GTA: Vice City Stories
Großer Titel auf kleiner Konsole
Rockstar ist exklusiv für die PSP erneut in die 80er Jahre zurückgekehrt.
1984, zwei Jahre vor den Ereignissen in GTA: Vice City. Der Protagonist der Handlung ist Victor Vance, Nachfahre dominikanischer Einwanderer und Bruder von Lance Vance, den mancher vielleicht noch kennt.
Vic braucht Geld. Zuhause sitzt eine Crack rauchende Mutter und den kleinen, an Asthma erkrankten Bruder soll er zudem versorgen. Und was macht ein US-Boy, wenn es ansonsten keine Jobs gibt ? Genau, er heuert mit ehrbaren Absichten bei der US-Army an. Dumm nur, dort auf einen durchgeknallten und korrupten Sergeant zu treffen. Martinez, eine Koksnase ersten Grades, nutzt die Position als Vorgesetzter mit guten Kontakten in die Unterwelt von Vice City für so manchen Deal schamlos aus. Recht schnell steht Vic deshalb wieder dort, wo er gewesen ist – auf der Straße. Bei Martinez' Handlanger Phil Cassidy (kennt man ebenfalls) findet er Unterkunft und verrichtet erste, kleinere Aufträge. Obwohl er sich anfangs noch gegen die kriminellen Verstrickungen wehrt, kann er letztlich nicht anders, als sich in dieser Spirale seinen Platz ganz oben zu suchen.
Für alte Hasen der GTA-Serie ist das Spielprinzip „Kleiner Mann, ganz groß“ kalter Kaffee; oder aber ein wohliges Ambiente. Wieder brettert man mit allerlei Vehikeln durch die Straßen, wieder sucht man bestimmte Ziele auf, wieder muss man sich Respekt und Einfluss in der Stadt erkämpfen. Und weil wir gerade so schön im Trott sind: Wieder fällt die Missionsgestaltung äußerst abwechslungsreich und kreativ aus: Beispielsweise die Kontrolle von Schutzgeldzahlungen, ein Quad-Bike-Rennen gegen eine Dame, die Räumung eines Whiskeylagers per Gabelstapler binnen vorgegebenem Zeitlimit, ein Helikopter-Einsatz mit Feuergefecht, Verfolgungsfahrten auf der Straße und im kühlen Nass, sowie das Aufmischen feindlicher Ghetto-Banden. Neu hingegen ist, dass der „kleine Mann“ ab sofort im Wasser planschen darf, sich die Klamotten selbst zusammen stellt und auch Gang-Mitglieder auf seine Seite zieht. Als Fuhrpark dienen unzählige No-Name-Fabrikate (Motorräder, Autos, etc.) mit prägnanter Silhouette – später im Spiel sogar ein Jetski und der erwähnte Helikopter. Die Spielstände lassen sich, wie eh und je, erst nach erfolgreichem Missionsende speichern.
Je erfolgreicher Ihr Victors Werdegang beschreitet, desto mehr Möglichkeiten eröffnen sich Euch, auch abseits des harten Schlägeralltags einige Scheine zu verdienen. Anstatt einfach nur ein Geschäft zu kaufen, darf man gleich ein ganzes Firmenimperium errichten – eine wirklich erfrischende Neuerung. Ist in einem bestimmten Stadtteil geklärt, wer als BigDaddy fungiert, installiert Ihr nach Kauf eines entsprechenden Gebäudes eines von sechs Geschäftsmodellen. Fortan bringen mitunter Drogenhandel, Prostitution und Kreditabzocke den Dollar zum Rollen. Die Einnahmen werden allerdings nicht mehr direkt vor Ort eingetrieben, sondern fließen automatisch aufs Konto. So könnt Ihr ohne Zeitdruck weiterhin die Hauptmissionen spielen oder Victors Position durch die Nebenmissionen in den bis zu 30 Filialen festigen. Wobei diese Aufträge zuweilen etwas nerven und auch recht gewöhnlich und vor allem stressig daher kommen: Als Kredithai sollt Ihr innerhalb von 3 Minute einen verschuldeten Motorradfahrer stoppen und zurück zur Filiale begleiten, die leicht bekleideten Damen des Bordells wollen ständig zu ihren Freiern kutschiert werden. Wenn man dann mit 15 zeitlich begrenzten Aufträgen hintereinander hantiert und die Rufsteigerung und der Lohn vergleichsweise spärlich ausfällt, ist die Luft schnell raus.
