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Undercover: Operation Wintersonne

Scheint nicht so ganz

Eine verschlossene Tür ist für einen alten Knobel-Haudegen wie mich nun wahrlich keine Herausforderung mehr. Noch weniger, wo ich doch vorhin gerade dieses Rezept für eine ätzende Flüssigkeit gefunden habe. Schwups! Aufs Schloss gegossen und schon ... Moment mal! Das Ding ist nicht auf? “Nicht solange der Schlüssel steckt.“, sagt John Russell. Na gut. Ich drücke ihm einen gespitzten Bleistift in die Hand, er fummelt im Schloss herum. “Aber so würde der Schlüssel doch herausfallen“, beschwert sich dieses Genie von einem Physik-Doktor. „Das soll er ja auch du Dämlack!“, fauche ich und probiere weiter.

Zehn Minuten später finde ich heraus, dass meine Idee mit der ätzenden Flüssigkeit schon der richtige Ansatz war. Bloß hätte ich zuerst ein Taschentuch unter der Türe durchstecken müssen, damit der per Bleistift heraus beförderte Schlüssel darauf landet, um anschließend im Türspalt stecken zu bleiben. Toll, bringt einen ungemein weiter. Russel erbarmt sich letztendlich das Schloss einfach weg zu schrumpeln. Hilft aber auch nichts, solange die Türe quietscht. Und das wollen wir ja nicht. Nachdem sich Geheimagent-wider-Willen-Russel mit dem nutzlos in der Gegend herumstehenden Top-Spion durch schleppende Dialoge geärgert hat, mache ich mich also auf die Suche nach einem Schmiermittel.

Gamedesign-Verbrechen

Im Berliner Heereswaffenamt suchen wir nach Hinweisen auf eine deutschen Uranbombe.

In diesen ersten Zeilen stecken die schlimmsten Fehler, die ein Adventure-Entwickler machen kann. An einer einzigen Tür muss ich 15 Minuten lang herum rätseln, bis ich den streng linearen Lösungsweg der Entwickler endlich erraten habe – und das während ich Nazideutschland vom Bau einer Atomrakete abhalten soll. Solche Designschnitzer tauchen im nicht allzu langen Spielverlauf leider zu oft auf.

Aufgesetzte Rätsel unterbrechen immer wieder die dramaturgisch mäßig umgesetzte Geschichte. Der Spielfluss leidet darunter, dass man viel zu oft im Unklaren gelassen wird. Was muss ich jetzt eigentlich tun? Wofür hab ich all diese Gegenstände? Hinweise! Ich schreie nach Hinweisen! Und finde sie oft nur lächerlich versteckt. Manchmal weiß ich erst, warum ich ein Rätsel eigentlich gelöst habe, nachdem ich es gelöst habe. Auch weil Russell sich nicht oft genug darum bemüht, klare Auskünfte zu geben. Warum mir eine deutsche Kellnerin eine Flasche Schnapps in die Hand drückt? Keine Ahnung! Aber danke.

Dabei steckt in Undercover einiges Potential. Grafisch sieht das Deutschland von 1943 sehr schön aus. Nette gerenderte Hintergründe und geschmeidig animierte 3D-Charaktere fallen ins Auge, während stimmige Musikuntermalung und Soundeffekte für ein atmosphärisch dichtes Ambiente sorgen. Doch bevor ich mich darüber richtig freuen kann, ärgern mich schon die winzigen Gegenstände, die ich oft im Bild suchen muss – ohne wirklich zu wissen, wonach ich eigentlich stöbere. Mein persönliches Highlight: Zwei Häkchen mit einer Größe von etwa drei Pixeln. An denen soll ich ein Kabel montieren.

Im deutschen Dörfchen Haigerloch treiben wir unser Unwesen.

Und dann die Steuerung! Nicht, dass sie ganz übel wäre: zwei Maustasten kann auf einem starren Bildschirm jeder sinnvoll einsetzen. Aber, liebe Entwickler, seit ich denken kann, nutzt jede Anwendung dieser Welt die linke Maustaste, um Befehle auszuführen. Das einfach über den Haufen zu werfen, dient allem, nur nicht einer intuitiven Steuerung.

Um den insgesamt durchaus positiven Eindruck der technischen Präsentation dann auch noch zu schänden, verursacht die Engine viel zu lange Ladezeiten. Das wiegt auf Dauer schwer. Ganz besonders, wenn ich mir in dieser Zeit immer wieder Gedanken darüber machen muss, dass die letzte Kameraperspektive ziemlich unnötig gewesen ist. Die Spielzeit wird so zwar gestreckt, übersteigt die etwa 8 Stunden für geübte Abenteurer dann aber trotzdem nicht. Wenn man die künstlich integrierten Rätsel wegdenkt, verkommt Undercover zum Fast Food-Snack.

Ein unbeholfener Helfer

Unsere Helfer sind zwar gut darin, neben uns zu stehen. Eine Hilfe sind sie aber leider nicht.

Wie bereits angedeutet: Im Körper des Dr. John Russell müsst ihr die Nazis am Bau einer Atomrakete hindern. All das ist an historische Tatsachen angelehnt. Schon im Dialog der ersten Filmsequenz wirkt der fiktive Aufsatz aber unglaubwürdig. Der langweilige, unbedarfte Zivilist Russell wird mitten in den Kriegswirren zu Hilfe gerufen. Warum nur er Großbritannien retten kann, wird dann während den gesamten sechs Story-Kapiteln leider nie so ganz klar. Schließlich stehen ihm zwei Spitzenagenten des MI6 zur Seite, die eine solche Angelegenheit auch alleine hätten meistern können.

Aber leider erweisen sich diese Hilfsschergen als ebenso nutz- wie farblos. Abgesehen von seltenen Passagen, überlassen die beiden Spione - eine rebellische Schönheit und ein mürrischer Pedant - das Arbeiten unserem John. Zumindest schimmert bei den Gesprächen der beiden auch einmal etwas Individualität durch. Die meisten anderen Charaktere in Undercover sind flach – und so auch die Dialoge mit ihnen. Mit Ausnahmen, versteht sich: Wenn man in einer winternächtlichen Gasse Berlins mit einem Harald Junhke-Verschnitt quatscht, macht sich schon der eine oder andere Schmunzler im Gesicht breit.

Vielleicht sieht man es an meinen Ausführungen: Ganz schlecht ist Undercover nicht. Vielmehr blitzen immer wieder sehr gute Momente auf, die dann aber meist schnell durch ein frustrierendes Rätsel oder einen seltsam anmutenden Dialog vermurkst werden. Hier hat man sich teilweise handwerklich Gutes durch dumme Fehler zerstört. Nur wenige Passagen sind durchgehend gelungen. Schade, dass man die vorhandenen Qualitäten bei Entwickler Sproing nicht über das ganze Spiel ausdehnen konnte. So empfehle ich Undercover nur hartgesottenen Abenteurern.

Wer gegen die Nazis rätseln möchte, kann das im 1. Quartal 2007 auch auf dem Nintendo DS tun.

6 / 10

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