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Flight Simulator X

Abheben und abwarten

"Handelsübliche Atomterroristen zWischen eXtremisten 2"

Der Spieletester als solcher ist von Natur aus ein gutgläubiger Mensch. Stets erwartet er nur das Beste und glaubt bereitwillig allen vollmundigen Entwicklerangaben. Quatsch, stimmt natürlich nicht. Aber selbst der treudoofste Vertreter unseres Berufsstandes wird misstrauisch, wenn die Testmuster erst eintreffen, nachdem das Spiel im Laden steht. Und wenn man sich das Endresultat ansieht, weiß man auch warum: Hardwareansprüche ohne Ende für mittelmäßige Grafik. Nur eine Handvoll spielerischer Neuerungen und jede Menge kleinerer Schludereien. Der neue Flight Simulator wirkt alles andere als ausgereift.

Und er bewegt sich doch. Ja, nach einigem Herumspielen mit den Grafikoptionen ist es tatsächlich gelungen, den Landeanflug auf den Münchner Flughafen mit mehr als 10 Frames pro Sekunde zu erleben. Zugegeben, auf die 3D-Wolken muss man dabei verzichten, die Details in Luft und Boden auf die Hälfte reduzieren. Und das auf einem mit 3,6 GHz getakteten System mit 3GByte RAM und flotter Grafikkarte! Dass mit jedem neuen Flight Simulator meist auch ein neuer PC fällig wird, ist genauso wahr, wie altbekannt. Aber bislang bekam man dafür auch eine spektakuläre neue Grafikengine. Das ist jetzt anders. Ja, etwas schöner als beim zwei Jahre alten Vorgänger sieht es schon aus.

Die Bodentexturen sind etwas detaillierter, Küstenlinien weicher, Autos fahren über die Straßen, Schiffe über die Gewässer Aber verglichen mit der Grafik aktueller Spiele wirken Flugzeuge und Landschaften im Flight Simulator 2006 reichlich bieder. Immerhin funktioniert jetzt im Gegensatz zur Vorabversion das vom Rechner generierte Gelände. Sprich: Stellen, an denen die Entwickler keine Gebäude per Hand eingebaut haben, werden automatisch mit Häusern aufgefüllt. Dadurch wirkt zum Beispiel die ansonsten ziemlich leere Innenstadt von München zumindest bebaut. Wenngleich sie eher nach einer amerikanischen Großstadt, denn der markanten und schönen Isarmetropole aussieht. Andere Städte (vor allem in den USA) sind bedeutend imposanter gelungen, wie etwa New York oder Los Angeles. Trotzdem ist der Sprung vom Vorgänger bei weitem nicht so groß, wie der gigantische Hardwarehunger vermuten lässt. DirectX10 wird zunächst mal nicht unterstützt. Das ist wenig verwunderlich, erscheint das dazu benötigte Windows Vista ja auch erst im nächsten Jahr. Zeitgleich dazu soll ein Patch erscheinen, damit die DirectX10-Funktionen genutzt werden können.

Red Bull, Mehl und Area 51

Die Innenstadt von München sieht wegen der generierten Szenerien sehr amerikanisch aus. Okay, immerhin steht die Frauenkirche am richtigen Platz.

Bewegen sich die Flugzeuge ausreichend geschmeidig über den Bildschirm, sollte man sich der Neuerung zuwenden, von der sich Microsoft am meisten verspricht: den Missionen. Dafür stellte man eigens einen Spielentwickler ein. Herausgekommen sind 35 (in der Luxusvariante 50) Missionen, von denen rund die Hälfte recht spaßig gelungen ist. So muss man zum Beispiel auf einem Bus landen, mit einem Motorgleiter Mehlbomben abwerfen oder einen Kurs des Red-Bull-Luftrennens absolvieren. Bei anderen Einsätzen setzt aber schnell das große Gähnen ein: Es klingt zwar spannend, wenn man den Weg zur legendären Area 51 abfliegen soll. Nur macht man tatsächlich nicht viel mehr, als den geforderten Kursvorgaben zu folgen. Einsteiger lernen in einer Hand voll Tutorials den generellen Umgang mit den Maschinen, sogar das nicht ganz untriviale Rollen auf dem Flugfeld. Allerdings vermitteln diese Übungen keinerlei Kenntnisse über Flugnavigation oder weitere Feinheiten der Luftfahrt. Hier wäre deutlich mehr drin gewesen. Vor allem deshalb, weil es mal wieder kein gedrucktes Handbuch gibt. Und die ins Programm integrierte Version zahlreiche Fragen entweder viel zu knapp abhandelt ("Was bitte ist VOR noch mal genau?") oder gar nicht erwähnt.

