Age of Empires 3: The Warchiefs
Wilde Tänze im Wilden Westen
Ich finde es immer reichlich lächerlich, wenn sich Zivilisationsmenschen wie wir Europäer bei Naturvölkern anbiedern und deren Riten und Gebräuche aus Ambiente-Gründen nachmachen. Es gibt kaum etwas Komischeres, als eine Horde Öko-Fritzen (Lehrerehepaare oder so was), die in Stammestracht ums Feuer hüpfen, um irgendwelchen Naturgottheiten zu huldigen. Was aber, wenn das tatsächlich etwas bringen würde? Wie, geht nicht? Geht doch! Im Warchiefs-Addon zu Age of Empires 3 dürfen auch bibelfeste Siedler wilde Tänze vorm Lagerfeuer aufführen, für mehr Kampfkraft oder effektiveren Ackerbau. Im Austausch dafür verhalten sich die Indianer wie europäische Truppenverbände.
Tanz in den Sieg
Einer der Kritikpunkte am Hauptprogramm Age of Empires 3, das man für das Addon benötigt, lautete: Das Wild-West-Szenario interessiert uns Europäer nicht die Bohne. Konsequent wie Amerikaner nun mal sind, haben die Mannen von den Ensemble Studios deshalb The Warchiefs wiederum im Wilden Westen angesiedelt. Denn: Was wir Europäer wollen, interessiert die Amis nicht die Bohne.
15 Missionen sind es geworden, aufgeteilt auf zwei Kapitel. Zunächst bekämpft man als Nathaniel Black auf Seiten der Indianer, später auch der Amerikaner die rotberockten Engländer. Gleich zu Beginn kommt eins der neuen Völker ins Spiel: Die Irokesen. Und die verfügen über eine Spezialität: Das oben erwähnte Lagerfeuer. Ist das errichtet, können Dorfbewohner darum herum tanzen. Die Auswirkungen der Hopserei legt man zuvor fest. Entweder werden Rohstoffe schneller abgebaut oder die Einheiten erhalten mehr Kampfstärke. Entsprechend des jeweiligen Bedarfs lässt sich die Ausrichtung des Tanzes jederzeit wieder ändern. Die Lagerfeuer können aber auch alle anderen Völker nutzen. Der Rest des Basisbaus verhält sich eins zu eins zum Hauptprogramm. Sprich: Auch die Indianer betreiben Ackerbau und stellen sogar Kanonen her. Sehr merkwürdig.
Es gibt sogar die Nachschublieferungen aus Europa. Das war ja eine der großen Neuerungen im Hauptprogramm. Durch gesammelte Erfahrungspunkte kann man Rohstoffe oder Truppen aus der Alten Welt ordern. Damit das auch ins Indianer-Szenario passt (woher sollen die den Nachschub aus Europa kriegen?), wurde kurzerhand das Anwesen der Familie Black zur Lieferstation deklariert. Ab und an begegnet Nathaniel auch historischen Persönlichkeiten, wie etwa George Washington. Die tauchen auch als Helden in einigen Partien auf. Allerdings wirkt es etwas komisch, wenn der Pixel-Washington mit Nathaniel allein ganze Heerscharen von Engländern meuchelt.
Nach acht Missionen wechselt die Handlung ins zweite Kapitel. Dann steuert Ihr Chayton, den Enkel Nathaniels. Der sieht nicht nur so aus wie sein Opa, er hat auch dieselben Sonderfähigkeiten. Auf Knopfdruck stirbt ein anvisierter Feind. Außerdem gibt es noch eine etwas wirkungsarme Flächenattacke. Ab jetzt kommt auch das zweite neue Volk ins Spiel: Die Sioux. Aber auch hier darf man keine großen Überraschungen erwarten. Klar, es gibt recht starke Reitertrupps, allerdings spielt sich der Rest wie gehabt. Das dritte neue Volk sind die Azteken, kommt aber in der Solokampagne überhaupt nicht vor. Nur im Skirmish-Modus und in Mehrspielergefechten kann man sich auf deren Seite schlagen.
Erbarmen, die Hessen kommen!
Die Qualität der Missionen schwankt stark. Es gibt einige spannende Gefechte. Etwa wenn man zusammen mit französischen Einheiten eine befestigte Stellung der Hessen überrennen soll. Ja, richtig gelesen: Die Deutschen sind wieder mal die Bösen. Major Kuechler und seine Truppen mimen die Hauptgegner im ersten Kapitel. Dabei passieren jede Menge geskripteter Ereignisse. So bekommt man unversehens ein paar kanonenbewehrte Schiffe, sobald man mit seinen Landtrupps ein paar Wachtürme ausgeschaltet hat. Oder man muss durch die Zerstörung von Dorfzentren Dynamitwagen befreien, die man in andere Gebäude hinein jagt und so an vorgegebenen Stellen Durchgänge frei bekommt. Andere Missionen sind aber auch dürftig langweilig. Vor allem wenn es darum geht, 20 Minuten lang auf Verstärkung zu warten. Während dieser Zeit passiert so gut wie nichts. Abgesehen von ein paar wenigen Angriffen mit nie mehr als fünf Feindsoldaten. Um die abzuwehren, muss man nur einen eigenen Trupp positionieren und kann dann beruhigt zugucken, wie die Zeit runtertickert.
Schon das Hauptprogramm war optisch nicht mehr auf der Höhe der Zeit. Zwar zerfallen Gebäude unter Beschuss recht imposant, aber die Einheiten sind immer noch ziemlich pixelig. Mit der Grafik von Highlights wie Paraworld oder Company of Heroes kann sich weder Age of Empires 3 noch das Warchiefs-Addon messen. Die Spielmechanik ist dafür nach wie vor auch mit den neuen Völkern gut austariert, obwohl die Gefechte nie die Dramatik der dynamischen Scharmützel eines Dawn of War erreichen.
Ehrlich gesagt, war ich schon letztes Jahr von Age of Empires 3 ein wenig enttäuscht. Klar, die Gefechte waren immer noch eine gut ausgewogene Angelegenheit. Aber die Kampagnen fand ich strunzlangweilig, das Wild-West-Szenario schon damals ziemlich ausgelutscht. Warchiefs macht in diesem Bereich nichts besser. Auch diesmal ist die Kampagne sehr bieder, die Story zu hausbacken. Im Mehrspielermodus kann Age of Empires (und natürlich auch Warchiefs) seine Stärken zeigen. Denn die Wirtschaft klappt ganz hervorragend. Nur: Ich hätte mir mal ein neues Szenario gewünscht. Warum nicht was mit den Azteken? Oder was in Europa, das strotzte in dieser Epoche nur so von Konflikten. Wer das Hauptprogramm mochte, bekommt mehr vom guten Selben. Aber halt nichts Neues. Ich ziehe Rise of Legend, Paraworld, Dawn of War oder eben Company of Heroes Ensembles biederen Gefechten auf jeden Fall vor.
Der Kampf um die Kolonien beginnt am 27. Oktober 2006