielstätten wie das Delle Alpi der Skandalkicker von Juve oder das nagelneue Emirates Stadium der Gunners. Im Vergleich zur Masse (51!) in der GC-, PS2- und Xbox-Version, enttäuscht die Anzahl trotzdem. Weniger enttäuschend ist die taktische Flexibilität. Hier sind Eure Möglichkeiten im Vergleich zu den anderen Versionen extrem vielfältig, was FIFA 07 eine erfrischende neue Note verleiht. Lasst uns nun mal den Platz betreten, denn dort geht es ebenfalls erfreulich positiv weiter.

Die Wahrheit liegt auf dem Platz

Die Torhüter strecken sich oft vergeblich, weil ihnen die nötige Intelligenz fehlt. In dieser Hinsicht bleibt sich FIFA treu.

Dies fängt schon mit der Präsentation an, die gewohnt erstklassig und einer der wenigen Punkte ist, in denen FIFA schon immer deutliche Vorteile gegenüber PES hatte. Man erblickt den Tunnel zum Spielfeld, in dem die Kapitäne der jeweiligen Teams zum fairen Handshake ansetzen. Nach der Einblendung der Mannschaftsaufstellungen und dem Einlauf der Kicker kann es los gehen. Und wie es los geht! Auf den ersten Blick wirkt das Geschehen vertraut, aber recht schnell wird klar, dass EA für die Xbox 360 seine Ankündigungen in die Tat umgesetzt und eine neue Engine auf die Beine gestellt hat. Der neue "Heilsbringer" zeigt geschmeidige Animationen und liefert eine verbesserte Ballphysik. Endlich klebt die Pille nicht mehr fix an den Füßen der Kicker, endlich wirken die Abläufe halbwegs realistisch und facettenreich. Was durchaus Betonung verdient, denn in der Serienvergangenheit kam ich mir teilweise wie der Mittelpunkt gescripteter Events vor, auf die ich nur am Rande Einfluss hatte. Diesmal habe ich beinahe das Gefühl, wirklich die absolute Kontrolle über die Spieler zu haben. Aber nur beinahe, weil meine Kommandos gelegentlich minimal verzögert ausgeführt werden.

Im Großen und Ganzen funktioniert die Steuerung aber tadellos: man setzt seine Stürmer mit kurzen oder langen Pässen in Szene, schlägt gefühlvolle Flanken und überlistet die gegnerischen Keeper mit normalen Schüssen, Lupfern und Hebern. Viel List und Tücke ist aber im Prinzip unnötig, denn trotz neuer Engine gibt es ein altes Problem - die Torhüter hätten eher die Bezeichnung Fliegenfänger verdient. Gelegentlich entschärfen die Burschen mächtige Geschosse, oft bleiben sie aber in Situationen auf der Linie kleben, die eigentlich ein beherztes Vorpreschen erfordern würden. Besonders schlimm: Viele Pillen können die Herren Kahn und Dida nicht festhalten. Stattdessen schicken sie per Abpraller eine Einladung an die entsprechenden Stürmer, die von diesen dankbar angenommen wird.

Intelligenter und bissiger sind da schon die gegnerischen Verteidiger. Bereits ab dem mittleren Schwierigkeitsgrad gehen die Defensivkünstler energisch zur Sache, machen den Raum geschickt eng und zwingen einen dazu, die winzigen Lücken im feinmaschigen Verteidigungsnetz aufzuspüren. Dabei ist man leider auf die eigenen Fähigkeiten angewiesen, denn die CPU-Mitspieler sind keine große Hilfe. Sie laufen sich selten frei und warten in erster Linie auf inspirierte Aktionen des Spielers.

Die künstliche Intelligenz von Freund und Freund unterliegt also starken Schwankungen. Generell gesehen ist FIFA 07 trotzdem ein gewaltiger Schritt in die richtige Richtung und kommt PES so nah wie noch nie zuvor. "Sicherheitsabstand" ist aber weiterhin vorhanden, zumal bestimmte Teilbereiche, wie etwa das Kollisionsverhalten, bis zur nächsten Version noch Feintuning vertragen könnten. Wenn zwei Spieler aufeinander prallen, wirkt es eher wie ein Treffen der Marke "Gummiwand meets Gummiwand".