Für jede gelungene Mission gibt es eine virtuelle Auszeichnung. Aber auch für andere Aktionen hält der Flight Simulator X Belohnungen in form von Orden bereit. Sei es der erste gelungene Start, eine bestimmte Anzahl von Landungen oder Flugstunden. Über alles und jedes wird genau Buch geführt. Wer mag kann die Ergebnisse sogar online stellen. Apropos online: Bei jedem Start landet man (so man ans Internet angeschlossen ist) auf einer speziellen Homepage, auf der mehr oder minder interessante Artikel rund ums Fliegen angeboten werden. Zum Start ist es eine knapp gehaltene Kurzbiographie über Bruce Artwick, den urspünglichen Entwickler des allerersten Flight Simulators.

Die Welt ist nicht genug

Endlich wird auch mal ein Airbus von vornherein mitgeliefert.

Erfahrene Piloten bekommen wieder die gewohnte Kost. Rund 22.000 überall auf dem Globus gelegene Flughäfen (etwa gleich viel wie beim letzten Mal). Dafür gibt's jetzt endlich von Haus aus einen Airbus, das Modell 321. Insgesamt 21 Flugzeuge sind vorhanden (die gewohnte Cessna, die Boeing 747, Wasserflugzeuge und Hubschrauber). Aufregend Neues ist aber nicht dabei. Wer die 2004er Version des Flight Simulators besitzt, sollte sich wirklich fragen, ob er die neue Fassung tatsächlich benötigt. Und das nicht nur wegen der wenigen Neuerungen, sondern auch, weil zahlreiche Detailschludereien dafür sorgen, dass der Flight Simulator X alles andere als rund wirkt. So flackert während der Flugstunden bei jedem neuen Kommentar des Ausbilders der Bildschirm. Sehr nervig. Immer mal wieder konnten wir während des Fluges die Maussteuerung nicht aktiveren. Das ging erst nach einem Neustart. Nach der Wahl von Flugzeug und Airport wechselt der Flight Simulator immer umständlich erst aufs Desktop bevor er sich in eine mehrminütige Meditationsphase stürzt, um dann den Flieger endlich auf der Rollbahn zu stellen. Wer seinen Desktop auf weniger als 1024 mal 768 Pixel eingestellt hat, muss das per Hand ändern. Sonst funktioniert der Flight Simulator X nicht. Immer wieder gibt es schwarze Flächen, statt bewaldeter Gebiete. Und ganz fies: Man muss das Spiel erst per Internet aktivieren, ansonsten schaltet es nach zwei Wochen in den Demo-Modus.

Fluglotse dürfen nur Besitzer der Professional-Edition spielen.

Der Flight Simulator wird in zwei Varianten angeboten. Neben der Standardversion gibt es noch die Profesional-Edition. Die kostet gut 20 Euro mehr, bietet aber nur inhaltliche Unterschiede. Beigelegte Goodies, wie etwa ein gedrucktes Handbuch oder nützliche Karten gibt es nicht. Dafür kann man über Internet oder LAN mit insgesamt 16 Spielern einen Flugraum verwalten . Der Clou: Ein bis drei Teilnehmer dürfen sich als Fluglotse versuchen und den anderen Anweisungen geben. Und das sogar gesprochen. Dazu benötigt man zusätzlich ein Mikrophon und Skype oder Teamtalk. Allerdings hat der Controller keinerlei Möglichkeit seine Anweisungen auch durchzusetzen. Wer sich nicht daran hält, kommt ungestraft davon. Für Flugschüler interessant: Die Möglichkeit zu zweit dasselbe Flugzeug zu steuern, wobei man sich die Position von Pilot und Copilot teilen kann. Ebenfalls nur in der Professional Edition erhältlich ist das Entwicklerkit für Flugzeuge, Szenerien und Missionen. Allerdings sind das richtige Profitools, die sich nur für geübte Experten eignen.

Dem Flight Simulator X merkt man deutlich an, dass er mit heißer Nadel gestrickt wurde. Könnte es sein, dass er auf Teufel komm raus unbedingt zum ursprünglich für diesen Herbst geplanten Release von Windows Vista erscheinen sollte? Vista verschob sich, warum nicht auch der FS X? Dadurch hätten die Entwickler mehr Zeit für Tuning und Detailschliff erhalten. Oder ein paar spannende Missionen mehr. Generell finde ich, wurde das Belohnungskonzept nicht rigoros genug verfolgt. Warum wird nicht irgendwas wirklich Tolles freigeschaltet statt der popeligen Orden? Neue Flugzeuge würden sich doch anbieten. Um nicht falsch verstanden zu werden: Auch der neue Flight Simulator ist wieder eine sehr gute Flugsimulation, die eh konkurrenzlos dasteht. Nein, halt das stimmt nicht ganz. Die Konkurrenz stammt aus dem eigenen Haus und heißt Flight Simulator 2004. Vor allem Profis, die bereits zahlreiche Addons dafür besitzen, sollten erstmal abwarten und in Ruhe beobachten, wie der FS X verbessert wird. Und wenn DirectX10 mal fertig ist, kann man den FS X immer noch kaufen. Ich packe ihn auf jeden Fall erstmal ins Regal und spiele weiter die alte Version. Im nächsten Frühjahr sehe ich dann weiter.

7 / 10

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