Skip to main content

WWE Smackdown vs Raw 2007

Unterschichtenspiel der nächsten Generation

Der amerikanische Wrestling-Betrieb kann auf andere Kulturen verstörend wirken, da er seit vielen Jahren die niedersten Triebe und schlimmsten Vorurteile einer anonymen, ungebildeten Masse anspricht, ohne eine Form von Selbstreflektion zu betreiben. Wer einmal bei einem dieser Anabolika-geschwängerten Show-Abende dabei war, versteht, warum viele Amerikaner noch nicht einmal wissen, welcher Präsident bei ihnen an der Macht ist. Schamlos werden in choreographierten Kämpfen Feindbilder geschürt, bis dann am Ende ein All-American-Hero zum Beispiel den bösen Araber ungespitzt in den Boden rammt. Doch voller Scham muss ich eingestehen, dass ich in jungen Jahren nicht nur dem bunten Treiben bis zu einem gewissen Punkt geglaubt habe, sondern dass mich die dumpfen Muskelberge sogar faszinierten. So schwingt bei all meiner Abscheu eine gewisse Form der skurrilen Anziehungskraft mit, die mich wie einen Unfall-Gaffer geradezu magisch in seinen Bann zieht.

Peinliche Faszination

Auch degenerierte Teufelsanbeter mögen Silikon-Brüste

Aus diesem Grund habe ich mich auch freiwillig dazu bereit erklärt, THQ neuste Umsetzung dieses fast schon perversen Treibens unter die Lupe zu nehmen. Zum ersten Mal macht die WWE-Reihe nämlich auf der Xbox 360 Station und präsentiert die Wrestling-Stars mit hochauflösenden Texturen und geschmeidigen Animationen. Die 2007er-Fassung sieht zumindest auf Screenshots auch auf der Playstation 2 gelungen aus, doch als echter HD-Freak kommt mir natürlich nur die Next Generation Fassung ins Laufwerk. Auf der Xbox 360 überzeugen vor allem die Spielermodelle, die dank vernünftiger Mimik und bis auf einzelne Adern modellierte Körper den Flair der maskulinen Fleischbeschau perfekt transportieren. Gleiches gilt für die Animationen der zum Teil grotesken Bewegungsabläufe, die wirklich gelungen sind - wenn auch der Übergang zwischen einzelnen Moves und das Trefferverhalten der Schläge und Tritte nicht immer schlüssig wirken. Beispielsweise geht ein Fuß kurz vor dem Gegner ins Leere, schleudert ihn aber trotzdem in die Seile.

Die japanischen Entwickler von Yuke, die im Gegensatz zu ihren amerikanischen Kollegen meistens gelungene Wrestling-Umsetzungen liefern, machen spielerisch bei diesem Titel viel richtig und nur wenig falsch. Wie schon zu seligen N64-Zeiten stehen sich die beiden Kämpfer in einer der zahlreichen Wrestling-Arenen gegenüber und müssen den Körper des Gegners so lange bearbeiten, bis er sich beim Hold auf der Matte nicht mehr zur Wehr setzen kann. Der komplexe Spielablauf von Griffen und Würfen, Deckung und Konter, geht dabei nach einer Weile ins Blut bzw. die Finger über. Der Einsatz des rechten Analogsticks für die Auswahl der Aktionen sorgt für mehr Komfort und einen leichteren Einstieg. Gerade gegen größere und stärkere Gegner sind die Mehrzahl der normalen Aktionen nahezu nutzlos. Ohne ein gutes Repertoire an Griffen und den Mut, die Muskelberge mit teilweise über 150 Kilo auszukontern, sehen vor allem die kleinen und flinken Wrestler kein Land. Da kann es schon mal passieren, dass ein Tritt gegen den Körper wirkungslos bleibt oder ein Heber direkt nach hinten losgeht. Besser kann man die körperlichen Unterschiede zwischen den einzelnen Kämpfern nicht hervorheben. Nur schade, dass die Computer-Gegner überwiegend immer das gleiche Zeug vom Stapel lassen. Ein wenig mehr Kreativität hätte der KI sicherlich nicht geschadet.

Dumm spielt gut?