Der spielende Manager

Relativ spartanisch zeigt sich der EA-Titel in Sachen Spielmodi. Ihr könnt ein Einzelmatch bestreiten, Euch 85 Herausforderungen (Erziele mit einem Einwechselspieler ein Tor, mindestens 60% erfolgreiche Pässe schlagen, etc.) widmen, per Xbox Live der ganzen Welt Euer Geschick am Ball demonstrieren oder in den Manager-Modus eintauchen. Der erstreckt sich über insgesamt 5 Saisons, in denen Ihr versucht, die Wünsche von Fans, Vorstand und Sponsoren gleichermaßen zu befriedigen. Ihr legt darin unter anderem die Eintrittspreise fest, verlängert Verträge, jagt Talentsucher um den ganzen Globus oder trefft bei gelegentlichen Multiple-Choice-Events hoffentlich die richtige Entscheidung. Über all dem steht natürlich der sportliche Erfolg. Knifflige Partien gegen direkte Konkurrenten solltet Ihr daher tunlichst selbst bestreiten, Matches gegen vermeintliches Kanonenfutter könnt Ihr auch simulieren lassen.

Einige Spieler wären bei Madame Tussaud besser aufgehoben. Die Entwickler haben es mit dem Glanzeffekt übertreiben.

Die Präsentation und die Animationen verdienen ein Lob, perfekt ist die Optik aber beileibe nicht. Die Zuschauermenge geht zwar frenetisch mit, ist aber wirklich hässlich anzuschauen. Ebenso stutzen die Spielermodelle die Grafik auf Normalmaß zurecht. Einige Kicker sehen ungemein realistisch aus, andere wiederum erinnern nur entfernt an ihre Namensgeber. Zudem haben die Programmierer bei der Arbeit wohl nebenbei zu viel Tennis auf Eurosport gesehen. Anders kann ich mir nicht erklären, warum die Gesichtspartien der Fußballer ähnlich aussehen wie die einiger Tennis-Starlets - frisch gepudert und geschminkt. Zumindest wirkt es so. Als Wechselbad der Gefühle entpuppt sich noch dazu der Kommentar. Gelegentlich zeigen sich die Sprecher gut informiert und loben etwa den spektakulären Angriffsfußball der Bremer, dicht gefolgt allerdings von Phrasendrescherei der schlimmsten Sorte. Die Samples des neuen Stadionsprechers klingen ferner mächtig dumpf. Was als atmosphärische Belebung gedacht war, verfehlt daher das Ziel.

Wie schon im letzten Jahr ist die Xbox 360-Version von FIFA 07 deutlich schlechter bestückt als die übrigen Fassungen. Besonders ärgerlich, da diese Umsetzung teuer daher kommt als die anderen. Wer mit dem Problem der fehlenden Masse leben kann, erhält mit dem Xbox 360-Ableger der Fußi-Endlosreihe auf jeden Fall den besten Vertreter seit Jahren. FIFA spielt sich immer noch nicht so "echt" wie PES, nähert sich dem realen Sport aber mit großen Schritten an. Einige Kleinigkeiten nerven trotzdem, beispielsweise agieren die Schiedsrichter zu penibel und pfeifen schon bei harmlosen Streicheleinheiten ab. Dafür ist aber der Online-Modus um Klassen besser als bei der Konkurrenz - kein Geruckel, kein Gezuckel, bis zu 8 Spieler dürfen sich im Netz bekriegen. Bei PES 6 gab es da nur 1 gegen 1-Turniere. Ein kleiner Motzer ist aber auch hier angebracht: Man kann nicht gleich nach einem Match erneut gegen seine Kontrahenten antreten, sondern durchläuft noch einmal den gesamten Einlade-Prozess.

Von daher verteile ich mit leichtem Bauchgrummeln eine 8. Wer sich jetzt fragt, wieso die Xbox 360-Fassungen von FIFA 07 und PES 6 die gleiche Wertung teilen: Es handelt sich zwar in beiden Fällen um ein Fußballspiel, die Schwerpunkte sind aber anders gelegt. PES 6 spricht wie immer primär Spieler an, die eine authentische Simulation des Sports wollen. Die bekommen sie auch, müssen aber mit lizenztechnischen Einschränkungen und einer vergleichsweise faden Optik leben. Ferner erfordert der große Konkurrent von Konami die Bereitschaft, viel Zeit in die Einarbeitung zu investieren. FIFA 07 ist in dieser Hinsicht humaner, verfügt mit der Bundesliga-Lizenz über eine Trumpfkarte, ist optisch trotz einer gewissen Sterilität deutlich mehr Next Gen und hat somit andere Reize. Im Kampf um die Tabellenspitze gibt es daher keinen klaren Punktsieger. Je nach persönlichen Vorlieben sind beide Spiele eine gute Wahl.

8 / 10

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