Guild Wars: Nightfall
Mit Abstand das beste Guild Wars bislang!
OK, ich fange gleich mal mit einer dreisten Behauptung an: Guild Warsist für mich besser als World of Warcraft! Als Begründung könnte ich jetzt etliche Argumente aufzählen, aber eigentlich reicht schon eins aus: Man muss keine monatlichen Abo-Gebühren berappen. Das führt nicht nur zu einem Plus im Portmonee, sondern mangels "Ich muss zocken, weil ich bezahlt habe"-Faktor auch zu einer deutlich entspannteren Spielweise. Dieser Vorteil zeigt sich auch bei der nun erschienenen dritten Kampagne mit dem Titel Nightfall. Allerdings ist das bei weitem nicht der einzige Trumpf des Online-Rollenspieles.
Sucht ohne Abo!
Guild Wars ist eines dieser Spiele, die einen nicht mehr loslassen: Nur noch eine Quest, schnell noch eine Mission erledigen oder ein Gebiet auskundschaften. Der Suchtfaktor ist enorm und wird in der neuen Episode sogar weiter gesteigert. Im Gegensatz zu anderen MMOGs ufert der Zeiteinsatz jedoch niemals zu Marathonsitzungen aus - dem allseits gefürchteten "Grinden". Wo man bei WoW und Konsorten in stundenlangen Sessions an den Rechner gefesselt wird und so genannte "Timesinks" die Spieler bei der Stange halten sollen, spuckt GW Hinweise aus, wie lange man schon spielt. Nach zwei Stunden erscheint sogar die Aufforderung, doch bitte eine Pause einzulegen!
Dieses "Come and Go"-Gameplay, wie es Arena Net-Mitbegründer Jeff Strain uns gegenüber in einem Interview bezeichnet, ist natürlich nur ein Aspekt des Spiels. Mit Nightfall werden Neuerungen integriert, die teilweise tief in die Spielmechanik eingreifen und das bewährte Gameplay trotzdem nicht auf den Kopf stellen. Im Mittelpunkt der Änderungen steht vor allem das neue Helden-System. Bisher war es GW-Spielern möglich, ihre Gruppen mit computergesteuerten Gefolgsleuten, den so genannten Henchmen, aufzufüllen oder sogar ausschließlich auf sie zurückzugreifen. Das frische Abenteuer bietet jetzt die Möglichkeit, individualisierbare Heldenfiguren als Spielpartner einzuladen.
Storytechnisch kommen die Helden sehr gerufen – Dunkelheit legt sich über das Land und bedroht den Kontinent Elona. Die fiese Herrscherin Varesh Ossa schmiedet finstere Pläne und nur Ihr und Eure Kämpen könnt ihr dabei Einhalt gebieten. In 20 Missionen durchkreuzt Ihr die Machenschaften ihrer Gesellen und erlebt dabei in mehr als 250 Quests das neue Ambiente der afrikanisch-arabisch inspirierten Szenarien. Abermals ist es den Designern gelungen, eine Landschaft zu kreieren, die schön aussieht und trotzdem nur recht moderate Hardware-Ansprüche stellt. So können auch Spieler mit älteren Rechnern in den Genuss von Nightfall kommen.
Helden braucht das Land!
Die Heldenfiguren besitzen im Gegensatz zu den konturlosen Henchmen nicht nur durch die Hintergrundgeschichte herbeigeführte Charakterzüge. Nachdem man sie nach und nach im Spielverlauf freischaltet, stellen sie quasi den verlängerten Arm der eigenen Spielfigur dar. Wie beim eigenen Alter Ego, dürfen Spieler neben den Attributen auch die Fertigkeiten (Skills) und die mitgeführten Ausrüstungsgegenstände der Helden anpassen und beeinflussen. Der Rollenspiel-Aspekt des Spiels wird dadurch enorm bereichert. Schließlich gilt es jetzt ein Dutzend Charaktere auszustatten und nicht nur einen.
Doch damit ist noch lange nicht Schluss: Personalisierte Recken hören auf Euer Kommando, verhalten sich passiv oder aggressiv, besetzen Positionen auf der Karte, die ihnen mit Befehlsflaggen zugewiesen werden und verfügen sogar über Mini-Quickcastleisten. So steuert Ihr die Helden auf Wunsch sogar in der Schlacht – falls Ihr das im Eifer des Gefechtes nebenbei hinbekommt. Ansonsten agieren sie innerhalb ihrer Vorgaben beachtlich selbstständig. Das heißt: Greift Ihr einen Schergen an, attackieren sie den selbigen. Von selbst stürmen sie nur auf die Gegner, wenn Ihr zuvor das entsprechende Verhaltensprofil auf "aggressiv" setzt.
Maximal drei der Helden schließen sich Eurer 8-Slot-starken Gruppe an. Überschüssige Plätze füllt Ihr wie gewohnt mit Henchmen oder Mitspielern auf. Wer am liebsten alleine oder nur mit einem Freund in die Schlacht zieht, wird dieses Feature lieben, da sich somit fast alle Aufgaben auch als Solokünstler lösen lassen.
