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Neverwinter Nights 2

Die Rückkehr des Rollenspiels

Nach allen Regeln der Rollenspiel-Kunst

Aber soviel man auch Labern mag, der Kern von Neverwinter Nights 2 ist natürlich der Kampf. Und auch dessen Regeln folgen dem strengen, aber ausgefeilten D&D-Reglement. Einer der Hauptunterschiede zu anderen Spielen ist das fehlende Mana. Zauberkundige benötigen keine spezielle Energie für die Erschaffung ihrer Sprüche. Stattdessen müssen sie sich diese Zauber merken und anschließend eine Runde Meditieren. Das klingt komplizierter als es ist. Man klickt einfach auf »Rasten« und fünf Sekunden später hat der Magier alle Sprüche intus. Einzige Ausnahme: Der Hexer. Der muss nichts extra lernen, er darf jederzeit Magie wirken. Allerdings besitzt er deutlich weniger Auswahlmöglichkeiten als die restlichen Zauberkundigen.

Das Zaubermenü sieht fitzelig aus, ist aber sehr übersichtlich.

Die Kämpfe laufen in Echtzeit ab, was auf den ersten Blick sehr verwirrend wirkt. Man kann alle Charaktere einzeln befehligen, verliert dann aber schnell den Überblick. Vor allem, weil sich oft tonnenweise Gegner auf dem Bildschirm tummeln. Sehr praktisch: Die Leertaste, mit der man das Spiel anhält. Dann erteilt Ihr in aller Ruhe Euren Leuten die Befehle zur Attacke und sucht Zaubersprüche aus. Man kann sogar Gegenstände, die in der Nähe des Helden liegen einsammeln. Danach geht's dann in Echtzeit weiter. Wem das zu kompliziert ist, verlässt sich auf die KI und übernimmt nur einen einzigen Helden. Die anderen Streiter kämpfen auch automatisch weiter – relativ clever sogar. Und wenn mal ein Held stirbt, macht das auch nichts. Überlebt nur ein Gruppenmitglied, steht der Rest nach der Schlacht wieder auf. Außerdem kann man in groben Grenzen festlegen, ob wild drauf los gezaubert wird oder ob während des Kampfes auch Schlösser geknackt werden sollen. Auf die KI ist aber nicht immer Verlass. In der Fassung 1.0 (der Verkaufsversion) setzt die Intelligenz der Begleiter schon mal aus und einer der Charaktere beteiligt sich gar nicht am Gefecht. Der bereits erschienene Patch 1.01 behebt dieses Problem zum großen Teil. Es passiert zwar auch jetzt immer wieder einmal, allerdings nur sehr selten.

Wer in den Kämpfen erfolgreich sein will, darf sich trotz vierfach jederzeit umschaltbarem Schwierigkeitsgrad aber nicht auf die Automatik verlassen. Nur wer mit seinen Helden und deren Fähigkeiten geschickt umgeht, besiegt die zum Teil wirklich heftigen Gegner. Dabei kann man sich seine Truppe nach den eigenen Vorlieben zusammenstellen. So muss man überlegen, ob man die Druidin Elanee besser in ein nahkampfstarkes Wildschwein oder einen Bären verwandelt und sich in die Schlacht stürzen lässt. Oder sie lieber hinten hält, um bei Bedarf Verwundete zu heilen. Magierin Qara eignet sich hervorragend für großflächige Feuerzauber. Andererseits ist sie auch bewandert in Schlafmagie. Und wer schläft, sündigt... ääähhh kämpft bekanntlich nicht.

Staranwälte, Tricks, Prozesse

Magier-Freund Sand verteidigt uns auf unseren Wunsch vor Gericht.