Hulk Hogan, das Vorbild aller Stirnglatzenträger.

Trotzdem macht es Spaß, jeden der Kämpfer einmal auszuprobieren und die breite Palette der individuellen Kampagnen durchzuspielen. Wobei es für den einen oder anderen ärgerlich sein mag, dass die Liste der wählbaren Wrestler „auch diesmal“ nicht dem aktuellen Stand entspricht. Ganz wie bei den inszenierten Wrestling-Shows im Fernsehen, wird neben den Kämpfen eine richtige Story erzählt und es gibt ungewöhnliche Kampfsituationen, wie das plötzliche Eintreffen von Helfern. Einen Oscar für ein gutes Drehbuch bekommen die Szenen zwar nicht unbedingt, wer aber auf den Matten-Klamauk steht, darf sich an einer wirklichkeitsgetreuen Simulation dieser skurrilen Story-Wendungen erfreuen. Außerdem rieselt nach jedem gewonnenen Fight ein wenig Geld aufs Konto, was man in neue Outfits, Einrichtungsgegenstände für die Wrestler-Bude und natürlich andere Fighter investieren kann. Yuke hat noch einen oben drauf gesetzt und auch wieder einen Manager-Modus eingeführt, bei dem man einen Schützling vom Sandsack für die Superstars zu einem richtigen Champion aufbaut. Neben dem Training können hier selbst Drehbuchschreiber engagiert werden, um der Popularität der Nachwuchs-Birne einen kleinen Schub zu verpassen. Hoffentlich bekommen echte Fans keinen Schock, wenn sie erfahren, dass alles nur gestellt ist.

Laden bis die DVD zerbricht

Button-Smashing pur: Egal welcher Knopf, Hauptsache drauf hämmern.

Während WWE 2007 Smackdown vs Raw inhaltlich seinen Job ganz gut macht, gibt es leider noch ein paar kleinere Mängel, die dem Prügel-Menü etwas Salz in die Suppe streuen. Neben Problemen mit der Kollisionserkennung, Clipping-Fehlern, der Gegner-KI, sich stets wiederholende Kommentatoren (mitsamt Falsch-Ansagen) und dem andauernden Button-Smashing, sind es vor allem die nervigen Lade-Screens, die aus dem Gebalge eine zähe Angelegenheit machen. Der Fall liegt zwar nicht ganz so dramatisch, wie bei der letzten PSP-Version, trotzdem werden vor jedem Menü, jedem Kampf und jeder Zwischensequenz zumindest ein paar Sekunden Daten von der DVD geschaufelt. Teilweise gibt es sogar einen Lade-Screen für einen Lade-Screen. Gerade angesichts solcher komplett gestreamten Grafik-Monster wie Gears of War ist so etwas schon fast eine lächerliche Angelegenheit. Abseits einer gewissen Begeisterung für die stumpfe Thematik, braucht der echte Wrestling-Fan also ganz wie bei den seltsamen Abend-Veranstaltungen jede Menge dumpfes Sitzfleisch.

Ja, ja, ich gebe es nicht gerne zu, aber ich hatte Spaß. Im Grunde finde ich Wrestling degeneriert, stupide und absolut verwerflich. Trotzdem ist das Gameplay der aktuellen Version wirklich gut und wer bereit ist, das Hirn gleich neben den Controller zu legen, wird laut grunzend dem Undertaker zujubeln. Ich habe ja schon bei meinen anderen Reviews darauf hingewiesen, dass ich mich ab und an gerne ohne viel Ballast vor die Konsole setze, diesmal ist es mir aber fast ein wenig peinlich. WWE Smackdown vs Raw 2007 ist nicht ein Spiel wie Ico oder auch Die Sims, das man brav seiner Freundin zeigt und mit denen man beweisen möchte, das Computerspielen total cool und schick ist. Smackdown vs Raw packt man wie einen Porno verstohlen in eine Plastiktüte, versteckt es ganz hinten in den Schrank, nur um sich dann bei jeder passenden Gelegenheit alleine damit zu vergnügen. Für Wrestling-Fans ein absolutes „must have“.

7 / 10

Schon gelesen?