Rockstar versteht es, über prägnante Charaktere einen wirklich interessanten Spielfluss zu inszenieren. Beispielsweise mit der White-Trash-Mutter Louise, die sich fälschlicherweise einen widerwärtigen Kotzbrocken als Mann geangelt hat und in Victor ihren strahlenden Erlöser sieht. Trotz des allgegenwärtigen Sarkasmus, wie den meist witzigen, manchmal jedoch zweifelhaft derben Radiowerbespots pädophiler Art, erzeugen die Figuren – zumindest bei mir - eine emotionale Anteilnahme. Wenn da zwei Verlierer wie Vic und Louise in ihrer Verzweiflung auf der Couch sitzen und sich gegenseitig aufpäppeln, möchte ich sie sofort in die Arme schließen. Speziell, da die Protagonisten durch hervorragende Sprecher, tolle Animationen und erkennbare Mimik genügend „Leben“ ausstrahlen – natürlich immer unter Maßgabe, schließlich handelt es sich bei der PSP-Portierung um einen Titel mit reduzierter Polygon-Anzahl. Die Story ist generell gesehen etwas dünn geraten und sonderlich viel erfährt man über Victor im Verlauf des Spieles nicht – außer dem „Verdacht“, dass er eher zu gleichgeschlechtlichen Partnern neigt -, aber das trübt den Spaß nur am Rande.
Vice City selbst besitzt ebenfalls Charakter. Dank wechselnder Tageszeiten zeigt die fiktive Stadt all ihre Facetten. Das Flair von Miami ist an jeder Ecke spürbar und begeistert besonders des Nachts mit den knalligen Farben der Neonlichter. Es gibt zig Orte zu erkunden, vom Hafenviertel über Geschäftsbereiche bis hin zu Wohnwagensiedlungen. Nur schade, dass auf den Straßen bzw. überall enttäuschend wenig los ist – mehr Menschen und Fahrzeuge hätten sicherlich nicht geschadet. Äußerst zufriedenstellend hingegen ist die Kamera-Einstellung der sehenswerten Zwischensequenzen, die gewaltigen Explosionen und der Sound. Wenn im Autoradio der junge Phil Collins unter den 100 großartigen Tracks der 80er Jahre aufspielt, ist die Zeitreise nahezu perfekt.
Es ist kaum zu glauben, wie viel eine kleine PSP da an Daten zu schaufeln vermag. Gelegentliche Framerate-Einbrüche zeugen von der Last, obwohl schon im Vergleich zum Vorgänger Liberty City Stories Fußgänger und Fahrzeuge reduziert wurden. Relativ nervig gestalten sich die langen Ladezeiten und die Kamerasteuerung bzw. das unpräzise Zielsystem in den Feuergefechten. Die meist recht anspruchsvollen Missionen verlangen Geschick und oft Schnelligkeit mit dem Schießeisen. Mittels mangelhafter Kontrolle wird man dabei aber genauso oft in den Wahnsinn getrieben. Hier wäre eine Verbesserung durchaus wünschenswert.
Für Freunde der Mehrspielerpartien bietet der Titel 10 verschiedene Modi für bis zu sechs Teilnehmer an. Mittels WLAN dürft Ihr Euch dann unter anderem im Deathmatch, Capture the Flag und einigen Rennen den Garaus bereiten.
Rockstar schafft es einmal mehr den Spieler in ein kleines Universum zu locken, aus dem es kaum ein Entrinnen gibt. Dieses unterhaltsame Spiel in einen Handheld zu pressen, ist dabei aber schon fast so etwas wie ein Verbrechen. Mir wäre es lieber, ich könnte den Titel in HD auf einer normalen Konsole spielen. Zumal die Story und die Atmosphäre in mir das Verlangen wecken, das kleine Bild auf mindestens 23“ aufzuziehen und einen 5.1-Sound durch meine Anlage zu jagen. Zu guter Letzt stünde mir dann auch endlich ein zweiter Joystick zur Verfügung und meine Verzweiflung in den Shoot-Outs fände ein Ende.