Und wieder zwei Neue..
Neben den Heldengestalten gibt es bei der Standalone-Erweiterung natürlich auch neue Spieler-Klassen. Zwei, um genau zu sein. Genau so viele wurden auch mit der vorherigen Episode Factions eingeführt, doch die konzentrierte ihre Inhalte größtenteils auf den PvP-Aspekt des Spiels. Nightfall richtet sich in erster Linie an Rollenspieler. Das merkt man Derwisch und Paragon aber nicht an, sie kommen in beiden Spielmodi gut weg. Der Paragon, die Schutzgestalt der Elonier, agiert als der heimliche Anführer aus dem Hintergrund und unterstützt seine Mitstreiter durch Anfeuerungssprüche, Schutzzauber und taktische Verbesserungen im Gefecht. Mit Schild und Speer ausgestattet ist er zudem in der Lage, den Widersachern empfindliche Treffer beizubringen.
Ganz anders verhalten sich Derwisch-Charaktere: Sie stehen im Mittelpunkt der Auseinandersetzungen, werfen sich ins Getümmel und richten beachtlichen Schaden mit ihrer Sense an. Die Waffe ermöglicht ihnen, mehrere Gegner zugleich in einem relativ weiten Radius anzugreifen. Feinde, die sich taktisch fehl verhalten und zu dicht beieinander stehen, bereuen diesen Irrtum bei einer Begegnung mit Derwischen schnell. Obwohl die Klasse recht schwach gerüstet ist, macht sie den Malus durch ihre Trefferpunkt-Boni wider wett, die beim Abklingen von Verzauberungen wirksam werden. Außerdem verfügen sie über die mächtige Fähigkeit, sich für kurze Zeit in eine der fünf Gottheiten zu verwandeln und damit unter anderem Immunität gegen schädigende Zustände zu erlangen.
Mehr Rollenspiel-Elemente
Abseits der zusätzlichen Klassen, des Helden-Systems und der Kampagne, belebt der Entwickler Arena Net das Rollenspiel-Element, in dem das Team größeren Augenmerk auf das Erzählen einer guten Story legt und auch die Aufgaben und Missionen zumindest teilweise spannender aufbaut. Als Mitglied des Sonnenspeerordens – den Verteidigern des Dreier-Büdnisses von Istan, Kourna und Vaabi mit insgesamt 55 neuen Gebieten – erlebt Ihr ein abwechslungsreiches Abenteuer voller Intrigen und Wendungen, das vor allem durch seine Missionsgestaltung überzeugt. Auch die immer wieder eingestreuten Cut-Szenen binden die Spielfigur deutlich besser ein als zuvor. Die zahlreichen Quests bieten nun Rätsel und Fallen, die den Spieler auf die Probe stellen. Beispielsweise müsst Ihr Euer Talent in einer Gerichtsverhandlung beweisen, eine Festung erstürmen und die Horte der Untoten durch geschicktes Platzieren von Steintafeln öffnen.
Obwohl sich Nightfall inhaltlich auf PvE-Aspekte, also den Kampf gegen die Spiel-Umwelt fokussiert, werden Anhänger der Spieler-Gegen-Spieler-Gefechte nicht enttäuscht. Zum einen, weil sich die neuen Klassen dank guter Ausgeglichenheit ins Spiel integrieren. Zum anderen gibt es auch hier eine Reihe von Änderungen, die mehr Dynamik in die Gefechte bringen. Beispielsweise ist ab sofort der Rüstungswechsel innerhalb der PvP-Rangeleien nicht mehr möglich. Der Wegfall dieser Komponente erfordert von vielen Gilden ein Umdenken hinsichtlich der Spieltaktik. Wer die großen Auseinandersetzungen scheut, stürzt sich neuerdings einfach in 1vs1-Kämpfe – dem Heldenfeature sei Dank. Je ein Spieler tritt dabei mitsamt seinen drei Lieblingshelden gegen einen anderen Mitspielers an.
Guild Wars: Nightfall ist eine konsequente und gute Weiterentwicklung des Online-Rollenspiels und weiß vor allem durch das neue Helden-Feature zu überzeugen. Flexibel wie nie zuvor dürfen sich Fans des Spiels in die dritte Kampagne stürzen und ein vielseitiges Abenteuer erleben, bei dem das Bemühen, eine dichte Atmosphäre zu stricken, spürbar ist. Kein anderes MMOG vermag es überdies, den Spielern so viele Freiheiten bei ihren Spielentscheidung zu überlassen wie Guild Wars. Fans der Reihe werden vom dritten Teil mit Sicherheit nicht enttäuscht sein. Dank der Eigenständigkeit und der Abstinenz eines Abo-Systems bleibt das Spiel aber auch für Neueinsteiger reizvoll.