Neverwinter Nights 2 ist nicht nur ein sehr gutes Rollenspiel, sondern ein hervorragendes. Und dafür ist nicht das ausgefeilte Kampfsystem verantwortlich oder die exzellent ausgearbeiteten Charaktere. Und auch an der brillant-spannenden Story liegt es nicht. Verantwortlich dafür sind Szenen wie folgende: Die Bösewichter lassen nichts unversucht, um unserer Heldin zu schaden. Sie schrecken nicht einmal davor zurück, sie vor Gericht zu zerren. Ihr habt richtig gelesen: Noch bevor die Hälfte des Spiels rum ist, findet Ihr Euch vor dem Kadi wieder. Ganz CSI-mäßig sammelt Ihr vorher Beweise, um Euch selbst zu verteidigen. Die Verhandlung wogt hin und her. Ihr verhört Zeugen, die Anklage (vertreten von der eiskalten Botschafterin von Luskan) macht dasselbe und lässt sogar falsche Zeugen aufmarschieren. Nach vielem hin und her, samt einiger perfekt inszenierter Auftritte vor Gericht, läuft alles auf ein Gottesurteil hinaus. Ihr müsst gegen einen wilden Berserker kämpfen. Der Kerl ist fast unbesiegbar. Beim ersten Mal schubste er unsere Steffi binnen drei Schlägen über den Jordan. Beim nächsten Mal agieren wir schlauer und hetzen im ein Feuerelementar auf den Leib. Währenddessen laufen wir vor dem Berserker weg und schlagen Haken genau so, das er immer eine Sekunde stehen bleibt. In dieser kurzen Zeitspannen verpasst ihm das Feuerwesen eins auf die Nase. Fünf Minuten später ist der Kerl tot... der Prozess gewonnen. Wo sonst gibt es denn schon so was?

Die eigene Burg baut man über Gespräche mit den Verwaltern aus.

Noch etwas brillantes Spieldesign gefällig? Nachdem das in drei Akte aufgeteilte Spiel etwa zur Hälfte vorbei ist, muss man in einer dramatisch spannenden Schlacht eine Burgfestung stürmen. Zum Dank darf man den Laden glatt behalten. Was man vorher nicht weiß: Der uralte Kasten ist dringend renovierungsbedürftig. Außerdem braucht man als Burgherr natürlich Personal, sprich Soldaten. Ab da muss man sauer erwirtschaftetes Geld in den Aus- und Umbau des Schlosses stecken – wie seinerzeit in dem Stronghold-Part von Baldurs Gate 2. Man muss überlegen, ab man lieber zuerst die Zufahrtsstraße ausbaut und dadurch mehr Händler anlockt oder lieber die Verteidigungswälle aufstockt. Außerdem gilt es die Bauern und Handelsleute zu besteuern, was wiederum Gold in die Kassen spült. Und natürlich muss man Leute anheuern, ausbilden und auf Patrouille schicken. Zu allem Überfluss treiben sich offensichtlich auch noch Spione auf der Burg herum. Das alles steuert man über Gespräche mit zwei Verwaltern. Einer für die Burg, einer für die Leute. Zu viel Zeit darf man sich damit auch nicht lassen, denn irgendwann wird die Burg angegriffen. Und dann steht hoffentlich die Verteidigung. Sehr nett: Man kann unterwegs Gegenstände kaufen und sammeln, mit denen sich das Heim schmücken lässt. Etwa das Portrait der schönen Shandra, einer der tapferen Begleiterinnen.

Außerdem gibt es immer wieder unterschiedliche Herangehensweisen, ein Problem zu lösen. So muss man sich an einer Stelle den Weg in ein geschütztes Stadtviertel erarbeiten. Wer mag, schließt sich der Stadtwache an, vereitelt in deren Diensten Korruption und Bestechung und stellt eine fiese Diebesbande in einem Warenlager. Der andere Weg besteht darin, dass Ihr Euch just diesen Dieben anschließt, nebenbei die Stadtwache abfackelt, um dann über einen dubiosen Geschäftsmann den Weg ins den geschützten Bereich zu finden.