Stronghold Legends
Das Ende einer Legende?
Es war einmal ein Spiel, das hieß Stronghold und wurde dank ausgetüftelter Spielmechanik zum Überraschungshit. Dann kam der Nachfolger und wurde dank weniger gut ausgetüftelter Spielmechanik zum Überraschungsflop. Nun erscheint Teil 3. Und der ist dank ganz ordentlich ausgetüftelter Spielmechanik überraschenderweise ganz okay. Die schlecht ausbalancierte Vorabversion von Stronghold Legends (hier unser Erster Eindruck) ließ Schlimmes erahnen. Doch auf den letzten Metern hat das Firefly-Team noch die Kurve gekriegt und liefert ein recht spannendes Echtzeitstrategiespiel ab. Wenn da nur nicht die doofe Truppen-KI und die äußerst mittelmäßige Grafik wären.
Drei Kampagnen, massig Helden. Wer sich an den Legenden-Feldzug wagt, hat die Wahl, ob er mit Artus und diversen Rittern der Tafelrunde loszieht, Dietrich von Bern begleitet oder in die Fußstapfen von Vlad Draculea tritt. In allen drei Szenarien wollen jeweils acht Missionen gewonnen werden. Die Zielsetzungen sind sehr unterschiedlich. Mal müsst Ihr mit Euren Truppen ganz konventionell den Gegner von der Karte putzen. Erheblich häufiger soll man ganz nebenbei auch noch eine funktionierende mittelalterliche Wirtschaft aufziehen. Ab und an mal gilt es sogar Festungen zu bauen und gegen Angreifer zu verteidigen. Dazu gibt es drei verkettete Feldzüge mit insgesamt 20 Missionen ohne Storyhintergrund, in denen man jeweils die komplette Karte erobern muss.
Sitzstreik
Theoretisch sind die reinen Kampfeinsätze die einfachsten. Ihr arrangiert Eure Truppen so, dass Fernkämpfer hinten stehen, der Rest vorne und los geht’s auf den Feind. Theoretisch, wohlgemerkt. Denn hier hat man die Rechnung ohne die sehr eigenwillige, fehlerhafte KI gemacht. Gerade Bogenschützen neigen dazu, Befehle einfach komplett zu ignorieren. Statt wie angeordnet die gegnerische Offensive im Pfeilhagel zu ersticken, sitzen die Burschen auf dem Boden und tun nichts. Erst auf nochmalige Anordnung reagieren sie, oder auch nicht. Das passierte sogar, nachdem wir den bereits veröffentlichten Patch auf die Version 1.10 über die Verkaufsversion installiert hatten. Freund und Feind leiden gleichermaßen an den merkwürdigen Wegfindungsroutinen. Trupps teilen sich an Hindernissen teilweise völlig erratisch auf. Wer rechts- oder linksherum läuft, hängt weitgehend vom Zufall ab. So manch taktischer Schachzug dadurch auch.
Etwas Berechenbarkeit bringen die neuen Helden ins Spiel. Egal ob Dietrich von Bern, Lanzelot oder Dracula: Alle verfügen über Spezialattacken. Dietrich ruft Eiskämpferinnen herbei, Darcula beschwört Werwölfe. Wie von anderen Spielen gewohnt, dauert es immer eine Weile, bis man diese Attacken erneut einsetzen kann.
Es gibt aber nicht nur Schattenseiten: Der ausgeklügelte Basis- und Festungsbau ist auch bei Stronghold Legends immer noch eine der Stärken der Serie. Zum Glück wurden die Wirtschaftskreisläufe wieder auf das Wesentliche reduziert. Von Käsereien, Hühnerhöfen und Apfelplantagen kommt Nahrung. Die benötigen die Arbeiter, um im Steinbruch Steine, aus Minen Eisenerz und aus Waldcamps Holz zu gewinnen. Das alles dient dazu, Waffen zu produzieren, um letztlich Soldaten anzuwerben. Das dazu benötigte Gold stammt aus Steuern. Damit die Bevölkerung trotzdem zufrieden bleibt, erhöht man einfach die Nahrungsmittelrationen. Dazu gesellt sich noch Ruhm aus Kirchen. Den setzt man ein, um weitere legendäre Helden, wie etwa den blitzeschleudernden Merlin herbeizuzitieren. Das alles klappt ganz hervorragend, KI-Aussetzer gibt es in diesem Bereich überhaupt nicht. Ärger kommt nur auf, wenn Truppen die Festungswälle bemannen sollen. Dann verweigern sie schon mal den Gehorsam.
Träger Riese
Neben dem Aufbau einer Festung steht natürlich deren Verteidigung im Mittelpunkt. Und hier zeigt Stronghold Legends seine zweite Stärke. Es macht viel Spaß Pechgräben und Menschenfallen auszulegen, damit die gegnerischen Leiternträger gar nicht erst an die eigenen Mauern heranstürmen können. Und oben erwartet sie siedendes Öl. Das löst man per Hand aus. Oder man dirigiert Kugelkatapulte in die optimale Verteidigungsstellung. Dazu tickt meist ein Zeitlimit herunter. Ist das abgelaufen, greift der Feind erbarmungslos an. Na gut, fast erbarmunglos. Denn auch die Gegner sind nicht der Hellsten welche. So laufen sie immer wieder gegen dieselben Mauerabschnitte an, obwohl die mit mehreren Ölwerfern exzellent gesichert waren. Oder sie rühren sich streckenweise gar nicht. Der bedrohlich wirkende Bergriese beispielsweise attackierte erst, nachdem unsere Truppen ihn schon halb umgebracht hatten.
Grafisch war Stronghold 2 schon nur noch mittelmäßig. Stronghold Legends sieht ein Jahr später leider genauso aus. Vor allem die Animationen von Freund und Feind sind jämmerlich. Die Landschaften wirken leer und steril. Zumindest die Burgen sind einigermaßen ausstaffiert. Ebenfalls nicht so dolle ist die Sprachausgabe. Die meisten Sprecher wirken wie übertrieben agierende Märchenonkel. Die einzige weibliche Stimme ist sogar grauenhaft schrill und nervig. Allein der Erzähler wirkt wie ein Profi. Na, immerhin!
Verglichen mit der lahmen Vorabversion hat Stronghold Legend zum Schluss hin noch an Qualität zugelegt. Vor allem die Burg-Verteidigen-Szenarios machen genauso viel Spaß, wie beim legendären ersten Teil. Allerdings sind die viel zu selten. Und den reinen Wirtschaftsmodus (in dem man nur die Burg aufbaut, ohne zu kämpfen) gibt es überhaupt nicht mehr. Schade drum, denn gerade der machte sehr viel Spaß. Es bleiben aber die vielen KI-Mängel, die selbst der erste Patch nicht behebt (und die schon seit Teil 1 nicht behoben wurden). So was darf Anno 2006 nicht mehr passieren. Dank Festungsbau ist auch Stronghold Legends immer noch etwas Einzigartiges, einen weiteren Ableger sollte es aber nicht geben, bevor die KI-Probleme gelöst sind – und die Grafik endlich auf aktuelles Niveau angehoben wurde.